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Bremse für den ÖGB?

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Ist das Verhältnis zwischen einigen Vertretern der Bundesregierung und dem Gewerkschaftsbund ein Krisenherd geworden?

Daran dürfte der eben zustandegekommene, von Finanzminister Dr. Androsch initiierte und koordimierte Pakt zwischen den Sozialpartnern nur sehr wenig ändern. Denn einmal ist es nicht gelungen, einen befristeten Stop von Löhnen und Preisen zu vereinbaren — die Sozialpartner willigten nur in eine „Zurückhaltung“ (was immer das heißt!) ein —, das anderemal, und das ist das entscheidende, zeugen Erklärungen von Gewerkschaftsseite davon, daß die so gefürchtete Zwischenlohnrunde im Falle einer „nicht mehr tolerierbaren Inflationsrate“ auf betrieblicher Ebene gefordert und durchgesetzt würde.

In der Bundesregierung weiß man ob der Wirkungslosigkeit des Sozialpartnerpaktes nur zu genau Bescheid. Nun dürfte man versuchen, mit dem Instrument der ÖIG-Gesetz-novelle, bei der es vor allem um die' Mitsprache der Betriebsräte im Aufsichtsrat geht, das gewerkschaftliche Verhalten und Handeln im kommenden Jahr zu beeinflussen. Denn die Regierungsvorlage zur ÖIG-Gesetz-novelle streift in einigen zentralen Fragen nur das Interesse des ÖGB. Dies kritisierte auch vor wenigen Tagen der ÖGB-Sprecher und Nationalratsabgeordnete Sepp Wille recht offen in der „Arbeiter-Zeitung'.

Wenig Gewicht soll nach den Vorstellungen der Regierungsvorlage den Betriebsräten in folgenden Fällen zukommen: bei der Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern, bei der Bestellung des Aufsichtsratsvorsitzenden und seiner Stellvertreter sowie deren Widerruf, beim Abschluß, Änderung und Aufhebung von Dienstverträgen mit Direktoren und Prokuristen, der Verleihung und dem Entzug der Prokura und — vor allem — bei Entscheidungen über Investitionen und Investitionskredite soweit die Investitionen in einem Geschäftsjahr 30 Prozent des Grundkapitals der neuen Gesellschaft übersteigen und nicht Ersatzinvestitionen.sind.

Ganz abgesehen davon, daß das Mittel einer Vertretung im Aufsichtsrat zur Erreichung des Ziels einer besseren Integration des Arbeitnehmers in einen Großbetrieb und einer Behebung seiner „Entfremdung' am Arbeitsplatz höchst fragwürdig ist, wird diese Vorlage der sozialistischen Bundesregierung kaum die Zustimmung der Gewerkschaftsseite finden. Denn für den SPÖ-dominier-ten ÖGB ist die Mitbestimmungsideologie nun einmal kein Ziel an sich, sondern ein — wesentlicher — Bestandteil eines sozialistischen Weltbildes letztlich also ein Mittel zur Sozialisierung — oder Syndika-lisierung — der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Dabei wird von ÖGB-Seite durchaus eingestanden daß der Aufstieg des Betriebsrats in die Spitze der Unternehmen selbst nicht ohne Gefahren ist, denn er verwischt die klare Kompetenz-und Verantwortungsregelung, bringt Betriebsvertreter in der Geschäftsleitung in ein Dilemma, falls sie ihre unternehmerische Mitverantwortung ernst nehmen, und gefährdet durch die Existenz eines zweigeteilten Aufsichtsrates die Schlagkraft des Unternehmens und damit letztlich auch das gute Betriebsergebnis, an dem der ÖGB zur Erfüllung seiner materiellen Forderungen selbst wieder interessiert sein muß. Darüber hinaus hat sich in der Bundesrepublik Deutschland am Beispiel des Kohlenbergbaues gezeigt, daß die paritätische Mitbestimmung dazu führen kann, wirtschaftlich nicht gewünschte Strukturen zu konservieren. Dagegen wirkt die Behauptung von Gewerkschaftsseite, daß die paritätische Mitbestimmung zur Befriedung des sozialen Klimas beitragen werde, mehr wie eine Wunschvorstellung, die jedenfalls in der Vergangenheit nicht bewiesen wurde.

Wie dem immer sei: zur Zeit verwendet die Bundesregierung den ÖIG-Gesetz(novellen-)entwurf als Junktimierungsobjekt bei den Verhandlungen mit dem Gewerkschaftsbund. Dies zu tun, fällt ihr um so leichter, als der ÖGB in der Bundesregierung mit Verkehrsminister Frühbauer und Vizekanzler Häuser fachlich „unterrepräsentiert“ ist.

Für den ÖGB hat Wille schon einen Kompromißvorschlag gemacht. Dieser sieht vor, daß die Betriebsräte in den einzelnen Gesellschaften wohl gleichberechtigt mitbestimmen können, daß aber über gewisse Fragen Parteienvereinbarungen geschlossen werden, die der Aufsichtsrat dann zu berücksichtigen hat. Es dürfte der Bundesregierung schwerfallen, diesen Vorschlag zu verwerfen, obwohl er gleichfalls auf eine Syndikalisierung hinausläuft. Dabei würde allerdings — auf dem Papier? — eine gewisse Flexibilität gewahrt bleiben, deren Praktikabilität erst in der Praxis bewiesen werden müßte. Die zur Zeit und über längere Zeit hinaus gegebene Frontstellung zwischen Regierung und Opposition läßt aber vermuten, daß Willes Vorschlag mit dar flexiblen Syndikalisierung äußerst schwer erfolgreich durchsetzbar ist.

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