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Bonner Budget-Amputationen
Der deutsche Bundeshaushalt 1982 wird etwas pathetisch als „Schicksalsbuch der Nation in Mark und Pfennig“ apostrophiert. Wenn das Kabinett die Maßnahmen, die Anfang der Woche im Parteiengezänk und Koalitionsschacher ausgehandelt worden waren, jetzt absegnet, dann stehen den Bundesbürgern noch schwere Zeiten bevor.
Die fetten Jahre sind vorbei. Jetzt kommen die mageren. Es heißt, den Gürtel um den Wohlstandsbauch enger schnallen.
Rund 21 Milliarden von 46 Milliarden Mark müssen eingespart werden, welch letztere eine Fortsetzung der bisherigen Politik an Krediten zusätzlich gekostet hätte. Die Grenzen der Staatsverschuldung sind längst überschritten. Fast die Hälfte sollen bei den Bürgern durch Kürzungen im Sozialbereich, durch Einsparungen bei den Staatsdienern sowie durch Steuererhöhungen eingesammelt werden.
Derartige Amputationen hat bisher noch keine Regierung den Bundesbürgern zumuten müssen. Selbst das Haushaltssicherungsgesetz von 1966 - nach dem Sturz des Kanzlers Ludwig Erhard - nimmt sich dagegen im Rückblick als harmloser Aderlaß aus.
Damals hatte der Oppositionsabgeordnete Helmut Schmidt verlangt, die Verantwortlichen der Misere gehörten eigentlich ins Gefängnis. Heute wird die Sanierung der desolaten Staatsfinanzen von Kanzler Schmidt als großartige staatsmännische Leistung gefeiert.
Dem jetzigen Kassasturz wird kaum der Sturz der sdzia 1 liberalen Regierung folgen. Die FDP verharrt wegen ihres Umfallertraumas und des auf Links- kurs.eingeschworenen großen Teils der Basis in Nibelungentreue. Eher wird die Koalition an den innerparteilichen Schwierigkeiten der SPD und der Auseinandersetzung mit den Gewerkschaften zugrunde gehen.
Die Opposition wartet derweil noch vergebens, daß ihr die Regierungsmacht wie eine reife Frucht in den Schoß fällt. Wenn man bedenkt, daß am 29. Juli 1964 unter Ludwig Erhard die damalige Opposition lediglich wegen einer geringfügigen Erhöhung der Telefongebühren das Parlament aus den Ferien nach Bonn trommelte, dann muß man sich fragen: Was muß noch alles passieren, damit die Opposition heute aus ihrem Sommerschlaf aufwacht.
Der Haushalt 1982 dürfte zwar noch nicht zum Schicksalsbuch der Koalition werden. Er könnte jedoch das Abschlußkapitel einleiten.
Denn die in der Wirtschaftspolitik sehr kontroversen Partner SPD und FDP haben die Chance eines echten Sanierungskonzepts verspielt. Das Ruder in der Finanz- und Wirtschaftspolitik wird nicht herumgerissen, sondern es wird lediglich an den Symptomen kuriert. Statt die Selbstheilungskräfte der sozialen Marktwirtschaft zu mobilisieren wird weiterhin das bisherige Keyne- sianische Rezept der Staatsverschuldung zur Konjunkturankurbelung praktiziert - nur mit weniger Mitteln, sozusagen Keynes auf Sparflamme.
Offensichtlich können die Sozialdemokraten und auch Kanzler Schmidt nicht über ihren Schatten des Mißtrauens gegenüber den Seibstheilungs- kräften einer funktionierenden Marktwirtschaft durch Wettbewerb und Anreize springen. Sie sehen im Grund genommen das Heil in der Steuerung durch den Staat.
Doch diese Philosophie hat in die Sackgasse geführt; zumindest ist den Bonner Konjunkturlenkern angesichts der Verschuldung die Munition ausgegangen, die sie in besseren Jahren verfeuert hatten.
Ein neuer Wirtschaftsaufschwung, der die Probleme mildern könnte, müßte jedoch vom Binnenmarkt ausgehen, da auf dem Weltmarkt restriktive Kräfte vorherrschen. Wie aber will die Bundesregierung mit ihren halbherzigen Maßnahmen dieses neue Wirtschaftswunder herbeiführen?
Das extrem hohe Zinsniveau (13 bis 15 Prozent), welches die Investitionen abwürgt, kann wegen des Anhaltens der amerikanischen Hochzinspolitik nicht gesenkt werden. Die Belastungen durch Steuern und Sozialabgaben werden nicht nachlassen, sondern steigen.
Die Beitragsbemessungsgrenzen zur Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung werden 1982 angehoben. Die Einkommen stagnieren oder sinken unter Berücksichtigung der Inflation. Die wachstumshemmenden Barrieren durch zuviel Staat und Bürokratie werden nicht eingerissen.
Angesichts solch restriktiver Kräfte wirken die im Gespräch befindlichen geringen Umschichtungen im Haushalt für Investitionen, insgesamt vier Milliarden D-Mark, und die Einstellung von Arbeitslosen, wie ein Tropfen auf einem heißen Stein, wobei die Großunternehmen sich hier selbst helfen können. Schwieriger wird es Für den Mittelstand, der nicht liquide genug ist.
Die Unternehmen richten ihre Investitionsentscheidungen nach den mittel- und längerfristigen Ertragserwartungen aus - und die sehen keineswegs rosig aus. Die Steuer- und Abgabenverdrossenheit der Bürger dürfte eher zu- als abnehmen. Konjunkturpolitik ist zu 50 Prozent Psychologie.
Die Regierung dürfte kaum an Glaubwürdigkeit beim Bürger gewonnen haben. Vor diesem Hintergrund erscheinen die Sanierungsbemühungen der sozialliberalen Koalition, wie weiland der Versuch Münchhausens, sich am eigenen Schopfe aus dem Sumpf zu ziehen.
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