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BUFFALO BILL UND DIE AUSROTTUNG DER INDIANER

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Am 10. Jänner 1917 starb Buffalo Bill. Legendär wurde er durch seine Teilnahme als Kavallerieoffizier 1868-72 und 1876 in den Feldzügen gegen Indianer. Seinen Namen erhielt er durch die Fertigkeit im Erlegen von Bisons als Versorgungsleiter beim Bau der Pazifikbahn (1867/68).

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Am 10. Jänner 1917 starb Buffalo Bill. Legendär wurde er durch seine Teilnahme als Kavallerieoffizier 1868-72 und 1876 in den Feldzügen gegen Indianer. Seinen Namen erhielt er durch die Fertigkeit im Erlegen von Bisons als Versorgungsleiter beim Bau der Pazifikbahn (1867/68).

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Während der Mythos des weißen Amerikas vom wilden Westen heranreifte und Männer wie Buffalo Bill zu Heroen wurden, übersahen die aus Europa stammenden Einwanderer völlig, daß sie ein äußerst komplexes System von Kulturen zerstört hatten.

Die Indianer, wie sie bei uns in einem nichtssagenden Sammelbegriff zusammengefaßt werden, haben nicht nur unterschiedliche klimatische Regionen bewohnt, unterschiedliche Glaubensvorstellungen und Sozialstrukturen entwickelt, unterschiedlichen Einwanderungswellen angehört, höchst unterschiedliche Sprachen benutzt, sondern auch - wie alle traditionellen Völker nichteuropäischen Ursprungs - ein an die ökologischen Gegebenheiten äußerst angepaßtes

ökonomisches System entwickelt: Stabil in dem Sinn, daß selbst über lange Zeiträume hinweg das Überleben der nächsten Generationen gesichert war, labil insofern, als eine Störung von außen zwangsläufig zum Untergang des (r) betroffenen Ethnos (Ethnien) führen mußte.

Als die Europäer Nordamerika eroberten, fanden sie einen Kontinent vor, der im Vergleich zu Europa äußerst dünn besiedelt war, doch angesichts der ökologischen Tragfähigkeit aus der Sicht der Indianer randvoll war. Daraus sollen sich jene Verhaltensmuster entwickelt haben, die in ihrer Ritualisierung auf eine Geburtenkontrolle hindeuten: Endlose blutige Kriege um Jagdgründe, das Mitbringen eines Skalps in die Ehe gleichsam als Beweis, daß Platz für eine Familie geschaffen wurde. Bei aller Problematik solcher Theorien bleibt doch die unbestreitbare Tatsache, daß die neuen weißen Siedler eine neue Wirtschaftsform (Ackerbau und Viehzucht) mitbrachten, die für die traditionell lebenden Ureinwohner Amerikas keinen Platz mehr ließ und läßt.

Der Vernichtungs- und Kulturkampf

zwischen Weißen und Indianern ist noch längst nicht abgeschlossen: In zahlreichen südamerikanischen Ländern ist die Kultur der Indios die der Außenseiter. Geachtet und verehrt wird die europäische. Selbst die christlichen Missionare, die zu den engagiertesten Verfechtern der Menschenrechte für Indianer zählen, haben den "Zugang zu einer fremden Kultur nicht wirklich gefunden.

Ethnisches Geschwür

Der brasilianische Indianerforscher Francisco Meirelles scheint (leider) recht zu haben. Vor seinem Tod 1973 sagte er in einem Interview: „Es hat keinen Sinn, einer Regierung verbieten zu wollen, das Land nutzbar zu machen. Straßen, Wasserkraftwerke, Siedlungen und Industrien zu bauen." Die Zukunft der letzten in den Regenwäldern Amazoniens lebenden Eingeborenenstämme sah er: „Die Indianer werden als Indianer verschwinden, sie werden weiterleben als eine biologische Komponente des brasilianischen Volkes, das sich mit den Negern vermischte und gerade dabei ist, auch die japanischen Einwanderer

aufzusaugen,"

Dieser Traum eines gewaltigen kulturellen Verschmelzungsprozesses wird schlagartig anders zu bewerten sein, wenn die Äußerungen der Repräsentanten der Indianerschutzorganisationen FUN AI aus dem Jahr 1970 berücksichtigt werden. Indianer werden als „unerwünschtes ethnisches Geschwür" bezeichnet, das dem nationalen Fortschritt im Wege steht.

Selbst in so riesenhaften Ländern wie Brasilien gibt es letztlich nur bis zu dem Augenblick für Brandrodungs-bauem und Wildbeuter Platz, solange sich die Erschließung der abgelegenen Gebiete nicht rechnet.

Im Alto Xingü treffen auf kleinstem Raum unterschiedliche ethnische Gruppen aufeinander. Traditionellerweise sorgt reger Handelsverkehr zwischen den einzelnen Dörfern für einen Kulturaustausch, in dem jeder ethnischen Gruppe eine genau geregelte Funktion zugewiesen wird. „Die Trumai", so hatte schon Karl von den Steinen 1888 festgestellt, „sind die Herren der Steinbeile, nur in ihrem Gebiet werden die geeigneten Diorit-rollsteine gefunden; die zierlichen

Muschelketten, welche am Hals getragen werden, stammen, von den Bakri, und das Wichtigste, die Töpfe, werden nur von den Aruakstämmen gemacht und geliefert."

Mit dem Aufkommen von importierten Metalläxten war die Rolle der Trumai in dem ausgewogenen System vorbei: Innerhalb weniger Jahrzehnte waren sie an den Rand gedrängt und ausgelöscht.

Nationalparks und Reservationen sind scheinbar die einzigen Möglichkeiten, dem Indianer jenen Schutz vor Willkür und Grausamkeit zu bieten, der nötig ist, um zu überleben. Das Zentralproblem dieser künstlichen Produkte ist meist nicht die Enge, sondern die Hunderte von Kilometern lange Grenze, die es zu schützen gilt.

Solange in Südamerika grenzenlose Armut Tausende zu Abenteurern macht, werden die Grenzen nicht zu schützen sein. Solange das indianische Erbe nicht höher geschätzt wird, lassen sich die Kulturkämpfe zwischen dem weißen und dem roten Mann nicht vermeiden. Die Suche nach dem Land des wilden Mannes ist noch lange nicht vorbei.

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