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Bürgernähe statt Zwangsbeglückung

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FURCHE: Ihr Wahlslogan lautet nach wie vor „Mehr tun für Wien“. Kann ein Vizebürgermeister ohne eigenes Ressort mehr für Wien tun als ein Stadtrat - auch ohne eigenes Ressort?

BUSEK: Die Wiener Volkspartei kann natürlich mehr tun, denn sie stellt jetzt nicht mehr fünf Bezirksvorsteher, wie vor den Gemeinderatswahlen, sondern neun Bezirksvorsteher. Das sind erhöhte Möglichkeiten, das ist auch ein Vertrauen in die von der ÖVP vertretene Politik der Bürgernähe. Ich glaube, wir werden mit den neun Bezirksvorstehern zeigen, wie wir Politik machen, dort wo wir die Mehrheit haben und gestalten können, wobei es uns vor allem darauf ankommt, daß nicht nur technisch gute Lösungen getroffen werden, sondern daß sie mit den Bürgern getroffen werden.

FURCHE: Was machen Sie konkret? Wie sieht der Tagesablauf eines ressortlosen Vizebürgermeisters aus?

BUSEK: Zunächst einmal habe ich mich mit vielen Wünschen von Wie-

nern 'zu beschäftigen. Das belastet meinen Tagesablauf sehr stark, aber scheint mir sehr, sehr wichtig zu sein. Wenn wir heute über Entfremdung in der Politik klagen, so ist es sicher auch deswegen, weil der Wähler den von ihm Gewählten nicht kennt. Ich glaube, daß wir eine Verpflichtung

haben, sehr viel Zeit, sehr viel Geduld und sehr viel Bereitschaft darauf zu verwenden, mit den Bürgern zu reden.

Zweitens ist mein Tagesablauf gekennzeichnet von den offiziellen Verpflichtungen, das ist die Teilnahme an Sitzungen und die Vorbereitung dafür, das Aktenstudium. Hier gehört auch dazu, daß wir versuchen, Beschlüsse zu erreichen, zu denen wir auch ja sagen können, gleichzeitig aber auch die Kontrolle auszuüben.

Der dritte große Bereich ist, daß ich versuche, mir die Probleme auch selbst in der Nähe anzuschauen. Das geht vom Betriebsbesuch bis zum Lokalaugenschein.

FURCHE: Wie beurteilen Sie die drei neuen Stadträte? Glauben Sie, daß die nun ausgeschiedenen Stadträte tatsächlich die Schwachstellen im Stadtsenat waren?

BUSEK: Es können nicht nur Personen dafür verantwortlich gemacht werden, sondern aus unserer Sicht ist es das sozialistische System, das un-

serer Ansicht nach einen völlig falschen Ansatzpunkt der Stadtpolitik gewählt hat, nämlich zum einen die Zentralisierung der Entscheidungen und daß der Sozialismus aus seiner ideologischen Position heraus sich einem System der Zwangsbeglük-kung verpflichtet fühlt. Das ist, glaube ich, heute für eine Kommunalpolitik kein geeigneter Weg.

Es muß festgehalten werden, daß in der Ära Gratz das jetzt der vierte Anlauf zur Verwaltungsreform ist. Man wird schön langsam skeptisch, wenn innerhalb von fünfeinhalb Jahren vier Anläufe notwendig sind.

Ich möchte allerdings dazu bemerken, daß uns zwei Dinge interessant vorkommen, das eine ist die Schaffung eines integrierten Verkehrsressorts, ein Vorschlag, den wir schon vor langer Zeit gemacht haben. Und zweitens glauben wir, daß es in der Wiener Kulturpolitik nur besser werden kann, darum halten wir auch die Neubesetzung hier für eine durchaus interessante.

FURCHE: Gibt es mit der SPÖ im Rathaus eine gute Gesprächsbasis, eine rein sachliche oder nicht einmal das?

BUSEK: Es gibt hier zwei Ebenen. Das eine ist, daß einzelne Stadträte durchaus in einzelnen Fragen eine sachliche Gesprächsbasis • suchen, und zwar dann, wenn es sich um unangenehme Angelegenheiten handelt. Da ist plötzlich die Opposition gebeten, Mitverantwortung zu tragen. Zum Beispiel ist bei jeder Steuer- und Gebührenerhöhung die Bereitschaft, Kontakt zu nehmen, ungeheuer groß.

Dem widerspricht allerdings ein immer wieder zur Schau getragener „Mir-san-mir“-Standpunkt. Es werden die Dinge fertig und faktisch beschlossen in den Gemeinderat und in den Stadtsenat gebracht. Man ist oft gar nicht zu einer Diskussion bereit.

Dann gibt es auch sehr kindliche Gewohnheiten innerhalb des Rathauses. Ich nenne nur ein Beispiel, das mich keineswegs kränkt und nur die Peinhchkeit der Einstellung zeigt: Die goldenen Hochzeitspaare erhalten von der Stadt ein Diplom, gezeichnet vom Bürgermeister und den beiden Vizebürgermeistern. Seit ich Vizebürgermeister bin, werden diese Diplome nur vom Bürgermeister unterschrieben.

FURCHE: Sie kandidieren bei den bevorstehenden Nationalratswahlen auf Platz 16 für ein sogenanntes „Kampfmandat“? Werden Sie dieses Mandat ausüben oder ist es eine symbolische, demonstrative Kandidatur?

BUSEK: Ich habe die Absicht, dieses Mandat auszuüben. Ich würde es nur dann nicht tun, wenn-die Regierungskonstellation so ist, daß man den Eindrück hat, es ist das Parlament nicht der vorrangige Ort, die Interessen Wiens zu vertreten. Ich kenne die alte große Koalition samt ihren Vor- und Nachteilen. Ein Nachteil war, daß das Parlament vielfach infolge der großen Mehrheitsbildung vor vollendete Tatsachen gestellt wurde und gar nicht mehr sehr viel Bewegungsmöglichkeit gehabt hat, da würde ich dann sagen, es ist eigentlich schade um die Zeit und die Mühe, und da könnte ein anderer Kollege dann mehr leisten als ich.

FURCHE: Stimmt es, daß das Wahlziel der ÖVP für Wien ist, bei den Nationalratswahlen zwei Prozent dazuzugewinnen?

BUSEK: Ich möchte es nicht auf Prozente festlegen, sondern nur sagen: Wenn ich auf ein Kampfmandat gegangen bin, so möchte ich es auch gewinnen.

Mit Vizebürgermeister Erhard Busek sprach Heiner Boberski.

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