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Budget-Schlappe für Labour: Jetzt totale Konfrontation?

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Die Labour-Regierung hat in der Vorwoche eine schwere Abstimmungsniederlage im Unterhaus erlitten: Sowohl die Ulster-Unio-nisten wie auch die Liberalen stimmten gemeinsam mit den Konservativen in einer wichtigen Steuerfrage mit 312 zu 304 Stimmen gegen Premier Callaghan. Obwohl diese Senkung des Proportionalsatzes der Einkommensteuer auf 33 statt der von Schatzkanzler Healey vorgeschlagenen 34 Prozent kein übergroßes Loch in sein Budget reißen wird (rund eine Milliarde Schilling im laufenden Jahr), hat diese Niederlage grundsätzliche Bedeutung.

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Die Labour-Regierung hat in der Vorwoche eine schwere Abstimmungsniederlage im Unterhaus erlitten: Sowohl die Ulster-Unio-nisten wie auch die Liberalen stimmten gemeinsam mit den Konservativen in einer wichtigen Steuerfrage mit 312 zu 304 Stimmen gegen Premier Callaghan. Obwohl diese Senkung des Proportionalsatzes der Einkommensteuer auf 33 statt der von Schatzkanzler Healey vorgeschlagenen 34 Prozent kein übergroßes Loch in sein Budget reißen wird (rund eine Milliarde Schilling im laufenden Jahr), hat diese Niederlage grundsätzliche Bedeutung.

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Nicht nur, daß es sich beim Budget um eine Frage des „Vertrauens und der Autorität zum Regieren“ handelt - so ein konservativer Spitzenpolitiker -, das Beispiel könnte Schule machen und die Opposition darangehen, der Regierung Stück für Stück das Budget abzuändern. Dies käme einem Mißtrauensvotum gleich und müßte konsequenterweise den Premier veranlassen, umgehend Neuwahlen auszuschreiben. Dies werden jedoch erst die nächsten Wochen der Budgetverhandlungen zeigen. Tatsache ist, daß die Regierung schwer angeschlagen ist. Auch die verschiedenen Wahlen, die in letzter Zeit stattfanden, haben das gezeigt.

Sowohl die Nachwahlen in Ilford North, Lambeth Central, Garscadden, Epsom und Wycombe sowie die jüngst abgehaltenen Lokal- und Kommunalwahlen lassen darauf schließen, daß der Regierungspartei der Wind ins Gesicht bläst, die Konservativen hingegen im Vormarsch sind und die Liberalen sich in einer äußerst prekären Situation befinden: Sie rutschten in Ilford North von 16,6 auf fünf Prozent und mußten abermals den dritten Platz an; die rassistische ,.National Front“ abgeben.

Bei den Lokal- und Kommunalwahlen waren die Verluste der Regierungspartei zwar nicht besonders stark, dennoch ist festzuhalten, daß die Konservativen stellenweise beachtli--che Erfolge erzielen konnten (vor allem in London), während Labour einige wichtige Städte halten konnte (vor allem im Norden wie in Manchester oder Newcastle).

Bemerkenswert ist auch das relativ schlechte Abschneiden der schottischen Nationalisten (SNP), wobei vor allem die Labour-Partei davon profitierte. Der Grund dafür: Die Regierung beschloß vor kurzem die Möglichkeit der Einführung einer Teilautonomie, wodurch die „Lebensberechtigung“

der SNP für viele stark gesunken ist. Denn das Ziel der schottischen Nationalisten ist damit weitgehend erreicht und die Bewältigung nationaler Probleme - etwa der Arbeitslosigkeit oder Inflation - traut der Wähler zurecht eher den großen überregionalen Parteien zu.

Gerade die jüngste Schlappe im Parlament hat deutlich gemacht, wie sehr Callaghan auf den Pakt mit den Liberalen angewiesen war und (noch) ist. Doch gerade den Liberalen hatte dieses Bündnis bislang nur Mißerfolge eingebracht, weil die Wähler - wie in anderen Ländern auch - bei kleinen Koalitionen eher dazu neigen, den „Seniorpartner“ zu stärken. Die Liberalen - das haben innerparteiliche Kritiker des Parteiführers Steel immer wieder betont - warten nur auf eine günstige Gelegenheit, um noch rechtzeitig, vor den nächsten Wahlen aus der verhängnisvollen Umklammerung durch die Labour-Partei auszubrechen. Dazu könnte das Budget ein durchaus geeigneter Vorwand sein.

Callaghan ist mit dem Budget, das er auch gezielt als Wahlkampfinstrument einzusetzen gedenkt, in letzter Zeit besonders intensiv beschäftigt. Der Premier und sein Schatzkanzler Healey sind damit bis zur vorwochigen Abstimmungsniederlage erfolgreich vorangekommen. Denn die allmähliche wirtschaftliche Erholung, die Forderungen der Liberalen und die Verlok-kung, in einem Wahljahr auch einige Wahlgeschenke verteilen zu können, haben dazu geführt, daß das neue Budget durch eine Reihe interessanter Steuererleichterungen gekennzeichnet sein wird. Damit wurde den Konservativen auch ein wichtiges Wahlkampfthema teilweise entzogen. Darum sprechen sie sich auch weniger gegen den Umfang, sondern vielmehr gegen die Strukturierung der Maßnahmen aus.

Die Konservativen stört in erster Li-

nie, daß die unter Callaghan deutlich nach rechts gerückte Labour-Partei Steuererleichterungen für Klein- Und Mittelbetriebe sowie im Rahmen der Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand vorsieht! Dazu kommt, daß die jüngsten Probleme nicht nur zu einer Solidarisierung innerhalb der Labour-Partei geführt haben (der linke Flügel verhält sich derzeit mustergültig ruhig), sondern sich auch die Gewerkschaften trotz starker Lohndisziplin deutlich zurückhalten. Es gab etwa im ersten Quartal 1978 um 30 Prozent weniger Streiks als im gleichen Zeiträum des Vorjahres.

Trotz der für die Labour-Partei beunruhigenden Erfolge der Konservativen, wäre es falsch, voreilig Schlüsse zu ziehen. Nicht nur weil Callaghan nach wie vor einige starke Trümpfe in der Hand hat. Das Wahlverhalten der Briten zwischen Nach- sowie Regional wählen und Gesamterneuerungswah-len ist traditionell sehr unterschiedlich.

Sehr viel wird davon abhängen, ob die Regierungspartei die Budgetdebatte übersteht. Callaghan muß darauf ächten, daß ihm nicht das Gesetz des Handelns entrissen wird. Er hat das Recht zu bestimmen, wann die nächsten Wahlen stattfinden werden. Daß die Liberalen in ihrem derzeitigen Tief keinesfalls an Wahlen interessiert sind, ist klär. Man kann daher annehmen, daß Steel mithelfen wird, die Regierung vorläufig noch am Leben zu lassen und anderseits seine „Unabhängigkeit“ von der Labour-Partei durch gelegentliche Durchbrechungen des Paktes in Fällen zu praktizieren, in de nen es der Regierungspartei nicht allzu weh tut. Steel ist um diese Aufgabe nicht zu beneiden: Die Konservativen müssen schließlich keine derartigen Rücksichten pflegen und sie haben -gestärkt durch den Genossen Trend -auf totale Konfrontation geschaltet

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