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Brief nach Syrien

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(Pontius Pilatus grüßt . Lucius Vitellius)

Lieber Freund, ich denke gern an die Zeit zurück, die wir gemeinsam in Rom verbracht haben. Kannst Du Dich noch an die kleine Taverne am Kapitol erinnern, und an jene Ägypterin, deren heitere, unbeschwerte Gesellschaft uns alle Sorgen vergessen ließ?

Deinem Brief entnehme ich, daß Du gewillt bist, sieben Syrer, die in Antiocheia aufgegriffen wurden, als Fahnenflüchtige zu behandeln. Tu das nicht, Legat, denn ich habe sie vom Heer entlassen.

Ich wüßte nicht, wem ich lieber unterstellt wäre als Dir, Lucius Vitellius. Trotzdem, versteh mich recht, bin ich höchst ungern Prokurator in Judäa. Was immer ich anordne, die böse Absicht wird mir jedenfalls unterschoben, ganz gleich, ob ich Kaiser und Heer Achtung verschaffe oder den Untertanen Wohltaten erweise. Lasse ich Standarten nach Jerusalem hineintragen, verletze ich das fromme Gefühl dieser Provinzler, denen jegliches Abbild von Lebendigem ein Greuel ist, aber nicht das Bildnis des Kaisers auf den Steuermünzen, denn diese horten sie. Und wenn ich Gold aus dem Tempelschatz zum Bau einer Wasserleitung verlange, um Seuchen zu bannen, dann heißt es, ich betreibe Amtsmißbrauch.

Ich bange um ihre Gesundheit. Sie grüßt die Deine herzlich!

Unlängst verurteilte der jerusale-mitische Senat einen gewissen Jesus aus Nazareth zum Tode. Er hat sich selbst zum Messiaskönig ernannt(den man hier schon ziemlich lang erwartet), er hat behauptet, er könne den Tempel niederreißen und in drei Tagen wieder aufbauen (dabei ist der Tempel noch gar nicht fertig), er hat das Volk gegen den Kaiser aufgewiegelt. Ich sollte das Urteil bestätigen.

Nun, ich habe diesen Jesus vordem nie gesehen. Ich wußte, daß er als Wundertäter beim Volk in hohem Ansehen stand. Überdies war mir vertraulich berichtet worden, daß er bei Gelegenheit seine Aushorcher auf die Steuermünze hingewiesen hat mit dem Bemerken, sie sollten dem Kaiser geben, was dem Kaiser zustehe.

Vorerst schickte ich den verklagten Galiläer zu Herodes Antipas, welcher des bevorstehenden Osterfestes halber in der Stadt weilte. Handelte es sich doch um seinen Untertan. Es war das keine Geste der Freundschaft, ich tat es bloß von Rechts wegen. Mir ist immerhin bekannt, daß der Fürst von Galiläa Dich beim Kaiser und mich bei Dir, Legat, des öfteren verleumdet hat. Es sei vergessen.

Antipas schickte Jesus zurück. Auch ich fand keine Schuld an diesem Menschen und ließ ihn geißeln, was Priestern, Schriftgelehrten und Strenggläubigen nicht genügte. Hartnäckig und aufsässig, wie Leute von diesem Schlag nun einmal sind, gingen sie nicht davon ab, die Bestätigung des Todesurteils zu fordern. Anläßlich des Festes schlug ich Begnadigung vor. Die von ihren Führern aufgehetzte Volksmenge verlangte die Kreuzigung. Um Aufruhr abzuwenden und zumal es mir ganz so vorkam, als wollte der Nazare-thaner seinem Schicksal gar nicht trotzen, gab ich dem Geschrei nach.

Gewiß hätte ich jetzt den Messiaskönig der Gnade des Kaisers überantworten können. Daß der göttliche Tiberius dies gnädig aufgenommen hätte, muß ich bezweifeln.

Jesus von Nazareth wurde gekreuzigt und ist am Kreuz gestorben. Sie zerschlugen ihm die Gebeine nicht. Er war bereits tot, als ihm die Seite mit der Lanze geöffnet ward. Da es sich meiner Ansicht nach um keinen Majestätsverbrecher gehandelt hatte, schenkte ich den Leichnam über Antrag dem Josef von Arimathäa, einem Ratsherrn, dessen lautere Gesinnung ich kenne (er hat in Streitfällen von sich reden gemacht). In dem Felsengrab, das dem Josef Arimathäa eigentümlich ist, bestatteten .sie ihren Messias.

Tags darauf hatte ich wieder das Vergnügen, den jerusalemi tischen Senat zu empfangen. Sie erbaten eine Wache beim Grab und begründeten ihr Anliegen damit, daß dieser Betrüger (wie sie sich auszudrücken beliebten), seine Auferstehung von den Toten am dritten Tag in Aussicht gestellt habe. Um des lieben Friedens willen entsprach ich ihrer Bitte, so unsinnig diese auch war. Sie haben das Grab versiegelt, sieben Syrer zogen als Wache auf.

Nach Tagen kamen mir Gerüchte zu Ohren, und ich begann ein Verhör. Die Wachsoldaten, jene sieben Syrer eben, sagten folgendes aus: Im Morgengrauen bebte die Erde, ein Engel (Du weißt, von solch schrecklichen Geistern reden die Ostvölker, wenn sich etwas Ubernatürliches zuträgt, zumeist; obwohl es auch bei den Juden Leute gibt, welche die Existenz dieser Wesen glattweg, leugnen), also, ein Engel stieg vom Himmel herab, wälzte den Grabstein weg und setzte sich darauf. Sein Anblick warf die Wächter um, und sie waren wie tot. Hernach saßen sie ganz benommen abseits des leeren Grabes und wußten nicht aus noch ein. Da gingen nun einige von ihnen in die Stadt und geradewegs zum Hohen Rat. Der Senat ward einberufen, beriet und gab den Soldaten Geld. Sie sollten überall erzählen: Die Jünger des Gekreuzigten haben den Leichnam gestohlen. Was mich daran empörte? Daß man den Pflichtvergessenen nahelegte, zu sagen, sie hätten auf Wache geschlafen, und ihnen versprach, falls es mir zu Ohren käme, würde man den Prokurator schon beruhigen.

Ich war im Augenblick zu schwach, die Peitsche zu ■ heben, und fiel in Grübeln. Sie sind jedenfalls einer Luftspiegelung zum Opfer gefallen und waren geblendet, denn übereinstimmend haben sie ausgesagt: Sobald sich der Engel auf den Stein gesetzt hatte, ging die Sonne auf.

Ich habe diese Syrer, eben jene, die Du aufgegriffen hast, aus dem Heer entlassen. Hast Du sie verhört, und haben sie nichts anderes erklärt, als in meinem Bericht steht, so bitte ich Dich, laß sie frei und schick sie heim in ihre Dörfer.

Leb wohl!

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