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Bulgarien im Umbruch

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In der vergangenen Woche fand auf Einladung der Katholischen Frauenbewegung Bulgariens unter der Führung der rührigen Präsidentin dieser Organisation, Margarita Tzankova, eine Tagung zum Thema der katholischen Soziallehre statt, die den Zweck verfolgte, die Mitglieder dieser Vereinigung, darüber hinaus aber eine weitere interessierte Öffentlichkeit, mit der christlichen Sozialethik und -doktrin vertraut zu machen.

Professor Rudolf Weiler von der katholisch-theologischen Fakultät und ich nahmen von österreichischer Seite als Referenten an dieser Tagung teil, die in dem am Schwarzen Meer gelegenen Kurort Balcik abgehalten wurde.

Obwohl die Katholiken nur eine kleine Minderheit inmitten einer überwiegend orthodoxen Bevölkerung sind, richten sich doch die Augen vieler auf sie, die als einzige eine Weltkirche als Rückhalt haben und in der Lage sind, geistige Impulse in einer ziemlich verfahrenen politischen und geistigen Situation zu liefern.

Die bulgarisch-orthodoxe Kirche befindet sich in einer Art Schisma, die Legitimität des amtierenden Patriarchen Maxim, der durch eine enge Kollaboration mit dem kommunistischen Regime der Vergangenheit kompromittiert erscheint, wird von Teilen der Kirche in Frage gestellt, die orthodoxe Kirche leidet nach wie vor unter der zu engen Verbindung mit der Staatsmacht und der Unfähigkeit, sich, wie es die römische Kirche getan hat, durch eine allgemeine Kirchenversammlung zu reformieren. Politisch befindet sich das Land auch in einer schweren Krise, die durch eine Pattstellung von Regierung und Opposition und durch die Notwendigkeit baldiger Neuwahlen, die aber auch keine dauerhafte Lösung versprechen, charakterisiert ist.

In dieser Situation gewinnt die römisch-katholische Kirche, die neben zwei regulären Diözesen auch eine unierte mit einem eigenen Ostritus besitzt, eine weit über die Zahl ihrer Gläubigen hinausgehende Bedeutung. Die katholische Kirche und der Papst erfreuen sich in der bulgarischen Öffentlichkeit großen Ansehens, und auch die diplomatischen Beziehungen mit dem Vatikan, die unter dem kommunistischen Regime abgebrochen wurden, erfuhren durch die im vergangenen Jahr erfolgte Entsendung eines päpstlichen Legaten, des Erzbi-schofs Mario Rizzi, eines entfernten Verwandten Johannes XXIII.', der seinerzeit auch in päpstlicher Mission in Bulgarien tätig gewesen war, eine Wiederbelebung.

Die katholischen Schulen und Colleges, die vor dem Kommunismus existierten, bildeten beachtliche Teile der bulgarischen Intelligenz aus und trugen zur geistigen Ausstrahlung der katholischen Kirche bei, die heute gute Chancen hat, einer um Orientierung ringenden Öffentlichkeit Wahrheiten und Einsichten zu vermitteln, die zur Lösung der Krise beitragen können.

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