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Wirtschaftsboom in Australien

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Schafe und Kiwis sind längst nicht mehr Markenzeichen von Australien und Neuseeland. Im Eilzugstempo wachsen beide Länder mit Ostasien zu einem neuen Wirtschaftsblock zusammen.

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Schafe und Kiwis sind längst nicht mehr Markenzeichen von Australien und Neuseeland. Im Eilzugstempo wachsen beide Länder mit Ostasien zu einem neuen Wirtschaftsblock zusammen.

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Eine sozialistisch geführte Regierung, die ideologisch umgesattelt hat, immer noch eine umstrittene Politik macht, trotzdem aber knapp wiedergewählt wird, weil die konservativ-liberale Opposition keine überzeugende Führung hat und nicht glaubhaft machen kann, dass sie die bessere Alternative wäre: Wir reden von Australia, nicht Austria.

Die charismatischen Führer wer- den auch in Australien mit Scheinwerfern gesucht - vergeblich. Aber hat nicht Carlyle mit seinem „Heiden braucht man nur in heldenhaften Zeiten" recht?

In diesem Fall wäre zu untersuchen, ob Australien derzeit eine heroische Epoche durchlebt. Manche sagen: ja! Zum ersten Mal sei das Land dabei, seine eigene Identität zu begründen und seine eigene Geschichte zu schreiben.

Bis nach dem Zweiten Weltkrieg hatte man sich damit beschieden, Anhängsel des britischen Commonwealth bei den Antipoden zu spielen. Handel trieb man mit dem Mutterland und einigen näheren „Geschwistern". Gegen die übrige Welt schützten Zollmauern.

In den sechziger Jahren kam der große Rohstoffboom: Man glaubte, als Erz- und Nahrungsmittelliefe- rant Japans reich werden zu kön- nen. Die Träume verflogen rasch, als ab 1974 das Wachstum trotz- dem verfiel, die Inflationsraten hochschnellten und die Arbeitslosenziffern auch.

Eine nationale Besinnung setzte ein: Wir haben doch mehr zu bieten! Man sah sich die Landkarte genauer an und entdeckte die asiatisch-pazifische Region: Die Öko- Vollgasländer Japan, Südkorea und Taiwan, aber auch Singapur und Hongkong brauchten australische Rohstoffe und Hochqualitätsnahrungsmittel. Bei ihnen wieder ist das viele Geld da, das Australien für die Entwicklung seiner Industrien ebenso benötigt wie qualifizierte Menschen: auch die sind von Ostasien zu haben.

So hat man sich erstmals zu einer liberaleren Einwanderungspolitik gegenüber „non-whites" entschieden und auch eine zögernde Bevölkerungsmehrheit dafür halbwegs gewonnen. Und jetzt steht APEC: die Asian Pacific Economic Cooperation - noch keine Freihandelszone, aber auf dem Weg dorthin, und erstmals auch offen für Investitionen, Firmengründungen, Beteiligungen aus Westeuropa.

Bisher stammte das ausländische Investitionskapital zu 23 Prozent aus Großbritannien, zu gut 20 Prozent aus den USA und zu 14 Prozent aus Japan. Aber die Japaner holen mit Siebenmeilenstiefeln auf. „Sie kaufen, was nicht niet- und nagelfest ist", stöhnen viele „Aussies", wie sich die Australier selbst bespitznamsen. Bei Industriebetrieben ist man auch nicht zimperlich („Wir kriegen Geld und Fachwissen") - nur Grund und Boden will man vor totalem Ausverkauf bewahren. Deshalb hofft Australiens Wirtschaft stark auf Kapital aus Westeuropa und fürchtet, dass dem- nächst zu viel davon auf Osteuropa konzentriert wird. Kann man Firmen dazu ermutigen?

„Unbedingt", meint dazu der rot- weiß-rote Handelsdelegierte in Sydney, Heinz Seitinger. Rund 300 Unternehmen aus Österreich handeln mit Australien, 27 haben direkt dort schon investiert. Insgesamt exportieren wir im dreifachen Wert der Importe aus Australien.

Gut gingen schon bisher Spezialmaschinen, Metallwaren, optische Geräte. Große Chancen haben alle Erzeugnisse, mit denen auch know-how für Fertigungsbetriebe weiter- gegeben wird.

Aber nicht nur der australische, selbst der bisher als Anhängsel behandelte Markt in Neuseeland offeriert wagemutigen österreichischen Unternehmern genug Chancen, dass die Einrichtung einer eigenen Außenhandelsstelle im vergangenen November gerechtfertigt war. Handelsdelegierter Wilhelm Galathovics: „Die Schafe sind nicht mehr das Markenzeichen von Neuseeland." Ihre Zahl ist von über 70 schon auf rund 60 Millionen geschrumpft. Die „größte Milchfarm der Welt" will gleichfalls ernsthaft ins Industriezeitalter einziehen. Mit Spezialmaschinen und Industriebedarfsgütern und nicht zuletzt mit der Beteiligung an Investitionen böten sich auch hier schöne Chancen - vorausgesetzt, dass österreichische Firmen auch Niederlassungen im Lande gründen. Wer sich was traut, reüssiert dann selbst als Fleischhauer, wie der Österreicher H. Zabern bewies, der heute in Auckland ein Restaurant mit Wiener Spezialitäten sowie ein Delikatessengeschäft betreibt.

Ostasien, Aussies und Kiwis (Spitzname für die Neuseeländer, aber dem Vogel, nicht der Frucht entlehnt) wachsen im Schnellzugstempo zu einer großen Wirtschaftsregion zusammen und wollen durch demonstrative Öffnung die anderen Wirtschaftsblöcke (Nordamerika, vor allem auch Europa) dazu bringen, ihrerseits die Luken jetzt nicht dicht, sondern gleichfalls weit aufzumachen.

Das beweist auch Singapur, das in manchen Bereichen die Nachfolge Hongkongs antreten könnte und unter den Abnehmern österreichischer Waren in Asien an zehnter Stelle steht, aber auch Thailand, Wo vor allem eine boomende Bauwirtschaft Investoren anlockt.

Österreichische Unternehmer sind gefordert. AUA und Lauda Air schaffen handliche Direktverbindungen. Wie die Aussies sagen würden: „Let's give it a go!"

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