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Blut im Fluß

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Im Vorjahr war es zuerst der Mekong-River, und dann das gewaltige Ganges-Delta, die zu den an Leichen reichsten Flüssen zählten. Nun, im April, ist es der bis dato weithin unbekannte, nur 150 Kilometer lange Kelani-River, in dessen schmutzigen Fluten sich das Blut von Singhalese^ Tamilen, Moors und Burghers mit dem durch die Bilhazie verseuchten Wasser vermengt.

Vor mehr als elf Jahren erschien sie mit einem Schlag, oder genauer mit einem Schuß, der das Leben ihres Gatten und Premierministers Salomon Bandaranaike beendet hatte, im Rampenlicht der Weltöffentlichkeit: die „weinende Witwe” Sirimavo, die 1960 auf den verwaisten Premiersessel der Inselrepublik gehoben und damit die erste weibliche Regierungschefin eines Staates wurde. Ungeachtet zahlreicher boshafter Kommentare in diplomatischen Kreisen der Hauptstadt Colombo, wo man etwa von „politischer Alimentation” sprach, hielt sich die in einer katholischen Schule erzogene, überzeugte Buddhistin fünf Jahre lang an der Macht, ehe sie, nach konsequenter Fortführung des Linkskurses ihres Ehemannes und Vorgängers, schließlich an dem Versuch, auch die Presse des Landes unter staatliche Fittiche zu nehmen, scheiterte.

Vor zehn Monaten feierte Frau Sirimavo bei den letzten Parlamentswahlen ein überzeugendes Comeback und die radikalsten unter ihren Anhängern bejubelten dieses Ergebnis mit der Zertrümmerung der bedeutendsten Pressegebäude in Colombo. Dessenungeachtet sprach die verstaatlichungsfreudige Singhalese in ihrer Regierungserklärung vom „Beginn einer friedlichen Revolution”. Vor etwas mehr als einem Monat nun begann die Revolution — wenn auch völlig anders, als es die Regierung der „Vereinigten Front” proklamiert hatte.

Eine im Anfangsstadium auf nur etwa 2000 Mitglieder geschätzte „Volksbefreiungsfront” begann von einigen Stützpunkten im bergigen Landesinneren, darunter der unter DDR-Patronanz errichteten größten

Textilfabrik Südasiens, Thulhirive aus, die Insel zu terrorisieren und sorgte binnen kürzester Zeit für chaotische Zustände. Sowohl die 11.000 Mann starke Armee wie auch die 13.000 Polizisten der Teeinsel begannen mit der Jagd auf die gigantisch anwachsende Insurgentengruppe, deren Anhänger mittlerweile auf gegen 80.000 geschätzt werden. Das potentielle Aktivisten- oder doch zumindest Sympathisantenreservoir der Guerillas liegt in den Gratis- hochschülen des Landes, wo dieses Jahr wieder Weit mehr als 20.000 „graduates” produziert werden, davon allein 10.000 Philosophie- und Kunststudenten, für die Elitekompanie des ständig wachsenden Heeres der Arbeitslosen.

In ihrer Not wandte sich Frau Ban- daranaike — wieder im Stile der „weinenden Witwe” — über die Rundfunkstation in Colombo „als Frau und als Mutter” an alle Eltern, ihre Söhne vom Überlaufen zu den

Rebellen abzuhalten. Größeres Echo allerdings fanden ihre Hilferufe in Washingtom, London, Moskau und besonders in New Delhi und Islamabad, wo man der linken Buddhistin spontan mit Waffen gegen ihre ultralinken Landsleute aushalf.

Der Hilferuf nach Washington schließlich gab der Affäre den letzten grotesken Anstrich: war es doch eine der ersten Amtshandlungen Frau Bandaranaikes gewesen, die Entwicklungshelfer ‘ des „Peace Corps” der Spionagetätigkeit für die CIA zu bezichtigen und des Landes Zu verweisen und dafür die DDR, Nordvietnam und Nordkorea anzuerkennen.

Als Spuren auf die diplomatische Vertretung der neu anerkannten Freunde aus der Volksrepublik Korea wiesen, einigte man sich in der Regierung darauf, den schwarzen Peter vorbei an Peking — das lediglich inoffiziell erwähnt wurde — nach Pnömjang zu schieben; die neuen Freunde hatten nebst Propagandamaterial einen namhaften Dollarbetrag — selbstverständlich auf dem florierenden Schwarzmarkt Colombos zum doppelten Kurs — in schwindsüchtige Rupien getauscht und damit der Bewegung des 27jährigen Mao-Fans Rohana Vidje- vira Rückhalt und Auftrieb für die Revolution gegeben, deren mindestens 3000 Opfer — nicht zuletzt zahlreiche minderjährige Kinder — an der Mündung des Kelani-Flusses davon Zeugnis ablegen, daß auch in der Armee Ceylons die Calleys nicht unterrepräsentiert sein dürften.

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