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Brücke nach Ost ?

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Mit unserer westlichen Kultur als Versöhnungsangebot oder Friedenspolitik bekommen wir im sozialistischen Osten nur Ärger...

Kultur ist im marxistisch-leninistischen Sinn in einem sozialistischen Land eine Magd im Dienst der Ideologie, ja sogar des Klassenkampfes. Kultur ist nur das, was die Kommunistische Partei im gegebenen Zeitraum für Kultur zu halten bereit ist. Sie muß stets das sozialistische Bewußtsein des Bürgers fördern und festigen, sie muß ihm permanent optimistische Perspektiven in den stets düsteren Alltag zeichnen.

Die Kunst und die Künstler, die aus dem sozialistischen Osten kommen, haben vor allem eine repräsentative Aufgabe zu erfüllen. Er muß die Überlegenheit der sozialistischen Kunst und der Ge-sellschaft uns allen deutlich vor Augen führen, also zugleich als Propagandist auftreten ...

Vom Kulturaustausch sind natürlich im Osten jene Künstler ausgeschlossen, die sich ... nicht dem ideologischen Machtanspruch beugen wollen und im intellektuellen Halbuntergrund eine Parallelkunst entwickeln, die längst die offiziell zugelassene überholt und überrumpelt hat.

Wien will eine Brücke zwischen West und Ost werden ... Mit westlichen Brücken Richtung Osten kann man leider heute keinen großen Erfolg verzeichnen. Sie stürzen entweder von allein ein oder werden drüben ignoriert, ja oft still in die Luft gesprengt.

Interessanterweise verwandelt sich ein jeder, der sich heute als Brückenbauer zwischen West und Ost verdient machen will, im Prinzip zu einem Brückenkopf des totalitären Ostens auf dem Hoheitsgebiet des bisher noch einigermaßen freien Westens ...

Die Tschechen und Slowaken hatten nach 1945 redlich... versucht, eine Brücke zwischen West und Ost zu werden. Prag liegt ja für diese große Aufgabe viel günstiger als Wien... denn die Tschechen und Mähren sind zwar Slawen, jedoch seit eh und je nicht mit dem Osten, sondern mit der tausendjährigen abendländischen Kultur und Tradition verwandt.

Und was ist aus der Tschechoslowakei geworden? Ein vorge- schobener Brückenkopf des totalitären Ostens voll mit Panzern, mit sowjetischen Divisionen und mit Atomwaffen.

Wenn es heute noch in Europa Reaktionäre im klassischen Sinn des Wortes gibt, dann sind es eben die totalitären Regime im Osten. Sie sind eine mit fortschrittlichfeudalistischen Zügen gekenn-zeichnete Verlängerung des Mittelalters, eine Gesellschaft, die zwar versucht, den Sprung ins Zeitalter der modernen Industrie und Technik zu schaffen, jedoch geistig noch nicht den feudalen Absolutismus überwinden konnte.

Wien hat schon öfters versucht, Brücken Richtung Osten zu bauen, es wurde wenig daraus. Lassen wir also unsere Bemühungen jetzt ein wenig ruhen ... und geben wir dem Osten die Chance, wenig-stens einen Steg über die Stacheldrahtgrenze von Osten nach Westen zu bauen ... Aber er müßte jedem zugänglich sein. Man müßte auf diesem Steg sich frei von West nach Ost und von Ost nach West bewegen können.

Ein solcher Steg wird in absehbarer Zeit von Osten Richtung Westen nicht gebaut werden. Ein- nen freien Austausch von Kultur können die Genossen nicht zulassen, denn alles, was im Osten nach Freiheit duftet, stinkt den Genossen nach ideologischer Diversion.

Die Tausenden Tschechoslowakei die seit 1948 in Österreich ein neues Zuhause gefunden haben, sind mir viel wichtiger, als ein durch verkrampfte Kulturabkommen eher gehinderter als geförderter Kulturaustausch. Diese Menschen, die die Österreicher aufgenommen haben, schafften es bereits, das zwischen Tschechen und Österreichern seit Jahrhunderten gewachsene Mißtrauen zu überwinden und die ideologische Vergiftung, mit der Prager Genossen die Beziehungen zu Österreich berieseln, als kleinkariert, als lächerlich, als dumm und für die Zukunft ohne Bedeütung zu entlarven.

Verlangen wir von der Kultur nicht zuviel, wenn wir sie heute als eine Art von Versöhnungsangebot und als eine andere Art von Friedenspolitik strapazieren? Ist es nicht ein Jammer, daß, wenn schon die klugen Politiker versagen, die Wirtschaft von einer Krise in die andere taumelt, die Militärs sich betont stramm geben, jedoch auch verunsichert sind, plötzlich wieder einmal die Kultur als letztes Mittel zur Überwindung unserer Misere herhalten muß?

Die Kulturtraditionen aber, die den Westen und Österreich mit unseren Nachbarn verbinden sollen, spielen heute keine entscheidende Rolle mehr. Die abendländische Tradition, die Überreste der westlich geprägten Kultur, wurden in der CSSR seit 1948, also seit mehr als 35 Jahren, planmäßig verdrängt, unterdrückt und vernichtet.

Der Autor ist 1968 aus der CSSR geflohen und lebt als freier Schriftsteller in München. Auszug aus einem Referat „Kultur als Versöhnung" vor dem Kultursymposion

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