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Bonus-Malus-Roulette hoch im Kurs

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Auch für passionierte Hasardeure wird sich in Hinkunft der Weg ins Spielkasino erübrigen: Die KFZ-Haft- pflichtversicherung wird - sofern die Pläne des „Weisen“-Rates das Placet der Regierung bekommen - ihm mit ihrem Bonus-Malus-System einen viel aufregenderen Nervenkitzel bieten können.

Wer in Hinkunft einen Unfall verursacht, wird zwei Möglichkeiten haben: Entweder er läßt die Haftpflichtversicherung den Schaden bezahlen und zahlt dafür selber zwei Jahre hindurch eine um 40 Prozent erhöhte Grundprämie und zwei weitere Jahre eine um 20 Prozent erhöhte (bei gleichzeitigem Verzicht auf einen eventuellen Bonus) - oder aber er begleicht den Schaden aus der eigenen Tasche und vermeidet dadurch die angeführten Nachteile.

Scheinbar eine Sache des Rechenstifts, ein System, das auf die Einführung des Selbstbehalts durch die Hintertür hinausläuft. Dies wohl auch, aber darüber hinaus auch noch eine ganz neue Form des Hasardspiels: Der Versicherte muß sich nämlich binnen sechs Wochen entscheiden. Bis zu diesem Zeitpunkt kennt er häufig nicht einmal noch die Höhe der gegnerischen Forderung. Im Falle eines Gerichtsverfahrens weiß er noch nicht, ob seine Mitschuld 10 oder 90 Prozent betragen wird. Er muß praktisch schon die Entscheidung des Richters vorwegnehmen, sich selbst verurteilen oder freisprechen.

Soweit die eine Facette des Hasardspiels. Eine weitere besteht darin, daß deijenige, der in einer Zweijahresperiode auch nur einen einzigen Schaden durch die Versicherung zahlen läßt - und sei dieser auch noch so minimal - bereits den Bonus für das darauffolgende Jahr verliert Zahlt er abąr einen oder mehrere kleinere Schäden aus der eigenen Tasche und verursacht dann einen größeren Schaden, furdener dann dochdįe Versicherung ‘ heranziehen muß, so verlierterauf alle •Fälle den’Bonus - die vorangegangenen, selbst bezahlten Schäden werden aber keineswegs von der Versicherung refundiert.

Jeder Autofahrer muß also in Hinkunft seinen zukünftigen Schadensverlauf im vorhinein wissen! Der Gang zur Wahrsagerin muß dringend empfohlen werden. Bedauerlicherweise gibt es keine Versicherung gegen falsche Prophezeiungen.

So weit die Bonus-Seite. Beirri Malus wird die Angelegenheit noch pikanter: Wer am 31. Juli einen Schaden verursacht und die Versicherung zahlen läßt, verliert zwar seinen Bonus, hat aber mit keinem Malus zu rechnen. Wehe aber, wenn ihm das gleiche am 1. September passiert: Dann ist der Malus fällig. Den Malus bekommt man nämlich nur aufgebrummt, wenn man während des „Beobachtungszeitraumes“ zwischen 1. August und 30. September einen Schaden verursacht.

So und nicht anders lassen sich jedenfalls die bisherigen Publikationen über das geplante System interpretieren. Rücksprachen bei Versicherungsexperten haben nämlich ergeben, daß auch sie keine andere Interpretation auf Lager haben. Und daß in der Praxis die Versicherungen die jeweils für sie günstigste Textauslegung geltend machen werden, dessen können wir aufrund aller bisherigen Erfahrungen sicher sein. Bereits bevor die Details bekannt waren, hat „Die Furche“ aus prinzipiellen Gründen vor dem Bonus-Malus-System gewarnt. Sie schwimmt mit dieser Ein haben und das deren Anteil an jenen Personen, die gegen Bestimmungen der Gesellschaftsordnung und des Strafrechts verstoßen, weit über dem Durchschnitt liegt.

Gerade aus diesem Umstand ergibt sich die Notwendigkeit, daß die Gesellschaft alles daran setzt, die Bildung von gesunden Familien zu fördern. Dazu stehen sehr viele Möglichkeiten zur Verfügung. In einem materialistischen Zeitalter steht dabei wirtschaftliche Gleichstellung im Vordergrund.

Sicher wird es nie möglich aber auch nicht zweckmäßig sein, alle Lasten und Beschränkungen, die durch die Sorgepflicht bestehen, durch die Gesellschaft zu übernehmen. Unbestritten ist jedoch von allen Familienorganisationen und politischen Parteien, daß mindestens die Hälfte der Kinderkosten den Familien abzunehmen sind. Bei den Freiheitlichen kommt dies im bereits erwähnten Manifest sehr eindeutig zum Ausdruck.

Darüber hinaus müssen jedoch auch alle Voraussetzungen geschaffen wer-

stellung gegen den Strom, denn eine demoskopische Umfrage hat ergeben, daß 58,7 Prozent der inländischen Autofahrer für das Bonus-Malus-System sowie 8,4 Prozent für ein kombiniertes Bonus-Schadenersatzbeitrags-System seien. Daß also zusammen 67,1 Prozent der befragten, angeblich repräsentativen Autofahrer für eine der vorgeschlagenen Anderungsvarianten ein- treten.

Die Umfrage erfolgte aber vor Bekanntgabe der Details der geplanten Regelung und vor allem ohne daß die Autofahrer über die Konsequenzen des neuen Systems ehrlich aufgeklärt worden wären. Was die zustimmenden Autofahrer in Wirklichkeit wollen, sind zwei Dinge:

• Die anständigen und sicheren Fahrer sollen nicht für die Motorrowdies und für die notorisch verkehrsuntüchtigen Fahrer zahlen müssen.

• Die Kosten der Haftpflichtversicherung sollen für die Majorität der Fahrer nach Möglichkeit reduziert werden, auf alle Fälle aber soll ihr explosionsartiges Anschwellen in Zukunft vermieden werden.

Beide Ziele könnten zweifellos durch eine problemgerechte Neurege-

damit die Bevölkerungsentwicklung nicht noch schlechter wird, als sie sich in den letzten Jahren abgezeichnet hat Man darf ja nicht übersehen, daß die Geburtenzahl in Österreich von über 140.000 Kindern im Jahre 1976 auf rund 87.000 Kinder abgesunken ist.

Im Vordergrund der Familienförde- rung stehen zweifellos die Familienbeihilfen. Sie befinden sich derzeit in besonderer Diskussion deshalb, weil trotz anfänglicher Widerstände durch den Finanzminister eine Konzentration im Beihilfenrecht und der entsprechende Abbau der Förderung im Steuerrecht erfolgen soll. Grundsätzlich ist vom Standpunkt der Klarheit und Eindeutigkeit eine solche Entwicklung zu begrüßen. Sie darf jedoch nicht dazu führen, daß die Leistungsfähigkeit des Familienlastenausgleichsfonds ausgehöhlt wird. Dies ist jedoch nach den Vorstellungen des Finanzministers sehr stark zu befürchten. Es ist nämlich vorgesehen, nur jenen Aufwand dem Familienlastenausgleichsfonds zu ersetzen, der bisher in Form von Steuerabsetzbeträgen dem lung realisiert werden. Sie werden mit dem derzeit zur Diskussion stehenden Schema aber ganz bestimmt nicht erreicht: Die Bestimmungen sind einerseits so rigoros, daß auch die vorsichtigsten Fahrer früher oder später zwischen die Mühlsteine des Bonus-Malus geraten, sie sind andererseits aber nicht geeignet, die notorischen Risikofälle zu eliminieren, die kurzerhand die maximal doppelte Grundprämie zahlen und weiterhin den vielfachen Schaden ihrer Prämie verursachen.

Unbeschadet des künftigen Bo- nus-Malus-Systems werden die Prämien vorsorglich ab 1. August um sechs Prozent angehoben - nicht zuletzt im Hinblick auf den höheren Arbeitsaufwand und damit die höheren Kosten, die das Bonus-Malus-System den Versicherungen verursachen wird. Die durchschnittlichen Fahrer dürfen nicht hoffen, vom Bonus pi p rofitieren. Dazu ist das System viel zu unausgewogen. Die Mąjoritat wird im Gegenteil per Saldo - also inklusive des freiwilligen Selbstbehaltes - wahrscheinlich mehr zahlen.

Kostenexplosion und Prämienerhöhungen werden aber garantiert weitergehen.

mundung der Eltern führen. Sie sind jedoch in manchen Bereichen notwendig. Unserer Vorstellung nach sollten manche Einrichtungen der Gesellschaft für Kinder zur unentgeltlichen Benützung freigegeben werden. Dies gilt etwa für Freifahrten, Kindergarten- und Schulbesuch, Besuch von Museen und verschiedene Veranstaltungen.

Besondere Bedeutüng kommt einer kinderfreundlichen Wohnungsversorgung zu. Im Bereich der Wohnbauförderung und des Mietbeihilfenrechtes wird die Sorgepflicht für Kinder stärkere Berücksichtigung finden müssen.

Es muß auch erleichtert werden, Großeltern in Nachbarschaftswohnungen unterbringen zu können, damit unter mehr Generationen gegenseitige Hilfe möglich wird.

In Ballungsräumen ist außerdem dafür zu sorgen, daß auch für den Betätigungsgrad der Kinder Raum geschaffen wird durch Kinderspiel- und Sportplätze. Sie sollten möglichst auf gesicherten Wegen erreicht werden

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