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Digital In Arbeit

BTX:Warten auf den Abruf

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Eine lange Durststrecke hat der „Volks-Computer” der Post schon hinter sich. Rechtliche Probleme und Angst um Arbeitsplätze sind die Hindernisse für eine offizielle Einführung.

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Eine lange Durststrecke hat der „Volks-Computer” der Post schon hinter sich. Rechtliche Probleme und Angst um Arbeitsplätze sind die Hindernisse für eine offizielle Einführung.

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„Eins, zwei, voll im Bild - alles im Griff. Von zu Haus* aus” und „Bei Anruf tut sich was am Bildschirm”. Mit diesen Slogans warb die Post noch im Vorjahr mit einer knallbunten Informationsbroschüre für eines ihrer, mittlerweile zum Problemkind gewordenen Vorhaben: den Bildschirmtext.

Denn ein Jahr später bleiben die Bildschirme in Österreich noch immer dunkel, ist es noch immer nicht soweit, und die Spirale von Ankündigungen und Verschiebungen dreht sich ein weiteres Mal. Bildschirmtext bitte warten, bitte warten...

Am 1. März 1981 startete die Post- und Telegraphenverwaltung einen Pilotversuch mit 300 Teilnehmern, um Bildschirmtext

- in weiterer Folge BTX genannt

— zu erproben. Zu diesem Zeitpunkt liefen auch in den meisten anderen Ländern Europas BTX-Versuche im Probierstadium. Die Ergebnisse schienen zufriedenstellend, so daß zwei Jahre später der offizielle, erweiterte Bildschirmtextbetrieb beginnen sollte.

Daß es nicht dazu kam, lag in erster Linie daran, daß noch immer ein Bildschirmtextgesetz fehlte und die Arbeiterkammer starke konsumentenschützerische Bedenken äußerte. Die Konsumentenschützer argumentierten, rechtliche Aspekte im Rahmen von Käufen via BTX seien noch völlig ungeklärt: vor allem — und darum kreisen die Verhandlungen bis heute — beim Rücktrittsbzw. Rückgaberecht bei BTX-Be-stellungen.

Die Konsumentenschützer wollen ein solches Rücktrittsrecht generell für alle Branchen und Wa-rehgruppen. Wenn der Konsument zum Beispiel etwas zugestellt bekommt, was er gar nicht bestellt hat (die Kinder kaufen mit BTX stapelweise Videospiele, nachdem sie den Code ihrer Eltern „geknackt” haben usw.) und dann in Beweisnot gerät.

Von seiten des Kreditsektors wird argumentiert, ein generelles Rücktrittsrecht sei in all seinen Folgen noch nicht abschätzbar und könne daher nicht gewährt werden.

Der zweite, noch ungeklärte Punkt im Gezänk um Bildschirmtext ist das sogenannte „Home Banking”. Jeder Teilnehmer, der sein Bankkonto „BTX-tauglich” macht, kann von zu Hause Transaktionen, Buchungen und sonstige Dispositionen durchführen. In diesem Punkt spielt seitens der Gewerkschaft das Arbeitsplatzargument die entscheidende Rolle. Man fürchtet, daß aus dem technischen „Knüller” ein „Job-Killer” werden könnte. Ganze Bankzweigstellen würden aufgelöst, weil „Home Banking” gerade auf die sogenannten Routinebearbeitungen eines Kontos angelegt ist.

Die Gewerkschafter fürchten darüber hinaus die Auslagerung von Arbeitsplätzen („Heimarbeit”). Sie wollen daher diese spezielle Form des Bankwesens erst nach entsprechenden Abmachungen mit dem Bankensektor freigeben. Im Klartext, so Norbert Knittel von der Arbeiterkammer: Bildschirmtext dürfe im Banksektor nicht abrupt eingeführt und den Betriebsräten müsse ein Mitspracherecht zugestanden werden.

Die Banken wiederum argumentieren, ihr Geschäft baue auf die persönliche Betreuung und BTX könne daher den direkten Kundenkontakt keineswegs ersetzen. Die Ausbildung der Bankangestellten müsse sich eben ändern.

Trotz spärlicher Informationen von den Sozialpartnern gilt aber nunmehr in der Gerüchteküche als sicher, daß sowohl die Frage des Rücktrittsrechts als auch die des „Home Banking” in den nächsten Wochen gelöst werden. Ungeklärt bleibt hingegen noch die Frage der Haftung bei technischen Problemen auf seiten der Post.

Stolz ist man allerdings bei der Post darauf, als einziger Bildschirmtext-Anbieter die Frage des persönlichen Datenschutzes technisch gelöst zu haben. Mittels Knopfdruck kann sich ein Benutzer entscheiden, ob er anonym oder identifiziert im System „herumblättern” will und sich z. B.

Seiten mit Angeboten bloß ansieht. Einzige Einschränkung dabei: Seine Spuren verwischen kann der BTX-Benützer nur bei Seiten, für die keine Abruf-Gebühren durch den Anbieter verlangt werden...

Die Post - sie nimmt bei den Sozialpartnerverhandlungen die Position eines „technischen Aufklärers mit Wohlverhalten” (Generaldirektor Josef Sindelka) ein — hat noch mit einem zweiten Problem zu kämpfen. Die Umstellung der „Mupids” (siehe Kasten) auf den sogenannten europäischen CEPT-Standard: das sind einheitliche Normen, auf die sich die europäischen Postminister geeinigt haben. Der kostenlose Austausch der „Mupids” kostete die Post bis jetzt mehr als 100 Millionen Schilling.

Das CEPT-System bietet einen höheren Komfort für den Benutzer sowie mehr technische Möglichkeiten und die Voraussetzung für einen grenzüberschreitenden Bildschirmtext-Verkehr. Auf dieses neue System setzen auch die Anbieter. Sie sind mit den bisherigen technischen Möglichkeiten „mehr oder weniger zufrieden” gewesen (Anton F. Gatnar, Präsident der Anbietervereinigung).

Beim neuen „Mupid” handelt es sich um österreichische Hochtechnologie. Entwickelt wurde das Gerät an der TU Graz.

Interesse notwendig

Trotz dieser relativ bequemen technischen Lösung mußten die BTX-Erwartungen für den privaten Gebrauch ähnlich wie in der Bundesrepublik Deutschland — stark zurückgeschraubt werden. Zu groß ist noch die Hemmschwelle der Fernsehbesitzer, ein Medium aktiv zu nutzen, statt sich wie bisher passiv zu verhalten. Das zeigt sich auch im Nutzungsverhalten beim bisherigen BTX-Versuch der Post. Derzeit beteiligen sich daran 3.200 Nutzer. 672 davon sind Anbieter (rund ein Drittel aus dem Bank- und Versicherungswesen) der Rest Konsumenten.

Verunsichert wurden die Anbieter inzwischen aber durch die ständigen Verschiebungen des BTX-Regelbetriebs, so daß viele Firmen nicht mehr bereit sind, weiter zu investieren. Andererseits ist das österreichische BTX-System auf ein breites Publikum angelegt. Solange es kein komplettes Angebot der Anbieter gibt, wird BTX nicht attraktiv genug für den privaten Benutzer. Andererseits rentiert sich dieses System auch nur dann, wenn es ein großes Interesse an den Informationen gibt, die auch tatsächlich verwendet und letztlich auch bezahlt werden müssen.

Derzeit stehen 1.500 Interessenten auf der Warteliste der Post. 830 liegen fix und fertig einsatzbereit in der Schublade und warten auf Abruf...

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