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Brüderlich im Eingottglauben

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Auch in Schwarzafrika mehren sich Konflikte zwischen Moslems und Christen. Bemerkenswerte Ausnahme: Senegal, die ehemalige französische Kolonie an der Westküste.

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Auch in Schwarzafrika mehren sich Konflikte zwischen Moslems und Christen. Bemerkenswerte Ausnahme: Senegal, die ehemalige französische Kolonie an der Westküste.

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Der Senegal zählt heute sechs Millionen Einwohner — dazu gehören Araber (vor allem aus dem Libanon und aus Syrien), Europäer und natürlich die große Mehrheit der schwarzen Bevölkerung.'

Diese gemischte Bevölkerung bekennt sich in der Mehrheit zum moslemischen Glaubensbekenntnis — 80 Prozent offiziellen Angaben zufolge. 20 Prozent sind Christen oder Andersgläubige. Wenn man den Historikern glauben darf, so hängt die Einführung des Islam mit der Ankunft der arabischen Händler um das zehnte Jahrhundert zusammen und das Aufkommen des Christentums mit den ersten europäischen Händlern und späteren Kolonialherren, die um das 13. Jahrhundert das Land betraten.

Beide Religionen wurden also von außen herangetragen, waren fremd. Der senegalesische Geist

französischen Schwarzafrika. 1848 wurde das erste Priesterseminar, das Seminar St. Josef in Ngasobil, Senegal, gegründet. In Gabun entstand das erste Seminar 1861 und im Kongo 1875. Die ersten senegalesischen Priester, Fridoil, Boulat und Moussa, erhielten die Priesterweihe 1840, Abbe Samba 1869. Sie waren Ordensbrüder. Einer von ihnen (Moussa) trägt einen moslemischen Vornamen. Man darf im Senegal in der Tat nicht vom Vornamen auf das Glaubensbekenntnis schließen.

Die senegalesische Kirche war eine der ersten in Afrika, die die nationale Kultur in die Liturgie eingebunden hat. Die Chorgesänge von Julien Jouga sind hiefür ein sehr gutes Beispiel. Der Gottesdienst wird in einer der sechs

Nationalsprachen oder in französischer Sprache gefeiert.

Die senegalesische Bevölkerung schätzt die gesellschaftliche und soziale Tätigkeit der Kirche sehr. Kirchliche Volks- und Mittelschulen gelten als die besten, und in den Hospizen der Kirche erhalten auch jene ausgezeichnete medizinische Betreuung, die sich eine solche nie leisten könnten. Den Bauern in der Sahelzone, die sich in einer sehr schwierigen Lage befinden, helfen Ordensbrüder und -Schwestern.

An diesem natürlichen Zusammenleben der verschiedenen Religionen nimmt auch die Jugend regen Anteil. Junge Christen und junge Moslems organisieren gemeinsame Veranstaltungen, sie bilden gemischte Gruppen (in einzelnen kirchlichen Jugendor-ganisationenn sind die Mehrzahl der Mitglieder Moslems). Und man kann sicherlich milde lächeln, wenn man erfährt, daß die Kinder jenes Mannes, den man aufgrund seiner Orthodoxie den senegalesischen Ajatollah“

nennt, eine kirchliche Schule in Dakar besuchen.

Dieses Zusammenleben war nicht immer so problemlos. Während der Kolonialzeit und in den ersten Jahren der Unabhängigkeit haben Politiker moslemischen Glaubensbekenntnisses den Islam als politisches Mittel im Wahlkampf benutzt und christliche Politiker als Heiden beschimpft. Sie hofften, daß die Mehrheit der Moslems sich auf dieses politische Spiel einlassen würde. Ein gefährliches Spiel, das zur Intoleranz führen hätte können!

Um solche Gefahren zu vermeiden, hat die Vereinigung für islamische Kultur und Erziehung in

ihrer Zeitschrift „Die Stimme des Islam“ 1953 zu religiösem Frieden aufgerufen: „Wir wollen die Mos-. lems daran erinnern, daß sie nicht die einzigen Gläubigen im Senegal sind. Es gibt auch Christen, wir müssen in ihnen die Freunde Gottes sehen.“

Weise Worte, die sich jeder Senegalese gut eingeprägt hat. Und so mag es wohl eine Ironie des Schicksals sein, daß immer dann* wenn ein Politiker seinen Glauben als politische Waffe gegen den christlichen Gegner einsetzen wollte, dieser christliche Kandidat mit Hilfe der Unterstützung durch die geistigen islamischen Führer und die politische Elite gewählt wurde.

Der frühere Präsident des Senegal, Leopold Senghor, betonte, „daß Afrika ein ungeheures Glaubensreservoir sei, weil in der Tiefe des Herzens jedes Afrikaners ein gewaltiges Kapital des Glaubens an Gott und seine Herrlichkeit läge“. Daraus kann man schließen, daß der Afrikaner ohne Probleme seine Religion lebt, aber man darf daraus nicht schließen, daß die Ökumene in Afrika ohne soziale Zusammenstöße existiert, weil nicht alle Staaten im Aufbau ihrer nationalen Kultur die gleichen Erfolge hatten wie der Senegal.

Mit dem Beginn der Unabhängigkeit in den sechziger Jahren

entstanden religiöse Konflikte, weil die Moslems in der Mehrzahl der Fälle ihre Landsleute, die Christen, ignorierten. In diesen Jahren kann man in Kamerun beobachten, daß die Moslems oft den Konflikt mit den Christen suchten, indem sie ihre Kirchen anzündeten oder physische Gewalt an den Menschen ausübten. Und in Uganda hat selbst der Staat Repressionen auf die anglikanische Kirche ausgeübt.

1962 wurden in Ghana einige Bischöfe verfolgt. 1966 hat der sudanesische Staat den Kampf gegen die Christen zugunsten des Islam begonnen. Im Kampf gegen ihre sogenannte „fünfte Kolonne“ hat die Regierung von Guinea-Cona-kry 1970 die katholische Kirche in der Person von Abbe Raymond Tchidimbo der Verschwörung gegen den Staat beschuldigt. Und acht Jahre später wurde der Katholizismus in einem anderen Guinea, dem äquatorialen Guinea, dem am meisten christianisierten Land in Schwarzafrika, ganz einfach verboten.

Der heutige Bürgerkrieg im Tschad, der aus der Rivalität zwischen dem christianisierten Süden und dem islamischen Norden entstand, hindert dieses Land ernsthaft an einer wirtschaftlichen und einer harmonischen Entwicklung der nationalen Ein-

Seit Beginn der achtziger Jahre sind in dem Land, das die größte islamische Gemeinde Schwarzafrikas stellt, in Nigeria, die religiösen Konflikte aufgrund innerer Intoleranz immer stärker geworden.

Kehren wir zurück zur Ökumene im Senegal. Man muß eingestehen, daß diese Harmonie noch keine perfekte ist. Viele Leute sind heute beunruhigt, weil islamische Gruppen gebildet wurden, die den Christen gegenüber sehr intolerant sind. Die Dakarer christliche Wochenzeitung „Afri-que Nouvelle“ hat in einer der Aprilnummern des Jahres 1984 ihre Besorgnis über die Aussagen einiger Führer dieser Gruppen, die Gründung einer islamischen Republik betreffend, zum Ausdruck gebracht. Natürlich ist die Machtergreifung der Ajatollahs im Iran hier nicht ohne Folgen vorübergegangen. Es gab einen Marabut, der später unter dem Namen „Ajatollah von Kaolak“ bekannt wurde. Er gründete ein „Hizboulah“, eine Gottespartei. Diese Gottespartei wurde sofort verboten, denn die senegalesische Verfassung verbietet die Gründung jeder politischen Gruppierung auf einer ethnischen oder religiösen Basis.

Der Senegalese, der Christ oder der Moslem, achtet den Menschen, er ist solidarisch, er verteidigt die Minderheiten, weil in ihm der Geist der Toleranz tief verwurzelt ist. Diese Toleranz ist eine der Tugenden der senegalesischen Gesellschaft. Die Ökumene ist stark eingedrungen in die Sitten des Volkes. Aus dieser Erziehung heraus wird auch erklärbar, daß die Mehrheit der Senegalesen es ablehnt, ihren Glauben in einer politischen Gruppe zu vertreten.

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