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Bonner Schuldentrick

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Bei allen - berechtigten oder unberechtigten - Vorbehalten und Ängsten ge- genüber der deutschen Einheit konnten die Österreicher, vor allem die Finanzmanager, immer noch ein lachendes Auge bewahren. Lag doch auf der Hand, daß die reiche Bun- desrepublik alle Auslands- schulden der DDR überneh- men und zumindest in ange- messener Zeit zurückzahlen würde. Immerhin durften da- her 25 Milliarden Schilling wieder als einbringlich be- trachtet werden.

Doch jetzt sickert durch, daß wir uns getäuscht haben könnten. Im „Spiegel" ließ kürzlich ein Hannoveraner Professor für Staats- und Ver- waltungsrecht die Bombe plat- zen: Die Schulden werden nach dem jetzigen Vertragsentwurf

nicht vom deutschen Einheits- staat übernommen. Vielmehr soll ein Gesetzesartikel ins Spiel gebracht werden, der nach Kriegsende für die Ver- bindlichkeiten des Nazi-Regi- mes konzipiert worden war. Das hätte zur Folge, daß durch einfache Gesetzgebung be- stimmt werden könnte, ob die- se Schulden nicht oder nur teil- weise beglichen werden. „Fin- det hier eine erneute Enteig- nung statt, diesmal der Gläubi- ger der DDR?" fragt der Pro- fessor und findet das „gerade- zu skandalös".

Natürlich muß man einsehen, daß die Eingliederung der DDR ungeheure Beträge verschlingt, viel mehr als man dachte. Aber die Gläubiger der früheren DDR dafür bezahlen lassen?

Außerdem hat dieses Verhal- ten Auswirkungen auf die in- ternationale Schuldendiskus- sion. Immer herrschte das gro- ße Naserümpfen, weil irgend- ein lateinamerikanischer oder afrikanischer Habenichts sei- ne Schulden nicht mehr bedie- nen konnte. Und jetzt das rei- che Deutschland? Noch dazu nicht aufgrund echter Schwie- rigkeiten, sondern mit Hilfe eines Verfassungstricks?

Man muß der Bundesrepu- blikzugutehalten, daßsieselbst in der Vergangenheit nicht zu den härtesten Gläubigern zähl- te und einige Schuldenstrei- chungen bei besonders armen Ländern durchgeführt hat. Der ermordete Chef der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, hat schon vor drei Jahren zum Entsetzen der Bankenwelt ei- nen Vorstoß zum Schuldener- laß unternommen. Wer hätte sich träumen lassen, daß das neue Deutschland jetzt selbst einen solchen durchzuziehen versucht? Oder steht es wirk- lich so schlecht, daß man auf solche Winkelzüge angewiesen ist? Man kann gespannt sein, ob die Gläubigersolidarität auch in diesem Fall wirksam werden wird.

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