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Brisantes Dilemma

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Ebenso wie die Ökonomie raquo;hat auch die Wirtschaftsethik davon auszugehen, daß der Mensch seinen Lebens- und Kulturbedarf zu decken hat und dabei mit der Knappheit verfügbarer Mittel konfrontiert ist.

Im Verhältnis zu unseren Bedürfnissen sind sowohl die Naturgüter (Rohstoffe, Boden — ökologische Faktoren) wie auch die nach den jeweils bestehenden Produktionsfunktionen geschaffenen Waren und Dienstleistungen und die nach den Markt- oder sonstigen Verhältnissen dafür erzielten Werte knapp.

Dies fordert die menschliche Vernunft heraus zum „Wirtschaften", dabei gesellschaftlich zusammenzuarbeiten und immer wieder neue Wege zu finden. Bei der wirtschaftlichen Kooperation wird davon ausgegangen, individuelle Zwecke, die sonst nicht erfüllbar wären, gemeinsam zu erreichen, um den Lebens- und Kulturbedarf aller zu decken ...

Da die Wirtschaft eine Erscheinungsform gesellschaftlichen Zusammenwirkens ist, stellt sich die Frage einer Abgrenzung zu anderen Gebieten sozialer Kooperation, vornehmlich zum Staat.

Der Wiener Erzbischof Kardinal Franz König hat in diesem Zusammenhang vor übertriebenen Erwartungen gewarnt, die an eine weitere Ausdehnung staatlicher Einflußmöglichkeiten auf die Wirtschaft geknüpft werden könnten. Davon ausgehend, daß ethische Gesichtspunkte für die Organisation und Entfaltung der Wirtschaft von nicht geringer Bedeutung sind, hat der Wiener Kardinal auf das Subsidiaritäts-prinzip der Katholischen Soziallehre verwiesen.

Demnach sind ja nur jene Entscheidungen vom einzelnen an kleine Gemeinschaften, von diesen an größere, zuletzt an den Staat zu delegieren, wenn sie vom einzelnen bzw. vom jeweils kleineren Bereich nicht gelöst werden können.

Diese Vorgangsweise stellt einen Grundsatz dar, der auch für das Wirtschaftsleben gilt. Demnach ist es besser, Wirtschaftsunternehmen in die Lage zu versetzen, selbst nach eigenem Vermögen und in eigener Verantwortung eine gesunde Entwicklung zu nehmen — sowohl im Hinblick auf einzelne Betriebe wie auch hinsichtlich ganzer Wirtschaftszweige—und sich wirtschaftliches Heil nicht von einer Ausdehnung staatlicher Einflußmöglichkeiten zu erwarten.

Dennoch treten häufig gesellschaftliche Anliegen auf, die durch unmittelbaren staatlichen Einfluß verwirklicht zu werden beanspruchen. Dazu wird im Einzelfall möglicherweise der Freiheitsraum eingeschränkt, den der Grundsatz der Subsidiarität sonst gewährleistet.

Hiefür bedarf es aber eingehender Interessenabwägung. Bloß oberflächlicher „Rezepte", wie zum Beispiel das Schlagwort „Gemeinnutz geht vor Eigennutz quot;, reichen nicht aus.

Der Wirtschaftsablauf in der durch das Subsidiaritätsprinzip festgelegten Arbeitsteilung stellt nämlich selbst ein wesentliches Element des Gemeinwohls dar, aus dem heraus viele Einzelanliegen geradezu automatisch verwirklicht werden. Direkte politische Eingriffe für einzelne gesellschaftliche Anliegen verschütten somit Möglichkeiten, sonstige Gemeinwohl-Forderungen zu realisieren.

Durch solche Kollisionen kann es dazu kommen, daß Probleme nicht gelöst, sondern bloß weitergewälzt werden, zum Beispiel vom Umweltschutz auf die Vollbeschäftigung (Friktionsarbeitslosigkeit in Branchen, welche wegen Umweltschutz-Auflagen unter die Rentabilitätsgrenze abrutschen).

Besonders abschreckend aind auch Beispiele, wo politische Einflußnahmen nicht nur ihr Ziel nicht erreichen, sondern längerfristig vorhandene Möglichkeiten verschütten, diesem Ziel näher zu kommen (allgemeine Wohlstandseinbußen durch Klassenkampf, Maschinensturm und dergleichen).

Uber diese angeführten „historischen" Beispiele — denen freilich immer wieder Aktualität zukommen kann — dürfen wir aber nicht vergessen, daß eine derartige Entwicklung auch weniger dramatisch aus Alltagsentscheidungen erwachsen kann.

So ist es heute schon schlechte Routine, daß eine beabsichtigte Wirtschaftstätigkeit diversen behördlichen Uberprüfungen unterzogen wird, bevor eine Betriebsaufnahme zulässig ist. öffentliche Interessen, die gerade in Mode sind, werden bei diesen Verfahren besonders genau wahrgenommen — zum Beispiel der Umweltschutz.

Kann nun ein neuer Betrieb wegen zu einschneidender Umweltschutz-Auflagen nicht aufgenommen werden, heißt dies oft, daß alte, früher in weniger „umweltorientierten" Verfahren genehmigte Betriebsstätten weitergeführt werden müssen. Dies auch dann, wenn die alten Betriebe die Umwelt weitaus stärker belasten als neue, wegen schärferer Umweltauflagen nicht genehmigte.

Werden auch die alten Betriebsstätten — etwa durch Nicht-bewilligung von Erweiterungen — dem Umweltschutz geopfert, kann es zu Veränderungen in der Produktionsstruktur überhaupt kommen (Einstellung umweltbelastender Erzeugungen, Import dieser Erzeugnisse aus anderen Ländern, in denen der Umweltschutz keine so große Rolle spielt, allenfalls Friktionsarbeitslosigkeit).

Der Autor ist stellvertretender Direktor der Religionspädagogischen Akademie Wien; Auszug aus dem eben erschienenen Band 7 der Schriftenreihe „Sicherheit und Demokratie": WIRTSCHAFTSETHIK (Das Gewissen der Wirtschaftspolitik), Hrsg. Alfred Klose.

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