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Breschnew wirbt um China

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In der zentralasiatischen Hauptstadt Taschkent, nicht allzuferne der chinesischen Grenze, richtete der sowjetische Staats- und Parteichef Leonid Breschnew am 24. März einen Aufruf an China, die 20jährige Feindschaft zwischen den kommunistischen Genossen zu begraben.

Auf der Grundlage gegenseitigen Respekts für die Staatsraison und Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten sei, ohne vorausgehende Bedingungen, ein Ausgleich möglich, ohne Drittstaaten zu benachteiligen. Er betonte, daß er die Souveränität der Volksrepublik über Taiwan anerkenne und keine Gebietsforderungen an China stelle.klingt reichlich ironisch, bedenkt man, daß Rußland eine Viertelmillion Quadratmeter Land östlich des Baikalsees und in Iii (Zentralasien) besitzt, die bis vor gut 100 Jahren zu China gehörten. Lenin hatte einmal versprochen, diese Gebiete China zurückzuerstatten.

Breschnews Erklärung ist der vorläufige Höhepunkt einer vorsichtigen Kampagne Moskaus, sich mit China zu arrangieren, nachdem sich das Klima zwischen Peking und Washington infolge amerikanischer Waffenlieferungen an Taiwan immer mehr abkühlt.

Schon im Jänner hatte Moskau die Wiederaufnahme der Gespräche über Grenzverlaufdispute am Fluß Amur vorgeschlagen. Gleichzeitig hatte der sowjetische Premier Nikolai Tichonow in einem Interview mit japanischen Zeitungen gewünscht, die Kriegsaxt zu begraben.

Chinas Antwort war bis jetzt stets eher frostig. In aller Stille aber sandte es drei Wirtschaftsfachleute nach Moskau.

Außerdem kamen Verträge über Containerverkehr zum Abschluß. China kann nicht nur seine Produkte auf dem schnelleren Weg über Sibirien nach Europa befördern; auch Rußland könnte nun wieder seine Satelliten in In-dochina über das chinesische Bahnnetz beliefern, sofern das zwischen Vietnam und Yünnan unterbrochene Netz repariert wird.

Breschnews Bemühung, die Allianz zwischen Peking und Washington zu vereiteln, spiegelt die Sorge der Sowjetunion vor einer Einkreisung im Osten.

Die Chinesen aber zögern, die Rußlandkarte gegenüber Washington auszuspielen. Ihr Teufel an der Wand ist immer noch die sowjetische „Hegemonie", der Code für die Expansion in Indo-china, Nordasien und im westlichen Pazifik.

Anderseits ist Deng Hsiaoping, der auf die Amerikakarte setzte, gar nicht in der Lage, in der Taiwanfrage Kompromisse einzugehen. In der Armee und Partei muß es immer noch Anhänger einer prosowjetischen Ausrichtung geben. Wenn Deng's Karte nicht sticht, könnten Breschnews Sirenenrufe verstärkt Gehör finden.

Die Mitglieder des südostasiatischen Staatenverbandes ASEAN sehen die Abkühlung zwischen China und den USA mit Sorge. Wer wird die bedrohten Domino stützen, wenn China und die Sowjetunion (und ihr Satellit Vietnam) sich auf eine gemeinsame Politik einigen sollten?

Ihren Interessen ist mit einer Achse Peking-Washington besser gedient Ihre Fortdauer aber hängt heute wesentlich davon ab, ob Deng Hsiaoping, der auch sonst in Peking mit Schwierigkeiten kämpft (Säuberung der aufgeschwollenen Bürokratie, latenter Widerstand der Maoisten in Partei- und Armeekreisen), aus Washington Schützenhilfe erhält.

Reagans Entschluß, Taiwan weiterhin mit Waffen zu beliefern (vor allem Hochleistungsflugzeuge), scheint eher der Rücksicht auf inneramerikanische Politik zu entspringen, als strategischer Notwendigkeit. Denn Taiwan ist heute stark genug, sich aus eigener Kraft zu verteidigen.

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