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Braune Ideologie im grünen Gewand

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Grün ist „in": 56 Parteien operieren in Österreich mit Begriffen wie „Öko-" oder „Natur-". Allerdings findet man darunter auch so manchen gefährlichen Bodensatz.

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Grün ist „in": 56 Parteien operieren in Österreich mit Begriffen wie „Öko-" oder „Natur-". Allerdings findet man darunter auch so manchen gefährlichen Bodensatz.

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Wo von „Bio-" und „öko-" soviel die Rede ist, da gibt es — wie sich aus dem Studium einschlägiger Primärliteratur zweifelsfrei ergibt — Platz für vielerlei Assoziationen.

So umschließt die erstgenannte Begriffspalette nicht nur Konzepte des „biologischen Landbaues" (bzw. anderer Bemühungen zum — notwendigen — Schutz unserer lebendigen Umwelt), sondern auch so etwas wie eine „biogeneti-

sehe Weltanschauung", was ungefähr so viel bedeutet wie der Glaube ans eigene - von ,.Natur" her vorbestimmte — Herrenmenschentum.

Und so erleben unter dem aktuellen „öko"-Trend alte Blut-und-Boden-Mythen mit entsprechenden „Lebensraum"-Forde-rungen eine neue Blüte.

Um in diesem Zusammenhang Mißverständnisse zu vermeiden, sei die Feststellung vorangestellt: Die „grüne" Ideologie — sofern man hier überhaupt von einem einzigen Ideen- und Wertesystem sprechen kann — bietet Ansatzpunkte sowohl für bestimmte emanzipatorisch-humanistische Bestrebungen als auch für politische Ziele extrem autoritär-aggressiven Inhalts.

Von letzteren wollen wir ausgehen, um eine „historische" Neigung der Braunen, sich im grünen Mäntelchen zu präsentieren, zu dokumentieren.

Adolf Hitler selbst hatte zunächst einmal alles gründlich hassen gelernt, was auch nur irgendwie nach großstädtischer Weltaufgeschlossenheit und aufgeklärter Geisteshaltung anmuten mochte.

Als er sich dann „reif" genug fühlte, um seine persönliche Weltanschauung literarisch zum besten zu geben, da standen ihm solche Menschen am allernächsten, deren Fühlen und „Denken" in etwa demjenigen wilder Hunde oder zahmer Wölfe entsprach.

Dementsprechend konnte Hitlers „Gott" nur eine sehr archaische — unmenschliche — „Natur" sein, die nach einem strengen Ausleseprinzip regiert.

Intellekt, Vernunft und menschliche „Weisheit" sind nicht gerade die starken Seiten des autoritäraggressiven Typus der „Natur"-Religiösen.

Aus der nationalsozialistischen Literatur ließen sich viele Beispiele starker „Naturverbundenheit" anführen. Die Leidenschaftlichkeit entsprechender Argumentation sowie die Tatsache, daß „grün" zur Zeit der braunen Herrschaft noch nicht für eine modisch-vielversprechende Bewegung stand, weisen darauf hin, daß es dabei um mehr als nur opportunistische Ideologieanleihen gegangen sei:

„Mutter Natur" war dem braunen ökologisten nicht nur unerschöpfliche Materialspenderin, sondern auch optimaler „Kriegsübungsplatz". Hier mochte er nach Herzenslust „Siege" und Trophäen erringen, die in seinem selbstgewählten Lebenskampf von Mensch gegen Mensch ein wertvolles Guthaben darstellen.

Je weniger dem nationalsozialistischen „Naturschützer" so das einzelne Individuum als solches wert gewesen sein dürfte, umso leidenschaftlicher trat er für die „Erhaltung der Arten" ein.

Ob und inwiefern nun auch aktuelle österreichische Oko-Bewe-

gungen Ideologiemomente aufweisen, die den nationalsozialistischen Blut-und-Boden-Mythen „seelenverwandt" sein mögen, dies festzustellen würde den Rah-i men dieses Artikels sprengen.

Nichtsdestoweniger dürften aber im engeren Zusammenhang folgende — unmittelbar überprüfbare — Fakten hervorhebenswert sein:

# Die national sozialistische Propagandaliteratur weist sehr explizite Momente starker „Naturverbundenheit" auf, wobei entsprechende Stellen mitunter auf eine gewisse „Kulturmüdigkeit" bei den Autoren schließen lassen.

• Moderne österreichische Rechtsradikale ließen während der Jahre 1982 und 1983 kaum eine Gelegenheit ungenützt, um entweder in bereits bestehende ÖkoBewegungen einzusteigen, oder aber ihre Vorliebe für „grün" in organisatorischer Eigenregie zu präsentieren.

Um letztere Aussage zu verdeutlichen, möge dem Leser folgender exemplarischer Ausblick in die einschlägige Polit-Szene dienen:

Der aktenkundige Robert H. Drechsler hinterlegte im Dezember 1981 die Statuten für seine „Volksunion/Wahlpartei der Unabhängigen/Grüne Plattform"' (VU) im Innenministerium. „Aus

der Uberzeugung, solcherart .Grüne' mit großer Wahrscheinlichkeit ins Parlament zu bringen", war die neue Partei entschlossen, eine heilige Allianz „mit Konservativen, Volkstreuen und .Denkzettelwählern'" einzugehen.

Laut „Grundsatzprogramm" war die VU bestrebt, „unserer Jugend, den Gruppierungen des .grünen' Bereiches, also Umweltschützern, Bürgerinitiativen, Al-

ternativen eine breite und auf parlamentarischer Ebene durchschlagkräftige Plattform" zu bieten.

Genau aus dieser Ecke ertönen zumeist Lobeshymnen auf die — archaisch begriffene — „Natur", und die Zivilisation gerät in ein äußerst schiefes Licht: Antizivilisatorische Idealismen bieten nämlich mitunter bequeme Fluchtwege aus einer — emotional wie rational — unbewältigten Gegenwart und werden gesellschaftlich umso gefährlicher, je stärker und allgemeiner in sozio-ökono-

mischen Krisensituationen das Bedürfnis nach einer Brandmarkung von Sündenböcken wird.

Wenn so für Adolf Hitler „die Juden" an „Zivilisationserscheinungen" wie Kapitalismus, Liberalismus und Sozialismus schreckliche „Schuld" trugen, so mag das heute nahezu „legendär" anmuten.

Indes dürfte die (1940) in einer „wissenschaftlichen" Zeitschrift („Haustier und .Haus'-Mensch") abgedruckte Auffassung, daß „die Charaktereigenschaften, die zur Erhaltung der Art nötig" seien, „durch die Zivilisation nicht nur beim Tier, sondern auch beim Menschen verloren" gehen, neuerdings gar nicht mehr so „rettungslos veraltet" klingen.

Man stelle sich nur (hypothetisch) vor, derartige Denkinhalte werden zu tragenden Ideologie in einer Zeit, da fortschreitende Automatisierungsprozesse in produktiven und wirtschaftlichen Bereichen ständige strukturelle Umschichtungen erfordern.

Ob es dann noch zu verhindern sein wird, daß die Jagd auf Sündenböcke unkontrollierbar-verheerende Dimensionen annimmt?

Die Autorin ist Mitarbeiterin am Dokumentationszentrum des Bundes jüdischer Verfolgter des Naziregimes von Simon Wiesenthal und arbeitet derzeit an einer umfassenden Studie zum Thema „Aktuelle politische Taktiken österreichischer Rechtsradikaler".

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