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Bürgerliche Parteien rüsten zum Endspurt

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Das sogenannte „bürgerliche Lager“ ist in Skandinavien ein recht uneinheitliches Gebüde. Zwar erreichen die nicht-sozillistischen Gruppierungen bei den Wahlen immer wieder 50 und mehr Prozent der Stimmen, aber die fehlende Eintracht unter den Parteien hindert häufig die Machtübernahme und ließ sozialdemokratische Minderheitskabinette zur Regel werden. Schweden hat im vergangenen Herbst mit dieser Tradition gebrochen, Norwegen soll im September folgen.

Schon seit zwei Jahren arbeitet die „bürgerliche Regierungsalternative“ auf den Stichtag 12. September hin. Sie ist Ausdruck des Zusammenarbeits-Willens der drei größten Oppositionsparteien, der konservativen „Hörye“, der Zentrumspartei und der Christlichen Volkspartei. Sie stellen derzeit im Storting 70 Abgeordnete, um acht zu wenig für die absolute Mehrheit. Sieben weitere Sitze werden allerdings von den Vertretern dreier weiterer nicht-sozialistischer Fraktionen besetzt. Der Sozialdemokrat Odd- var Nordli regiert derzeit mit Unterstützung der „Sozialistischen Linkspartei“ und einem einzigen Mandat Vorsprung.

Die Meinungsumfragen sagen ein äußerst spannendes Rennen um die Macht voraus. Die bürgerliche Koalition wird nur dann zum Zug kommen, wenn es ihr gelingt, die Stimmen der Miniparteien aufzusaugen. Schon bei den letzten Wahlen waren 53 Prozent der Stimmen für nicht-sozialistische Gruppen abgegeben worden. Aber viele dieser Stimmen erwiesen sich als verloren, weil der Kandidat, dem sie galten, dann doch den Einzug ins Parlament verpaßte.

Die regierende Arbeiterpartei versucht, an der Einigkeit der bürgerlichen ĄĮter^atiyę zu rütteln. Ihre Taktik ist es, die „Höyre“ von ihren Partnern zu trennen: Kare Willoch, der Chef der Konservativen, benütze die anderen Parteien nur als Steigbügelhalter, nach den Wahlen werde er ihnen seine Politik aufzwingen. Die bürgerlichen Politiker antworten Woche für Woche mit Demonstrationen der Eintracht, die geradezu beschwörenden Charakter angenommen haben.

Es gibt freilich wirklich eine ganze Reihe ungelöster Fragen, in denen die Meinungen der drei Parteien weit auseinanderlaufen. So war die „Höyre“, als Vertreter der Wirtschaft, immer für den expansiven Ausbau der Ölförde- rung vor den norwegischen Küsten eingetreten. Die „Zentrumspartei“ hat sich dagegen zum Sprecher der Naturschützer gemacht und verlangt das Verbot von Bohrungen nördlich des 62.’ Breitegrades. Die Christliche Volkspartei stellt die Wiedereinführung des obligatorischen Religionsunterrichtes und vor allem die Aufhebung der Abtreibungs-Liberalisierung als Bedingung für den Eintritt in eine Regierung. Sie hat die Zusage bekommen, daß die Freigabe des Schwangerschafts-Abbruches rückgängig gemacht werden soll, doch herrschen sehr unterschiedliche Auffassungen darüber, wie das Gesetz dann aussehen müßte.

Auch die Frage nach dem Chef einer bürgerlichen Regierung ist noch ungeklärt. Es wird freüich angenommen, daß der „Höyre“-Chef Willoch sich im Hintergrund halten und nicht nach dem Amt streben wird, das ihm als Führer der größten bürgerlichen Partei zufallen könnte. Vieles deutet auf Lars Korvald, den Chef der Christlichen Volkspartei hin, der schon einmal - vor 1973 - kurze Zeit ein bürgerliches Minderheitskabinett geleitet hat, und der sowohl für Konservative wie für die Zentrumspartei akzeptabel ist.

Die „bürgerliche Regierungsalternative“ hat sich seit zwei Jahren ins Bewußtsein der Bevölkerung eingte- prägt. Das Fell des Bären hat sie längst verteilt. Jetzt muß sie ihn nur noch erlegen. Und das kann eine recht schwierige Aufgabe werden, denn der Bär hat sich in letzter Zeit recht gesund gezeigt. Die Arbeiterpartei steht ohne’ Zweifel v0r iėiHėWWaWėi’folg. Die 32 Mandate, -die! J1979’’gėwrtfnnen- wurden, werden von Nordli und seinem Team mit Sicherheit übertroffen werden. Damals hatte es allerdings auch im Kielwasser der EG-Abstim- mung, bei der die Norweger gegen den Willen der Arbeiterpartei den Anschluß an die Europäische Gemeinschaft ablehnten, eine extrem schlechte Wahl für die Sozialdemokraten gegeben.

Als Triumphator hatte hingegen die „Sozialistische Linkspartei“ die Arena verlassen, die erst kurz vor den Wahlen gegründet worden war - sie ist die Vereinigung einiger Linksgruppen - und auf Anhieb 16 Mandate erreichte. Diesmal wird die Linkspartei viel von ihrem Terrain verlieren. Und die Bürgerlichen hoffen, daß sie mehr verliert, als Nordli dazugewinnt. Denn dann bliebe das sozialistische Lager unter der 50 Prozent-Grenze. Die Arbeiterpartei glaubt freilich, daß sie nach dem 12. September auf die Hilfe von links verzichten werde können. Ihr Wahlziel ist der Gewinn von 16 Sitzen - die absolute Mehrheit.

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