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Bonn als Sumpf der Korruption?

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Die Bonner sozial-liberale Koalition wankt. Seit Wochen und Monaten ist sie mit einer Flut von Skandalen und Enthüllungen konfrontiert. Eine gezielte politische Kampagne?

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Die Bonner sozial-liberale Koalition wankt. Seit Wochen und Monaten ist sie mit einer Flut von Skandalen und Enthüllungen konfrontiert. Eine gezielte politische Kampagne?

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Die Art und Weise wie der Parteifinanzierungsskandal, Bestechungsvorwürfe gegen bestimmte Minister und die längst noch nicht ausgestandene Affäre um den gewerkschaftlichen Baukonzern „Neue Heimat" ins trübe Licht der Öffentlichkeit gerieten, macht verständlich, warum inzwischen auch darüber diskutiert

und gestritten wird, ob und in welchem Ausmaß diese Indiskretionen einem bisher nicht erkennbaren politischen Willen folgen.

Sicher ist indes, daß schon jetzt die Glaubwürdigkeit des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland schweren Schaden erlitten hat; vor allem deshalb, weil das Vertrauen der Bürger in die Grundsätze der demokratischen Ordnung und die Glaubwürdigkeit der etablierten Parteien ins Wanken geraten ist.

Viele aufrechte und entschiedene Verfechter des Systems einer Parteiendemokratie in der Bundesrepublik stellen besorgt die Frage, ob Bonn nicht gerade dabei ist, sich als Sumpf der Korruption ohnegleichen zu entpuppen. Schon macht das deprimierende Schlagwort vom „Watergate in Bonn" die Runde.

Dabei gibt es nur wenige, die

ernsthaft glauben, daß die Minister Otto Graf Lambsdorff und Hans Matthöfer oder der Staatssekretär im Kanzleramt, Manfred Lahnstein, persönlich Geld von der Firma Flick angenommen haben und sich damit im Sinne des Bestechungsvorwurfs schuldig gemacht hätten.

Gleichwohl läßt sich nicht bestreiten, daß der eilige Verzicht des Flick-Managers Eberhard von Brauchitsch auf das Präsidentenamt im Bundesverband der deutschen Industrie (BdD auf den einen oder anderen Zeitgenossen wie ein frühes Eingeständnis von Schuld gewirkt haben, das sich nun wie ein Schatten auf die betroffenen Politiker legt.

Zwar war seit Monaten in Bonn bekannt, daß zumindest Bundeswirtschaftsminister Graf Lambsdorff in die Parteispendenaffäre verwickelt ist. Uber Monate, Woche für Woche, hatten das politische Wochenmagazin „Der Spiegel" und die Illustrierte „Stern" immer neue Enthüllungen zutage gefördert, überhaupt nicht zimperlich im Umgang mit den betroffenen Politikern und ohne Rücksicht darauf, daß die in den Skandal angeblich verwickelten, zum Teil vorschnell und gegen jedes Gebot rechtsstaatlicher Fairneß im vorhinein öffentlich verurteilt worden sind.

Doch als dann schließlich bekannt wurde, daß die Staatsan-

waltschaft offiziell nicht nur gegen Lambsdorff, sondern auch gegen Bundesfinanzminister Matthöfer und den Chef des Kanzleramtes, Staatssekretär Lahnstein ermittelt, machte sich Überraschung breit, zumal die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft über den Vorwurf der Steuerhinterziehungen hinausgingen und mit einem Mal zusätzlich auch den Verdacht der passiven Bestechung umfaßten.

War also damals, vor rund sieben Jahren, Bestechung der Grund, daß die Flick-Gruppe den Gewinn, den sie aus dem Verkauf eines Paketes von Daimler-Benz-

Aktien in Höhe von zwei Milliarden D-Mark an die Deutsche Bank erzielt hatte, steuerfrei in verschiedenen Transaktionen wieder anlegen durfte, was nur auf Grund einer Genehmigung des Wirtschaftsministers im Einvernehmen mit dem Finanzminister möglich ist. Lambsdorff, Matthöfer und Lahnstein haben den Verdacht, für die dem Hause Flick gewährten „Wohltaten" großzügige Spenden für die leeren Parteikassen empfangen oder weitergegeben zu haben, entschieden von sich gewiesen.

Auch die Tatsache, daß sich Bundeskanzler Helmut Schmidt inzwischen mehrfach vor seine Kabinettsmitglieder stellte und Oppositionsführer Helmut Kohl, völlig unüblich, nicht den Rücktritt der ins Zwielicht geratenen Minister forderte, ändert etwas daran, daß die Beschuldigten heute wie korrupte Sündenböcke am Pranger stehen, denen man beinahe alles zutraut.

Auf der anderen Seite darf den Ermittlungsbehörden nicht die unangenehme und peinliche Frage erspart bleiben, wieso „Spiegel" und „Stern" die Ermittlungsakten offenbar kennen, die Betroffenen jedoch weder über die präzisen Anschuldigungen noch über konkrete Vorwürfe der Staatsanwaltschaft informiert sind.

Schon vor Wochen wurde erstmals in der Wochenzeitung

„Rheinischer Merkur/Christ und Welt" die bis jetzt unbeantwortet gebliebene Frage gestellt, wie es möglich ist, daß die genannten Enthüllungsorgane immer wieder aus Akten zitieren, die der Amtsverschwiegenheit unterliegen und deshalb unter Verschluß zu halten wären. Doch bisher ist die Fahndung nach der „undichten" Stelle ergebnislos verlaufen.

Sicher kein Zufall dürfte es sein, daß Ziel dieser von langer Hand geplanten und vorbereiteten Indiskretionen vor allem solche Regierungsmitglieder sind, die im Spektrum der Regierungskoalition im allgemeinen auf dem rechten Flügel angesiedelt werden. Ebenfalls nicht zufällig ist esf ferner, daß in diesem Zusammenhang bei den zweifelhaften Geschäftspraktiken des gewerkschaftlichen Baukonzerns „Neue Heimat" bisher keine „linken" Funktionäre ins Gerede gekommen sind, sondern nur solche, die als Repräsentanten für den gemäßigten Kurs der deutschen Gewerkschaften stehen.

Kein Zufall schließlich auch die Spekulationen um eine von Bundeskanzler Helmut Schmidt angeblich geplante Kabinettsumbildung, der auf seiten der FDP ausgerechnet jene Minister, Otto Graf Lambsdorff und Josef Ertl, zum Opfer fallen sollten, denen unverhohlene Gelüste auf einen Koalitionswechsel zur Union nachgesagt werden.

Die Parteispenden-Affäre und der Korruptionsverdacht sind nur ein Teil jener Kette von Entwicklungen und Ereignissen, die die Glaubwürdigkeit des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland tief erschüttert haben. Einer der Gründe für die mit diesen Bonner Skandalen einhergehende Parteien- und Staatsverdrossenheit ist jene Gefälligkeitsdemokratie, die hier eingerissen ist und für die die sozial-liberale Regierungskoalition die Hauptverantwortung trägt.

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