Kleider machen Leute — der ironische Satz, der auf den Unterschied zwischen Schein und Sein aufmerksam machen wollte, hat mit der Veränderung der Mode seine Gültigkeit verloren. Die Mächtigen der Welt tragen Pullover und Blue-Jeans und legen Wert darauf, auch in der Öffentlichkeit im schlichten Gewand zu erscheinen. Die alte, resignierte Weisheit kann heute in einem neuen, nicht mehr ironisch gemeinten Sinn korrigiert werden.
Kleider machen Leute? Nein. Bücher machen Leute.
Je seichter das Geschwätz, umso wertvoller die Konzentriert- heit des guten Buches. Je nachlässiger, ungenauer und also inhaltsloser die Sprache des Alltags, umso gewichtiger die genaue und dichte Ausdrucksweise der anspruchsvollen Literatur. Je größer der Lärm, umso beglückender die Stille des Lesens.
Das Buch kann geistige Inhalte in dichtester Form vermitteln. Und diese Inhalte stehen dem Leser ständig zur Verfügung. In einem Film kann man nicht zurückblättern.
Wer. mit Büchern lebt, weiß mehr und wird obendrein mit jener subtilen Freude belohnt, die uns das Buch als Gegenstand bereitet: Schutzumschlag und Einband, Papier und Druck, Typographie und Bebilderung sprechen eine eigene Sprache. Es ist beglückend, sie zu verstehen.
Deshalb ist es so schön, ein Buch zu verschenken. Das Buch als Geschenk vertieft und formt die geistige Verbindung zweier Menschen. Es ist wertvoller und wertbeständiger als Gold und Juwelen. Jeder Besitz kann verlorengehen außer dem einen, den wir in der Phantasie ständig mit uns tragen.
Die Autoren und Leser aller Zeiten bilden eine einzige Menschenkette, eine sanfte Allianz, eine Gemeinschaft, die begriffen hat, daß das Kleinste und das Größte miteinander verbunden sind. Sie vermag es, aus den kleinen Schriftzeichen des Alphabets eine ganze Welt zu schaffen. Diese innere Welt trotzt jeder Gefahr, ja sie hilft, auch die äußere zu bessern.
