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Bücher, die ich schenke

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Wolf gang Leonhard, gebürtiger Wiener, als junger Mann Kommunist, der dann aber mit der Partei brach und sich von der DDR in den Westen absetzte, gilt als einer der fundiertesten Kenner des Marxismus und Sowjetkommunismus. Sein neuestes Buch „Dämmerung im Kreml — Wie eine neue Ostpolitik aussehen müßte" (Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart) ist eine gut formulierte Analyse der heutigen Sowjetrealität, in der die wesentlichsten innen- und außenpolitischen Entwicklungen der UdSSR untersucht werden. Und wie stellt sich der jetzt an der renommierten amerikanischen Yale-Universität lehrende Professor eine neue Ostpolitik vor? Eine realistische Politik gegenüber der Sowjetunion, die weder von primitivem Anti-kommunismus noch von illusionärer Entspannungseuphorie geprägt ist.

„Mens sana in corpore sano" hieß es bei den Römern: man soll sich sowohl um geistige Entfaltung als auch um körperliches Wohlbefinden bemühen. Beides ist auch dem amerikanischen Mediziner Kenneth H. Cooper in seinem neuen — deutsch „Dr. Coo-pers Gesundheitsprogramm" (Droemer Knaur-Verlag München) betitelten - Buch ein Anliegen.

Cooper, einst Wegbereiter der Jogging- und Aerobic-Welle (ohne deren modische Auswüchse), geht es um ausreichende Bewegung, richtige Ernährung und seelisches Gleichgewicht. Sein Buch ist allen Fit-Sportlern (deren Tun hier wissenschaftlich untermauert wird) und mehr noch allen, die es werden wollen, ein unerschöpflicher Ratgeber.

Ein Buch mit guten Voraussetzungen, den Leser für zwei, drei Stunden dem Heute zu entfremden, hat Gunther Martin übersetzt, bearbeitet, kommentiert: „Als Victorianer in Wien - Erinnerungen des britischen Diplomaten Sir Horace Rumbold" (österreichischer Bundesverlag Wien). Martin wartet unter anderem mit so charmanten Entdeckungen wie einem Foto Kaiser Franz Josephs mit britischem Garde-Tschako auf, einem „recht .unkakanischen' Anblick". Das „victorianische Austriacum" macht durch den Blickwinkel des in Kalkutta geborenen, als junger Mann und dann wieder im hohen Alter in Wien stationierten Diplomaten auch dem Wiener manches besser begreiflich.

Ich empfehle aus dem unüberschaubaren Angebot dieses Winters Herwig Wolframs „Botschaften aus dem Meer ob der Enns" (Böhlau-Verlag, Wien).

Wer sich nur ein bißchen dafür interessiert, wie es bei uns aussah, bevor wir Österreich wurden, wird von den mitunter kriminalistisch entschlüsselten „Botschaften" ebenso begeistert sein.

Das gleiche gilt für den, der sich an den gezeigten Kunstschätzen ergötzt und von den Botschaften die Anregung nimmt, ihnen im Kunsthistorischen Museum in Wien, im Stift Kremsmünster und an anderen Orten nachzuspüren.

Ich hatte schon mehrere Interviews von ihr gelesen und war von ihren Äußerungen betroffen. Heuer ist nun auch ihr erstes Buch in deutscher Sprache erschienen: „Von Gott zu reden, ist gefährlich" (Verlag Herder, Freiburg). Tatjana Goritschewa, eine mittlerweile in den Westen abgeschobene russische Dissidentin, erzählt, wie sie, die atheistische Philosophie-Dozentin, zum Glauben fand. Nach Alkoholexzessen und sexueller Ausschweifung kommt sie über Yoga-Ubungen zum „Vaterunser". Und eines Tages, beim Wiederholen des Gebets, wird alles neu. Was sich seit damals in ihrem Leben geändert hat? „Alles", gibt sie zur Antwort.

Das Buch „Häuslerkindheit — Autobiographische Erzählungen" (Verlag Hermann Böhlaus Nachf., Wien) enthält Kindheitserinnerungen alter Männer und Frauen. Ihre Eltern waren ländliche Taglöhner, Dienstboten, Saisonarbeiter zwischen Böhmen und Südtirol, zwischen dem Innviertel und dem Marchfeld. Herausgegeben als dritter Band in der Reihe „Damit es nicht verlorengeht ..." wird hier Alltagsgeschichte miterlebbar, werden Lebenswelten und Erfahrungshorizonte deutlich, wie sie einem heute unvorstellbar erscheinen. Und wie sie von Kindern als den Schwächsten in den Hof- und Dorfgemeinschaften wohl am stärksten erlebt wurden.

Seinen Federstrich formt, virtuos sogar, was ihm tagtäglich gegen den Strich geht. Spitz wie der Schnabel seines frechen Vogels — Markenzeichen und Lieblingstier zugleich - zeichnet er unvergängliche Wahrheit von der Vergänglichkeit des Tages. Er hat kaum Schwierigkeit, vom Publikum verstanden zu werden, zu dem auch die FURCHE-Leser gehören: Dieter Zehentmayrs Buch „getuscht und gefedert" (vogeltreu in „fink's verlag" erschienen) beschert über 300 Karikaturen, das Beste von 1980 bis 1984 aus Politik und Kultur, das Neueste über Grün und Umwelt. Ich mag seinen tiefsinnigen Humor, seine gebremste Bosheit, die aber nie verletzt.

Das wichtigste Buch des Jahres war für mich das Werk von Alexander Demandt, „Der Fall Roms — Die Auflösung des römischen Reiches im Urteil der Nachwelt" (Verlag C H. Beck, München). Es beleuchtet am klassischen Beispiel das Wesen historischer Prozesse und formuliert an Hand von Fakten die Fragen: Gibt es das, was wir Untergang nennen? Bemerken die Zeitgenossen, was vorgeht? Wie wird die große Verwandlung von der Nachwelt gesehen? Ich würde Professor De-mandts Buch jenen Freunden schenken, die sich selbst als agierende Figuren des historischen Prozesses begreifen.

Wenn sich im Sommer Dutzende vor allem junge Menschen in den hellen Räumen eines kleinen venezianischen Palazzo drängen, kennen wohl die meisten zumindest ein Stück der illustren Geschichte von Peggy G., der Schöpferin dieses modernen Museums. Wer aber waren die anderen Guggenheims, die zu Beginn des Jahrhunderts aus der Schweiz in die USA auswanderten und dort mit einem Minenimperium zu einer der bedeutendsten Gründerdynastien Amerikas aufstiegen? Die Familiengeschichte der „Raubritter und Menschenfreunde" von John H. Davis erscheint (im Schweizer Verlagshaus) zu einem Zeitpunkt, wo das Reagan-Amerika eine neue sagenhafte Gründerwelle erlebt.

Wer immer in einer Wochenzeitung mit der Illustration von Beiträgen beschäftigt ist, wer, wie im Fall der FURCHE, gelegentlich erfolglos nach Illustrationen für abstrakte, sperrige Artikel Ausschau hält, dem bleibt oft nichts anderes übrig, als in alten Fotobänden von Franz Hubmann nachzuschlagen. Hubmanns Fotografien sind zeitlos und von brennender Aktualität zugleich. Und seine Schwarzweiß-Bilder beeindrucken am tiefsten..

Auswahl und Qualität des jüngsten Fotob^ndes von Franz Hubmann (Zeitgenossen, Zeitgenossen, Herold Verlag, Wien 1984) lassen keinen Wunsch offen.

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