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Brüder im Kulturkampf;

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Es wäre falsch und ungerecht, irgendwelche Entwicklungen „den" Freimaurern in die Schuhe zu schieben. Aber gewisse Zusammenhänge zwischen einer Verschärfung des Klimas im Kulturbetrieb und Logenmitgliedern sind in Österreich nicht zu übersehen. Details:

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Es wäre falsch und ungerecht, irgendwelche Entwicklungen „den" Freimaurern in die Schuhe zu schieben. Aber gewisse Zusammenhänge zwischen einer Verschärfung des Klimas im Kulturbetrieb und Logenmitgliedern sind in Österreich nicht zu übersehen. Details:

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Der „Kälte des Februar", die derzeit von allen Plakatwänden starrt, ging nicht nur ein jahrzehntelanger Klassenkampf, sondern auch ein ebensolcher Kulturkampf voraus. Der Klassenkampf wurde unter den Schutzmantel der Sozialpartnerschaft genommen und entschärft. Für den Kulturkampf gibt es keine solche Einrichtung. Dafür mehren sich die Zeichen, daß ein neuer Kulturkampf ausgebrochen ist.

Das Wort ist hart, die Wirklichkeit oft noch härter. Der rauhe Wind dieser Wirklichkeit bläst den Christen mitten ins Gesicht.

Der neue Kulturkampf wird zunächst auf dem Gebiet der Kunst geführt - oder dem, was sich als Kunst ausgibt. Hier einige Signale: „Staatsoperette" und „Alpensaga", „Unsichtbare Gegner" und „Menschenfrauen", „Jesu Hochzeit" und „Bürger von Wien", Nitschs „Aktionskunst" beim Steirischen Herbst und jüngst Achternbuschs „Gespenst".

Unter den neuen Kulturkämpfern, ihren Förderern und Duldern, fallen manche Freimaurer auf.

Die Freimaurerei an sich kulturkämpferischer Absichten gegen das Christentum zu verdächtigen oder ihr umstürzlerische Ziele zuzuschreiben, wäre ebenso verfehlt, wie irgendwelchen Weltverschwörungen nachzuhängen. Und doch springen Kontexte ins Auge, die angesichts der Ansätze zum neuen Kulturkampf mehr als einen Hauch von „Februarkälte" befürchten lassen.

Da gab Kulturminister Helmut Zilk, der aus seiner Zugehörigkeit zum Freimaurerbund kein Hehl macht, in den Auseinandersetzungen um das „Gespenst" die Erklärung ab, er stehe „voll und ganz" hinter dem im Artikel 17a des Staatsgrundgesetzes verankerten Grundrecht auf Freiheit der Kunst, „wobei — und das erscheint mir nicht unwesentlich — nirgends von einer ausdrücklichen Ermächtigung zu Eingriffen gegen dieses Grundrecht die Rede ist."

Diese „Erklärung" offenbart ein entgleistes Rechtsverständnis: Ein Grundrecht kann nur im Rahmen der Gesetze ausgeübt werden. Die Freiheit der Erwerbstätigkeit etwa stellt keinen Freibrief für Betrug dar. Ebenso verhält es sich mit der Freiheit der Kunst. Soll unter gesetzlichem Schutz jeder Vorstoß im Kulturkampf möglich sein? Daß es sich bei bisherigen Vorstößen meist um solche gegen Religion und Christentum handelte, ist nicht mit bloßem Zufall zu erklären.

An der Spitze der „Freiheitskämpfer" für die „Kunst" steht seit Jahren die SPÖ-gelenkte „österreichische Gesellschaft für Kulturpolitik". Präsident ist der ehemalige Nationalratsabgeordnete Michael Luptowits, Vizepräsident Volkstheaterdirektor Paul Blaha — beide Angehörige von Freimaurerlogen.

Als eine Frauengruppe im Rahmen der damals noch von Zilk geleiteten Wiener Festwochen mit Menstruationsblut bemalte Wäschestücke als „Kunstwerke" vor der Karlskirche aushängte und eine Bezirksmandatarin protestierte, fiel die Gesellschaft in ihrem Organ „Kulturkontakte" über die Protestiererin her.

In der Weihnachstnummer 1983 veröffentlichten die „Kulturkontakte" auf der Titelseite ein Bild, das den Gespensterfilmer Achternbusch als Christus am Kreuz mit herausquellender Tierzunge zeigt. Dann engagierte sich die Gesellschaft massiv für Achternbusch und sein „Gespenst".

Das gleiche tat die „Interessengemeinschaft österreichischer Autoren", deren Präsident der Freimaurer Milo Dor ist. Im Vereinsvorstand sind extreme Linke überproportional vertreten. Der wahre starke Mann ist Gerhard Ruiss, dessen literarische Stärke einer breiteren Öffentlichkeit bisher verborgen geblieben ist.

Ruiss war Organisator und Agitator der „Diskussion" in der Wiener Universität, die zu einer linksfaschistischen Demonstration ausartete.

Wieder wurde dabei die verhöhnende Christusdarstellung verbreitet: diesmal als Großplakat. Der rechtswirksam beschlagnahmte Gespensterfilm wurde vorgeführt, das rechtswirksam beschlagnahmte Gespensterbuch verbreitet. Die Wiener Polizei, an deren Spitze Logenbruder Karl Reidinger steht, sah — wiewohl zeitgerecht verständigt — keine Möglichkeit, einzugreifen.

Dann stellte die Autorengemeinschaft ihr Periodikum „Autorensolidarität" in den Dienst des Kampfes für Achternbusch und gegen alle, die sich unter Berufung auf bestehendes Recht gegen die Religions- und Christusverspottung zur Wehr setzten. Die organisierte „Geistesallianz gegen die Dummheit" umfaßte ein merkwürdiges Spektrum. Da stiegen die sozialistische „Neue Zeit", „AZ" und kommunistische „Volksstimme", die Erzeugerin fragwürdiger Filme, Valie Export, der unvermeidliche Andre Heller und prominente Freimaurer wie Achim Benning oder Paul Blaha auf die Barrikaden.

Dagegen enthielt sich allerdings Fritz Muliar der Unterschrift. Seine ständigen publizistischen Bemühungen um den „inneren Frieden" und antifaschistische Wachsamkeit vertragen sich nicht mit linksfaschistischen Kulturkampfambitionen.

In diesen Zusammenhängen ist eines nicht zu übersehen: In den letzten eineinhalb Dezennien, in denen sich der Aufstieg der Sozialisten zur beherrschenden Staatsmacht vollzog und sich die Anzeichen für einen neuen Kulturkampf mehrten, haben Freimaurer — die Terminologie „die" Freimaurer ist strikt zu vermeiden! — eine Fülle wichtiger Kulturpositionen besetzt:

Die meisten österreichischen Theater, die Bundestheater wie auch Festspiele, maßgebliche Verlage, Intendanzen und Redaktionen von elektronischen und Druckmedien werden von Logenmitgliedern geleitet.

Daß sich unter solchen Umständen immer mehr Fälle von offensichtlichem Protektionismus einstellen, mag weniger ideologische als menschliche Ursachen haben: So bekam Hellmut Andics noch knapp vor Eintritt ins Pensionsalter einen ORF-Intendantenposten.

Auch der kometenhafte Aufstieg des Wiener Architekten Kurt Hlaweniczka wird besser verstanden, streift ein bloß flüchtiger Blick eines der strenggehüteten Mitgliederverzeichnisse.

Baupolitik und Baugeschäft haben ebenso kulturpolitische Aspekte wie Medienpolitik und Mediengeschäft. Auf letzterem Gebiet fallen Achsenbildungen zwischen ORF-Gewaltigen und Lobbys in Parteien, Zeitungen und Logen auf.

Daß die Logen nicht als geheimnisvolle Umschlagplätze betrachtet werden können und daß auf sie nicht durch das Verhalten einzelner Mitglieder der Verdacht kulturkämpferischer Konspiration falle, liegt an ihnen selbst.

Die „Keimzelle der Demokratie"— Ausspruch des vom Verfasser hochgeschätzten Großmeisters Alexander Giese — sollte eine demokratische Grundtugend entwickeln und zu den „alten Pflichten" eine neue hinzusetzen: die der Transparenz. Die Tage, da Freimaurer Benachteiligung und Verfolgung zu fürchten hatten, sind vorbei. Wenn es noch einen Grund für Geheimniswahrung, was Personen betrifft, gäbe, könnte dieser nur in dem Bedürfnis gelegen sein, das Gegenteü von Benachteiligung und Verfolgung allzu freiem Zublick zu entziehen.

Die Güterabwägung haben die Betroffenen selbst vorzunehmen. Dem Außenstehenden steht nur zu, allgemein festzustellen, daß ein Geheimbund in der Demokratie des zu Ende gehenden 20. Jahrhunderts ein Anachronismus ist.

Der Bewahrung dieses Anachronismus dienen indirekt auch Zeitungen mit „Enthüllungen", die keine sind und von Kernfragen ablenken. Auch Freimaurer Jörg Mauthe schafft keine Klarheit, wenn er im „prof il"leserbrief schreibt: „Man tut ja auch dem CV nichts Gutes, wenn man die Freimaurerei für sein im Grunde wesensgleiches Pendant hält."

„Im Grunde" ist da nichts „wesensgleich": Der Freimaurerorden ist ein Geheimbund mit seinen eigenen, auch ins Zivilleben seiner Mitglieder eingreifenden Regeln. Der CV ist das nicht. Weder seine Mitglieder noch seine Riten sind geheim. Er kennt auch kein „Hausgesetz", das expressis ver-bis zur Bevorzugung von „Brüdern" in Konkurrenzsituationen verpflichtet und normale (transparente) Rechtswege zu vermeiden empfiehlt.

Gerade vor Erscheinungen eines neuen Kulturkampfes könnte eine Offenlegung dazu beitragen, daß im Kulturbereich die „Kälte des Februar" nicht von den Plakatwänden herab nach uns greift.

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