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Budget 86: Was tun?

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„Rigoros sparen” will Finanzminister Franz Vranitzky bei der Erstellung des Budgets des kommenden Jahres in erster Linie, um das Ärgste zu verhindern. Sein Regierungschef Fred Sinowatz kann trotzdem .jetzt noch nicht sagen” (siehe „Kurier” vom 23. April), ob das Horrordefizit von 150 Milliarden, das die erste Addition der Ressortwünsche ergab, nur eine schaurige Schrift an der Wand bleibt (zum Vergleich: 1985 ist ein Bruttodefizit von 94 Milliarden budgetiert).

Knapp drei Monate vor dem Beginn der Minister-Vorverhandlungen unterscheidet sich die Diskussion über das kommende Budget von der vorangegangener Jahre. Vor allem dadurch, daß man diesmal erst gar nicht von einer „Konsolidierung” faselt.

Nach nur zwei Jahren ist die defizitbremsende Wirkung des Mallorca-Pakets, das uns immerhin zusätzliche 30 Milliarden Schilling aus den Börsein holte, offensichtlich völlig verraucht. Zu schwer wiegt die strukturelle Komponente. Oder populärer ausgedrückt: Die Vergangenheit, die Altbundeskanzler Kreisky in dem bekannten Satz „ein paar Milliarden Schilling zusätzliche Schulden sind mir lieber als zusätzliche Arbeitslose” zusammenfaßte, holt uns nun endgültig ein.

Außerdem rächt sich jetzt, daß nicht nur Jahr für Jahr neue Schulden gemacht wurden, sondern daß man auch die Rückzahlung der alten Schulden immer wieder aufgeschoben („tilgungsfreie Jahre” vereinbart) hat. Allein für die Bedienung der Staatsschuld (also für die Rückzahlung der Schulden und für die Zinsen) wird der Finanzminister im kommenden Jahr gut 20 Milliarden Schilling mehr ausgeben müssen.

Nach den Berechnungen des (sozialpartnerschaftlich besetzten und daher ohnehin sehr vorsichtigen) Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen und anderer Budgetexperten wird der Schuldenaufwand aber auch in den Jahren danach die am raschesten wachsende Ausgabenposition bleiben:

Bis Ende dieses Jahrzehnts werden die Staatsschulden von derzeit 470 auf über 800 Milliarden Schilling und die Belastung des Budgets mit Zinsen und Tilgungen von heuer 74 auf über 130 Milliarden Schilling gewachsen sein. Jeder fünfte Budgetschilling wird für die Bedienung der Staatsschulden verwendet werden müssen, die dann pro Haushalt eine Höhe von 300.000 Schilling erreichen.

Zum großen Brocken Schuldendienst kommen der Einnahmenausfall aus der Senkung der

Zinsertragssteuer und der Änderung des Finanzausgleichs, die Kosten der beschlossenen Umweltschutzmaßnahmen (Prämie für Katalysatorautos, etc), Zuschüsse zu den CA-Konzernbe-trieben, zur Verstaatlichten Industrie und zu den Bundesbahnen sowie ein weiterer Anstieg der Personalkosten des Bundes und der Zuschüsse- zur Sozialversicherung.

Eine einnahmenseitige Kompensation des gegenüber 1985 zusätzlichen Finanzbedarfs ist nicht nur deswegen nicht möglich, weil die Regierung mehrmals in Erklärungen weitere Steuererhöhungen für diese Legislaturperiode ausgeschlossen hat, sondern auch weil der — bei einer Belastung des Volkseinkommens mit 42 Prozent Steuern und Abgaben — verständlicherweise wachsende Steuerwiderstand nur politischen Ärger, aber kaum mehr zusätzliche Einnahmen bringt.

Alle ernstzunehmenden Budgetfachleute sind sich darum einig, daß es zu einer dauerhaften Sanierung des Budgets nur über umfangreiche Kürzungen der Ausgaben kommen kann. Gleichermaßen sind sie sich aber auch darüber einig, daß das ein Vorhaben für mehrere Jahre ist und im kommenden Jahr tatsächlich kaum die Chance zu einer Konsolidierung, geschweige denn zu einer Sanierung besteht.

Nichts wäre freilich verfehlter, als deshalb der Einfachheit halber 1986 noch einmal die Budgetzügel schleifen zu lassen. Die zentrale Aufgabe des Finanzministers wird es sein, trotz der ungünstigen Rahmenbedingungen ein Budget zu erstellen, das wenigstens in den Folgejahren die dann unaufschiebbare Sanierung nicht behindert.

Es hätten, wie Experten errechneten, beispielsweise die bescheidenen Einsparungsvorschläge der ÖVP (Reduktion des Personalstandes jährlich um ein Prozent, gleichbleibender Anteil der direkten Investitionsförderung an den Budgetausgaben, real gleichbleibender Zuschuß zu den OBB und den Bundestheatern) von 1978 bis 1985 Einsparungen von 95 Milliarden gebracht.

Es stellt sich angesichts dieser Zahlen daher die Frage, ob es ausreicht, wenn, wie in den Budgetrichtlinien 1986 vorgesehen, die an sich lobenswerte sogenannte „Nullbudgetierung” (zero base budgeting — dabei werden die Ausgaben des Vorjahres nicht einfach fortgeschrieben, jede. Ausgabe muß neu begründet werden) nur für bestimmte Budgetpositionen und nicht für das gesamte Budget verpflichtend vorgeschrieben wird.

Zwei Jahre nach Kreisky wäre es hoch an der Zeit, eines seiner zahlreichen unerfüllten Versprechen einzulösen: „Wir drehen jeden Tausender zweimal um, bevor wir ihn ausgeben...”

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