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Bunt, ratlos und aggressiv

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Wieder hat die Biennale für zeitgenössische bildende Kunst in Venedig ihre Pforten bis 28. September geöffnet. Die Biennale stand immer unter einem Thema, das jedoch von einzelnen

Staaten nicht immer eingehalten wurde. Das heurige Thema lautet „Die Kunst der siebziger Jahre”. Obwohl in den Pavillons der 32 Staaten alles vertreten ist, was man in Österreich schon in etwa gesehen hat, lohnt sich dennoch ein Besuch.

Diesmal ist die Biennale eine Retrospektive, ein Resümee, mit einigen wenigen neuen Anklängen, aber dennoch interessant, weil der Pluralismus der letzten Jahre deutlich und nachhaltig demonstriert wird.

Zuerst zu den Österreichern. Maria Lassnig, Kärntnerin, seit 12 Jahren in den USA lebend, erhielt nun einen Ruf an die Akademie Tür Angewandte Kunst. Sie zeigte Filme mit Handlung und ihre verfremdeten Körperbilder sind von höchster Delikatesse. Ihr hätte eine Palme gebührt, doch man hat in Venedig schon vor Jahren die Preise abgeschafft. Valie Export, die singulare Super-Emanzin, füllt ihren Raum folgerichtig: eine Madonna mit einer Maschine im Unterleib, zwei gespreizte Beine, dann ein Filmausschnitt von der Heiligen Wandlung. Sie will dagegen protestieren, daß nur Frauen Kinder gebären können und daß es keine Priesterinnen gibt. Will sie eine werden?

Beim Empfang im Österreich-Pavillon, von Joseph Hoffmann hervorragend erbaut, gab es übrigens Streit zwischen Arnulf Rainer und seiner Gruppe und zwischen Oswald Oberhuber und seinen Anhängern.

Erfreulich, daß die Italiener diesmal auf zwei Drittel ihre Hauptpavillons zugunsten einer internationalen Prominenten-Präsenz verzichten. Zwei Österreicher sind dabei: Arnulf Rainer mit 27 Köpfen (ölkreide und Ölfarbe auf Fotos) sowie der Grazer Günter Brus (zur Zeit USA), der die Aggressivität seiner Texte durch die Duftigkeit seiner Malerei wieder aufhebt.

Man sieht in der Biennale Tafelbilder, aber auch Ambientes, also gefüllte Räume, die nur ins Museum gehören. Dann viel pop-art, op-art, Mischungen von Kunst und Kitsch, pattern-painting, Monumentalgemälde und Skulpturen und sehr viel Fotografie von der gewöhnlichen Art bis zur Ölbild-Verfremdung. Sehenswert: Spanien, Belgien, Peru, Jugoslawien, USA und Venezuela.

In Israel wird demonstriert: alles in roter Farbe. Im Parterre drei Schützengräben und ein Vorposten, natürlich militärisch auszulegen, aber auch als Grundriß eines Flugzeuges oder eines Kreuzes.

Zu den dislozierten Biennale-Veranstaltungen gehören Ausstellungen von Balthus (Pseudonym von Balthasar Klossowski), eine Schau, die nur unregelmäßig geöffnet ist, und von den modernen Tschechoslowaken.

Schließlich gibt es noch eine internationale Jugendabteilung mit Werken von 37 Künstlern, darunter den Österreichern Hubert Schmalix und Alfred Klinkan.

Nun noch einmal zurück zur Zentral-Biennale. Gleich der zweite Raum ist dem Aktionisten Joseph Beuys gewidmet, der hier in Venedig aber keine Aktionen veranstaltet, sondern Teile ehemaliger Vorführungen in einem großem Ambiente-Raum vorstellt.

Man sieht ein Klavier mit einer Hacke (er hat niemals ein Klavier zertrümmert), einen Haufen Fett, ein Wasserschaff und viele Wandtafeln mit gesellschaftskritischen Schriften und aufgefächerten Schul-Analysen. Er klagt den Kapitalismus an, sowie den Sozialismus und den Kommunismus, weil sie alle vom Kapital abhängig seien.

Beuys, dieser dünne, graue Mensch mit dem breitrandigen Hut, wird von kostümierten Jüngern umringt, gütig und geduldig beantwortet er stundenlang verschiedene Fragen.

Die Sowjets sind wieder nicht dabei; die DDR und Bulgarien ebenfalls nicht. Dafür ist China zum erstenmal vertreten: mit zarten Blumenbildern und Industrie-Dokumentationen.

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