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Bücher aus dem Norden

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Die im 19. und frühen 20. Jahrhundert im deutschen Sprachraum weit verbreitete skandinavische Literatur wurde im Dritten Reich einer einseitigen Auswahl unterzogen. Chancen hatten damals nur alle Autoren mit ausgesprochen „germanischer“ Tendenz oder Schriftsteller wie Han-sum, die sich von der nationalsozialistischen Ideologie verführen ließen. So ist der Entschluß der Deutschen Verlagsanstalt zu begrüßen, nordische Klassiker und

„Monumente der Menschheit“

Am 15. Mai 1979 läuft die Bestellfrist für die sechsbändige Serie „Monumente der Menschheit“ zum ermäßigten Subskriptionsangebot endgültig ab. Aus diesem Grund liegt der heutigen Ausgabe ein ausführlicher Prospekt mit Subskriptionskarte bei. Mit dieser Karte können Sie einen Band der Serie „Monumente der Menschheit“ kostenlos zur Ansicht anfordern. Sollte diese Beilage fehlen, fordern Sie bitte das Informationsmaterial kostenlos an bei Andreas & Andreas, Verlagsbuchhandel, Hans-Seebach-Straße 10, 5020 Salzburg.

Gegenwartsautoren wieder in deutschen Übersetzungen zugänglich zu machen.

Da ist zuerst die Gesamtausgabe des schmalen erzählerischen Werkes des Dänen Jens Peter Ja-cobsen (1847-1885) zu erwähnen, der vor und nach dem Ersten Weltkrieg - besonders mit seinem Roman „Niels Lyhne“ und den Erzählungen „Mogens“ und „Frau Fönns“ - literarisch interessierte Leser ebenso begeisterte wie Hesse mit seinem „Demian“. ' Eine Renaissance, wie sie Hesse beschieden war, ist für J. P. Ja-cobsen kaum zu erwarten, was freilich nichts mit seinem literarischen Niveau zu tun hat. Jacob-sen beeinflußte mit seinen feinnervigen Charakteranalysen und landschaftlichen Stimmungsbildern nachhaltig den europäischen Impressionismus. Er war ein „Realist des Seelischen“, ein durch seine Tuberkulose vom unmittelbaren Leben Ausgeschlossener; vom Zwiespalt zwischen Phantasie und Wirklichkeit gequält. Viele Widersprüche gibt es in seinem Wesen, gleichbleibend ist nur die „große Traurigkeit des Alleinseins“, die Krankheit auch unserer Zeit.

Ein zweiter Däne, Martin A. Hansen (1909-1955), wird mit seinem letzten Roman „Der Lügner“ vorgestellt. Ein, durch seine tiefgründige Auseinandersetzung mit der Zeit in seinem belletristischen und essayistischen Werk, weit über die Grenzen seiner Heimat bekanntgewordener Schriftsteller. Hansen steht in seinen existentiellen Fragestellungen Kierkegaard und Dostojewski nahe. Der Mensch im Spannungsfeld zwischen Gut und Böse, der Kampf gegen die Sinnlosigkeit des Daseins, aber auch eine gewisse Zivilisationsfeindlichkeit sind seine Hauptthemen. Diese ist es, die den Helden des vorliegenden Buches, den Lehrer und Küster Johannes Vig, zur Flucht auf eine einsame Insel treibt. Er leidet zunächst an seiner Fremdheit und Einsamkeit, und I gerät in allerlei Irrungen und Wirrungen. Schuldhafte Verstrik-kungen führen Johannes Vig am Ende aus Resignation und Hoffnungslosigkeit in die Erfahrung, auf seiner Insel eine Aufgabe zu erfüllen zu haben. Dies wird zum Ausgangspunkt der Selbstfin-dung, um die es letztlich in diesem Buch geht.

Neben hintergründigen Reflexionen über Gott und die Menschen gibt es in Hansens Roman lebendige Naturschilderungen, gewaltig in ihrer Aussagekraft. Die poetische Begabung des Autors ist nicht geringer als sein Denkvermögen.

Von dem Schweden Ivar Lo-Johannsson liegt der berühmte Roman „Kungsgatan“, erstmals 1950 in deutscher Ubersetzung erschienen, nun in einer Neuauflage vor. Wie im Gesamtwerk des schwedischen Arbeiterschriftstellers spielt auch in diesem Buch die Landflucht eine bedeutende Rolle, verknüpft mit den Gefährdungen der hilflosen Entwurzelten in den großen Städten. Auf der Kungsgata, dem „Stockholmer Kurfürstendamm“, landen viele naive schöne Landmädchen als Prostituierte. Kaum eine - Lo Johannsson schildert viele Schicksale - entgeht dem Verderben; Armut, Elend und Verzweiflung stehen am Ende des verhängnisvollen Weges. Nur einem der einfachen Menschen gelingt es schließlich, Boden unter den Füßen zu finden. Nicht, wie erhofft, als wohlbestallter Beamter, sondern als Arbeiter, der durch die Freundschaft mit einem alten Steinmetz soziale Verantwortung für seine Gesellschaftsschicht übernimmt.

In unseren Regionen spielt die Arbeitswelt in der Literatur eine viel zu geringe Rolle. In dem vorliegenden Buch nimmt sie den ihr gebührenden Platz ein. Obwohl 1935 erstmalig in Schweden erschienen, ist das Buch heute noch lesenswert.

Der vierte Band der Reihe „Bücher aus dem Norden“ stellt den finnischen Gegenwartsautor

Antti Hyri vor, von dem in deutscher Übersetzung bisher nur einige Erzählungen erschienen sind.

Hyri ist ein Vertreter des neuen Realismus der modernen finnischen Literatur, der konkret und unsentimental, Ereignisse seiner alltäglichen Umwelt schildert. Die Welt der Kindheit, die Erfahrungen Jugendlicher, gehören zu seinen bevorzugten Themen. So auch in dem hier vorliegenden Roman „Ein Vater und sein Sohn“.

Die festgefügte, geordnete Welt des dreizehnjährigen Pauli gerät durch den Tod seiner Mutter aus den Fugen. Sein Vater will wieder heiraten; Pauli wird schwerkrank und erst wieder gesund, nachdem die fremde Frau sein Elternhaus verläßt. Langsam wieder wachsendes Vertrauen zwischen Vater und Sohn schafft die Basis für die weitere Entwicklung des Halbwüchsigen in vorgegebenen Bahnen. Zurückhaltend, ein wenig spröde, ja kühl, mit viel Verständnis für psychische Vorgänge, wird hier ein Schicksal in seinen Anfängen verfolgt.

DAS ERZÄHLERISCHE

WERK. Von Jens Peter Jacobsen. Aus dem Dänischen übertragen von A. O. Schwede. 520 Seiten. öS 220,20.

DER LÜGNER. Roman. Von Marin A. Hansen. Aus dem Dänischen übertragen von A. O. Schwede. 188 Seiten. öS 146,40.

KUNGSGATAN. Roman einer Straße. Von Ivar Lo-Johannsson. Aus dem Schwedischen übertragen von Egon Kötting. 487 Seiten. öS 220,20.

EIN VATER UND SEIN SOHN. Roman. Von Antti Hyri. Aus dem Finnischen übertragen von Rudolf Semrau. 196 Seiten. öS 156,40.

Alle erschienen in der Reihe „Bücher aus dem Norden“ der Deutschen Verlagsanstalt Stuttgart, 1978 und 1979.

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