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Blockfreie: Scharfe Töne gegen Washington

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Mit einer scharfen Verurteilung der Lateinamerikapolitik Washingtons endete die fünfte außerordentliche Außenministerkonferenz der sogenannten „blockfreien Staaten“, die vom 12. bis 15. Jänner in Managua stattfand. Der im Vergleich zum Originalentwurf abgeschwächte Ton des Schlußdokuments spiegelte die Auseinandersetzungen in den Sitzungen des Redaktionskomitees ebenso wieder, wie die unterschiedlichen politischen Einschätzungen der Länder bei den Plenarsitzungen.

Während drei Tagen saßen einander 309 Delegierte aus 95 Mit-

gliedstaaten der Bewegung und 21 Beobachter gegenüber, die alle vorwiegend aus den Ländern der Dritten Welt stammten. Bezeichnenderweise fielen auch ehemalige Kolonialmächte wie Spanien und Frankreich nur unter die Kategorie von „Gästen“ (invitados especiales), während die Befreiungsbewegungen Afrikas und Lateinamerikas vielfach alle mit der vollen Mitgliedschaft verbundenen Rechte genossen, vor allem das Recht, an den zähen Verhandlungen innerhalb des Redaktionskomitees teilzunehmen.

Andererseits wurden zum erstenmal in der Geschichte der Bewegung der Blockfreien auch Länder mit Beobachterstatus wie Mexiko und Venezuela, die zum Konferenzthema „Lateinamerika und die Karibik“ ein besonderes Nahverhältnis besitzen, in den Plenarsitzungen ans Rednerpult gelassen, um ihren politischen Standpunkt vorzutragen. Dieser wiederum konnte sich aus Zeit

gründen aber nur an dem von Nikaragua zum Beginn der Konferenz eingebrachten Entwurf des Schlußdokuments orientieren, in dem die Administration Reagan wegen ihrer Einmischung in Zentralamerika scharf angeklagt wurde.

Es zählt nun zu den ungeschriebenen Gesetzen aller Konferenzen seit der Gründung der Blockfreienbewegung, daß die Auseinandersetzungen mit den Großmächten nur global und sehr allgemein beschrieben werden. Dies war zumindest die Auffassung der meisten Länder aus der Dritten Welt, aber auch Jugoslawiens, einem Gründungsmitglied der Bewegung, das in einem traditionellen Rivalitätsverhältnis zu Fidel Castro, dem derzeitigen Präsidenten der Blockfreien, steht.

Daß es den nikaraguanischen Gastgebern gelang, trotz der von Diplomaten eingebrachten „stilistischen“ Einwände das Dokument ohne größeren Substanzverlust über die Runden zu bringen, war einerseits auf die Unterstützung durch etwa zwei Dutzend Länder, die selbst eine Revolution miterlebt hatten, zurückzuführen: Unter ihnen Kuba, Iran, Irak, Algerien, Angola, Mozambique, Surinam, Vietnam u. a.

Die Konfrontation zwischen jenen, die sich selbst als „Gemäßigte“, ihre Gegner aber als „Moskautreue“ bezeichnen, stand

scheinbar im Widerspruch mit der Tatsache, daß nur zwei der insgesamt 97 Mitgliedstaaten der Blockfreienbewegung dem Treffen in Managua ferngeblieben waren und mehr als ein Drittel der Delegationen durch Außenminister (der Rest durch ihre Stellvertreter) repräsentiert wurden. Sie alle waren gekommen, um den Sandinisten angesichts ihrer politisch-militärischen Auseinandersetzungen mit den ehemaligen Nationalgardisten Somozas, dem honduranischen Militär und—last but not least — mit der Administration in Washington den Rük- ken zu stärken.

In einer verspätet zurückgezogenen Broschüre des nikaraguanischen Außenministeriums wurde der Versuch unternommen, die ursprünglichen Prinzipien der Blockfreien, wie sie seit der Gründung der Bewegung im Jahre 1961 bestehen, theoretisch neu zu überbauen. So wurde die herrschende „Theorie der Äquidi- stanz“ zu den Supermächten, der- zufolge die Blockfreiheit als sowohl von den USA als auch der Sowjetunion gleichermaßen entfernt definiert wurde, durch das neue Konzept der sogenannten „natürlichen Allianz gegen den Imperialismus“ ersetzt, das (so liest man’s im Klartext des nikaraguanischen Außenministeriums) „die blockfreien Staaten au

tomatisch in die Nähe der sozialistischen Länder rückt“.

Zwar wurde eine solche grundsätzliche Diskussion über die politischen Ziele der Bewegung dem Gipfeltreffen der Staatsoberhäupter Vorbehalten, das in einigen Monaten in New Dehli unter einem völlig anderen politischen Stern abgehalten werden wird. Hier in Managua jedenfalls, wo es noch unter der Präsidentschaft Kubas um die Probleme Lateinamerikas ging, beherrschte die Angst vor dem Sternenbanner den geopolitischen Horizont.

Diesen Umständen war es zu verdanken, daß der endgültige Text des „Kommuniques von Managua“ sich materiell kaum von dem von Nikaragua eingebrachten und von Kuba unterstützten Vorschlag unterschied, obwohl die Direktheit des Angriffes gegen die Vereinigten Staaten durch zahlreiche Appelle an die Adresse Washingtons ersetzt wurde.

So wurde aus der ursprünglichen Forderung im Dokumentsentwurf, die USA möge „ihre Intervention und Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Länder in der Region unterlassen“, durch die Aufforderung ersetzt, „die USA solle eine für Dialog und Frieden mit Nikaragua konstruktive Politik betreiben“. Und aus dem Vorwurf der Finanzierung und Leitung konterrevo

lutionärer Angriffe von honduranischem Territorium durch die Regierung der USA wurde schließlich ein „Destabilisierungsplan einer ausländischen Macht“, der über die „nördliche Grertze Nikaraguas“ durchgeführt wird.

Ohne weitere Abänderungen wurde die Verurteilung der kolonialen Ansprüche Großbritanniens auf die Malvinen (Falk- land-Inseln) aufgenommen und sogar der Vorschlag Boliviens, die 300 Milliarden umfassende Auslandsschuld der verschiedenen lateinamerikanischen Staaten auf dem Weg der Gruppe der 77 global neuerlich zu verhandeln.

Welche Bedeutung auch immer den 64 Absätzen des Schlußdokuments in den einzelnen Mitgliedstaaten der Blockfreienbewegung beigemessen wurde, dürfte sie die Wirkung auf Reagans Kurs in Zentralamerika nicht verfehlt haben:

Zwei Tage nach der Beendigung der Konferenz sprach die Administration in Washington bereits von einer „Revision der Zentralamerikapolitik der USA“ und schickte den Unterstaatssekretär für lateinamerikanische Angelegenheiten Thomas Enders auf Reisen nach Mexiko und Venezuela. Auch verhandelt dieser Tage eine Delegation des US-Kongres- ses mit den Sandinisten ebenso wie mit den sie unterstützenden Signatarstaaten des kürzlich erfolgten „Paktes von Contadora, Panama, Kolumbien, Venezuela und Mexiko“.

Auf diese Weise könnte der fünften Außenministerkonferenz der Blockfreien in Managua die Rolle des Tropfens zugefallen sein, der die seit dem Wechsel im State Department zurückgehaltenen Friedensvorschläge für Zentralamerika nun zum Auslaufen bringt.

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