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Börsen-Profis: Ihr Einsatz bitte!

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Millionen Sparschilling suchen eine Anlage. Was die Väter erar- beitet haben, wollen die Erben nun vermehren. Kaum ein Tag vergeht ohne neues, verlocken- des Anlageangebot. Auch die Börse boomt und lädt zum Spe- kulieren ein. Wieviel Vermögen braucht man für welche Anlage- möglichkeiten und -Strategien?

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Millionen Sparschilling suchen eine Anlage. Was die Väter erar- beitet haben, wollen die Erben nun vermehren. Kaum ein Tag vergeht ohne neues, verlocken- des Anlageangebot. Auch die Börse boomt und lädt zum Spe- kulieren ein. Wieviel Vermögen braucht man für welche Anlage- möglichkeiten und -Strategien?

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Ein „MonteCarlo ohne Musik" hatte Georg von Siemens, le- gendärer Langzeitdirektor (1870 bis 1900!) der Deutschen Bank, die Börse genannt. Gemeint hatte er selbstverständlich die Aktienbör- se, und daß das eigentlich nicht mehr hinzugefügt werden müßte, zeigt den totalen Wandel, der - endlich - auch in Österreich einge- treten ist:

Bis vor fünf Jahren war die Wie- ner Börse ganz überwiegend nicht ein Umschlagplatz für Aktien, son- dern der „Sekundärmarkt" für Festverzinsliche gewesen, und mehr inländische Aktien als Rentenwer- te sind vollends erst 1989 umge- setzt worden, als der Umsatz von 5,3 auf 32,7 Milliarden hinauf- schnellte. Rechnet man auch den außerhalb der Börse abgewickelten hinzu, stieg der Umsatz mit öster- reichischen Aktien von 116,7 auf 118,8 Milliarden.

Das bedeutet allerdings nicht, daß von den 239 Milliarden, die die Österreicher 1989 insgesamt ge- spart haben, die Hälfte in Aktien angelegt wurde, denn erstens kom- men immer mehr Kauforders aus dem Ausland - zuletzt hat das welt- größte Vermögensveranlagungsun- ternehmen, der japanische Invest- mentgigant Nomura, einen 180- Millionen-Dollar-Fonds für öster- reichische Aktien gebildet - und zweitens ist es für die Aktien ty- pisch, daß sie oft schon in kürzester Zeit (bisweilen schon binnen weni- gen Tagen) wieder den Besitzer wechseln. Korrekter: Typisch ist das nur für den - in Österreich beson- ders kleinen - Teil der Aktien, die sich nicht in festen Händen, also im Banken-, Familien- oder im Besitz von Personen befinden, die die Aktie nicht als kurzfristiges Spekula- tionsobjekt, sondern als Instrument für eine langfristige Vermögensver- anlagung betrachten.

Und die damit den zumindest für unsereinen besseren Teil gewählt haben. Während nämlich beim Spekulieren auf das „rasche Geld" der kleine Mann häufig den kürze- ren zieht - die Börsen-Profis wissen eben besser, wann sie am günstig- sten „einsteigen" und wann sie die betreffenden Aktien wieder absto- ßen -, sind überall jene Anleger mit Aktien gut bedient gewesen, die den hübschen Vergleich der Börse mit einem Paternoster beherzigt haben: Es ist ungefährlich, durch den Kel- ler zu fahren. Man muß nur die Nerven behalten.

Die Nerven zu behalten war al- lerdings den Besitzern österreichi- scher Aktien endlos lange nicht eben leicht gemacht worden: Wer am Höhepunkt der „Dienstmädchen- hausse" etwa zum Jahreswechsel 1961/62 Aktien im Kurswert von 100.000 Schilling besaß, hätte diese zu Jahresbeginn 1982 nur um57.000 Schilling verkaufen können. In diesen 20 Jahren hat jedoch auch der Schilling 61 Prozent an Kauf- kraft eingebüßt, so daß der Wert- verlust bei Aktien real auf nahezu 78 Prozent zu beziffern war.

Über diesen Verlust an Vermö- genssubstanz waren in diesen mageren Jahren die Aktienbesitzer auch keineswegs mit einem üppi- gen laufenden Ertrag ihres in Ak- tien angelegten Vermögens hinweg- getröstet worden: Nach Abzug der (bei der Ausschüttung gleich ein- behaltenen 20prozentigen - seit 1989: 25prozentigen) - Kapitaler- tragsteuer hatten die Dividenden stets weniger ausgemacht, als für den Verkaufserlös der Aktien an ganz normalen Sparbuchzinsen zu erzielen gewesen wäre. (Mittlerwei- le erreicht die durchschnittliche „Dividendenrendite" der Aktien - 1989 netto 0,95 Prozent - nicht einmal mehr ein Drittel der Verzin- sung einer KESt-f reien Eckzinsein- lage.)

Wieso kann dennoch behauptet werden, daß sich die Aktie für eine langfristige Vermögensveranlagung - wie sie etwa die demnächst ent- stehenden Pensionskassen werden vornehmen müssen - besonders gut eigne?

Für die Schweiz liegt eine lang- fristige (1926 bis 1987), für die Bundesrepublik eine zumindest mittelfristige (1970 bis 1989) Un- tersuchung vor, die beide bewei- sen, daß - allerdings mit größeren Schwankungen von Jahr zu Jahr - hinsichtlich Kursgewinn bezie- hungsweise -verlust und laufendem Ertrag die Aktie Kombinationssie- gerin vor dem festverzinslichen Wertpapier und dem Sparbuch ist. Für Osterreich läßt sich nur der Verlauf der Aktienkurse bis März 1938 zurückverfolgen. Das ergibt bis Ende 1989 einen jahresdurch- schnittlichen Anstieg um 8,4 Pro- zent. Der Wert eines Aktienpaketes wäre demnach Ende 1989 rund 65mal so hoch gewesen wie knapp vor dem „Anschluß", was sich auch bei einem 28mal so hohen allgemei- nen Preisniveau sehen läßt.

Einschließlich der Dividende hat in den Jahren 1977 bis 1989 die durchschnittliche Rendite der Ak- tien 13,12 Prozent betragen. Im Vergleich dazu erreichten Anlei- hen nur eine Sekundärmarktrend i - te von durchschnittlich 8,04 Pro- zent und betrug der Eckzins im Mittel 4,03 Prozent.

All das sind aber natürlich Durch- schnittswerte, die sich auf den „Aktienkorb" beziehen, aus dem der Aktienkursindex berechnet wird. Bei einer einzelnen Aktie kann das auch völlig anders aussehen. Aber wer alles auf eine einzige Karte setzen möchte (also sein Anlageka- pital nicht auf die unterschiedlich- sten Aktien verteilt oder, wenn er knapper bei Kasse ist, lieber In- vestmentzertifikate eines Aktien- fonds erwirbt), genießt ohnehin besser in Monte Carlo den gleichen Nervenkitzel mit Musikbeglei tung...

Der Autor ist Wirtschaltspublizist und Her- ausgeber der „Finan/nachrichten".

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