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Budget en rose

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Die besondere Konstellation der Mehrheitsverhältnisse ln der leisten Legislaturperiode hinderten Finanz- minister Dr. Androsch daran, einen „sozialistischen“ Rundesvoranschlag im Parlament einzubringen. Das hat ihn und seine Partei wiederholt sagen lassen, daß sozialistische Budgetpolitik erst dann einsetzen könne, wenn sie im Parlament über eine ausreichende Mehrheit zur Durchsetzung ihrer gesellschaftspolitischen Wertvorstellungen besitze.

Nun verfügt die Sozialistische Partei über eine solche Mehrheit. Hat ihr Finanzminister deshalb auch ein von sozialistischen Vorstellungen durchtränktes Soll-Budget vorgelegt? Sicherlich, dieser Bundesvoranschlag ist gesellschaftspolitisch nicht wertfrei, sozialistisch ist er auch nicht, „gut“ im ökonomischen Sinn, also konjunkturgerecht, leider schon gar nicht. Auf den ersten Blick hat dieser Bundesvoranschlag für das kommende Jahr einen sogenannten „konjunktumeuitralen“ Zuschnitt. Das heißt: die Einnahmen und Ausgaben wachsen in der Höhe der prognostizierten Rate des nominellen Wachstums des Bruttosozialprodukts von neun Prozent. Reinigt man beide Seiten des Budgets von den Ausgaben und Einnahmen, die sich aus den Bundesbetrieben, der Postsparkasse und den Überrechnungen zwischen einzelnen Budgetkapiteln (Durchlaiuferposten) ergeben, so muß die Qualifikation dieses Bundesvoranschlages als „kon- junktumeutral“ leider fallangelassen werden. Auf beiden Seiten sind die Steigerungsraten höher als die erwartete Wachstumsrate des nominellen Bruttosozialprodukts. Das ist insofern sehr bedauerlich, als dadurch von diesem Budget zusätzliche expansionistische Effekte auf die heimische Wirtschaft ausgehen, was im Klartext heißt, daß dieses Soll- budiget die Inflation weiter anheizt.

Finamzminister Dr. Androsch scheint sich trotz der erläuternden Bemerkung in seiner Budgetrede über den „außerordentlich unsozialen Charakter einer inflationären Entwicklung“ dieser Tatsache durchaus nicht bewußt zu sein. Im Gegenteil: sein Bundesvoranschlag kalkuliert mit einer Inflationsrate von fünf Prozent auch im kommenden Jahr als unverrückbares Datum der wirtschaftlichen Entwicklung. Doktor Androsch sagt das auch sehr offen, wenn er einmal von einem realen Wachstum der österreichischen Wirtschaft von etwas mehr als vier Prozent spricht und kurz darauf meint, daß er im nächsten Jahr mit einer nominellen Zuwachsrate des Bruttosozialproduktes von etwa neun Prozent rechne.

Dabei dürfte die der Aufstellung des Bundesvoranschlags zugrunde gelegte Wachstumsrate von real vier Prozent um einiges zu optimistisch sein,, was die Qualifikation eines „Budgets en rose“ zuläßt. An- droschs Optimismus basiert auf der Prämisse, daß sich die österreichische Konjunkturentwicklung von der bundesdeutschen Konjunkturentwicklung abgesetzt habe, weshalb die Tatsache einer für die Bundesrepublik Deutschland geschätzten Zunahme des realen Bruttosozialprodukts von bloß ein Prozent im kommenden Jahr für die heimische Wirtschaft irrelevant sei. Diese Deutung ist geradezu waghalsig, berücksichtigt sie doch nicht den Umstand, daß bei den sechs wichtigsten westeuropäischen Handelspartnern unseres Landes (BRD, Italien, die Schweiz, die Niederlande, Schweden, Belgien, Großbritannien) die prognostizierte Wachstumsrate des realen Bruttosozialprodukts unter der Österreichs liegen wird. Angesichts der so starken außenwirtschaftlichen Verflechtungen und der Bedeutung der Exportwirtschaft als einer der wichtigsten Stützen der heimischen Konjunktur ist es wirtschaftspolitischer Hasard, zu hoffen, die österreichische Konjunktur werde über weite Strecken des kommenden Jahres eine sehr eigenständige Entwicklung durchmachen. Hier scheint die Budgetpolitik Dr. Andros chs — ob das nun bewußt geschieht oder nicht — einen durchaus sozialistischen Zuschnitt zu besitzen. Der Finanzminister gibt dies auch in seiner Budgetrede zu: Zwar ist die inflationäre Entwicklung unsozial, aber die „Regierungspartei hat nie Zweifel daran gelassen, daß die Stabilisierungsbemühungen nicht zu Lasten öffentlicher Investitionen gehen können“.

Hier bietet sich für die beiden Oppositionsparteien eine lange Reihe von Gelegenheiten zur Kritik. Recht gut dafür geeignet scheint auch die Tatsache zu sein, daß die in der Regierungserklärung Kreiskys als Prioritäten genannten Vorhaben kaum überdurchschnittlich dotiert sind. Trotz der Errichtung eines neuen Ministeriums bleibt der Umweltschutz Stiefkind der Budgetpolitik; trotz (oder wegen?) der Errichtung eines neuen Staatssekretariats wurden die Subventionen an die Pamilienverbände kaum in der Höhe der erwarteten Inflationsrate zusätzlich dotiert; obwohl der neue Unterrichitsminister Dr. Sinowatz gleich nach seiner Bestellung durch den sozialistischen Parteivorstand versichert hat, er werde der Erwachsenenbildung Vorrang einräumen, wurden die Budgetansätze dafür nur um zwei Millionen Schilling erhöht; die budgetäre Dotation der Schülerfahrtsbeihilfen liegt um fast 500 Millionen Schilling unter dem errechne- ten Aufwand; der Personalaufwand für das Wissenschaftsministerium steigt beträchtlich stärker als die Ausgaben für das Unterrichts-, Wissenschaft- und Forschungswesen; das ohnedies Viel zu gering dotierte Hochschulbudget wurde um kaum zehn Prozent angehoben; die Ausgaben für die Landesverteidigung liegen unter der Zuwachsrate der übrigen Budgetausgaben usw.

Freilich wird sich etwa die ÖVP mit ihrer Kritik da und dort — etwa beim Landwirtschaftsressort — ln kluger Selbstbeschränkung üben müssen. Denn hier setzte der Finanzminister etwa bei der Dotation der Bergbauem (ohne Ausgabenlbe- schränkumg beim Grünen Plan) für die SPÖ recht zukunftsträchtige Akzente, und bewies damit letztlich, daß die Agrarpolitik der ÖVP in den letzten Jahren nicht immer auf die ökonomischen und gesellschaftlichen Probleme innerhalb der Landwirtschaft ausreichend Rücksicht genommen hat.

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