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Bus auf Bestellung
Das öffentliche Taxi, das sich nach individuellen Fahrtwünschen richtet und dabei nicht wesentlich mehr als ein Massenverkehrsmittel kostet, ist keine Utopie mehr. Speziell für die Verkehrsnachfrage in Stadtrandzonen und dünn besiedelten ländlichen Gebieten wurden in der Bundesrepublik Deutschland zwei Verkehrssysteme entwickelt und auch bereits getestet, die ohne festen Fahrplan und fixes Haltestellennetz nur bedarfsgesteuert funktionieren.
Das öffentliche Taxi, das sich nach individuellen Fahrtwünschen richtet und dabei nicht wesentlich mehr als ein Massenverkehrsmittel kostet, ist keine Utopie mehr. Speziell für die Verkehrsnachfrage in Stadtrandzonen und dünn besiedelten ländlichen Gebieten wurden in der Bundesrepublik Deutschland zwei Verkehrssysteme entwickelt und auch bereits getestet, die ohne festen Fahrplan und fixes Haltestellennetz nur bedarfsgesteuert funktionieren.
Der öffentliche Verkehr muß in erster Linie das Problem der Massenbewältigung lösen. U- und S-Bahn sind für einen großen Bedarf konzipiert, ihre Aufgabe ist - auf eine einfache Formel gebracht -, möglichst viele Leute möglichst schnell zu transportieren. In dünner besiedelten Wohngebieten dagegen, wo die Nachfrage nach Massenverkehrsmitteln geringer ist, erweisen sich diese hochleistungsfähigen Nahverkehrssysteme als defizitär, und die Linien werden mit der Zeit eingestellt.
Um nun den anders gelagerten Bedürfnissen der Stadtrandbewohner nach öffentlichen Transportmitteln ge
recht zu werden, haben Wissenschafter in einem Großprojekt des deutschen Bundesministeriums für Forschung und Technologie ein flexibles Bus-System entwickelt, das mit Hilfe eines Computers Fahrzeit, Fahrplan und Route nach den Fahrtwünschen der jeweiligen Fahrgäste steuert.
Der Fahrgast kann sein Ziel über Telefon oder Rufsäulen bekanntgeben, ein zentraler Rechner sammelt alle Fahrtwünsche, rechnet für jeden Bus die optimale Fahrtroute aus und dirigiert die einzelnen Fahrzeuge über Terminals. Wichtigstes Erfordernis bei der Berechnung der einzelnen Fahrstrecken ist es, jeweils den Umweg für alle Fahrgäste sowie Warte- und Fahrzeit zu den einzelnen Zielpunkten in erträglichen Grenzen zu halten.
Im Gegensatz zum konventionellen öffentlichen Verkehr gibt es keine Linienwege und starren Fahrpläne. Innerhalb eines bestimmten Bereiches werden nur einzelne Haltestellen bei Bedarf angefahren, die häufig den An
schluß an U-Bahn-Haltestellen und Verkehrsknotenpunkte bieten.
Bedarfsbussysteme wurden seit dem Ende der sechziger Jahre in Nordamerika, Japan sowie in einigen europäischen Ländern entwickelt und praktisch erprobt. Betriebserprobungen sind aus Kanada, England, Frankreich und den Niederlanden bekannt. Für die USA wird die Zahl der Bedarfsbussysteme derzeit auf über 100 geschätzt. Diese Systeme waren in der Mehrzahl für geringe Fahrgastmengen ausgelegt und wurden ähnlich wie im Taxifunkdienst von Hand disponiert.
Seit 1974 haben in der BRD mit Förderung des Bundesministeriums für Forschung und Technologie die Firmen Dornier das für Kleinstädte und dünn besiedelte Gebiete konzipierte RUF- BUS-System und Messerschmitt-Böl- kow-Blohm das für die Bedienung in Städten und Stadtrandzonen mit Anbindung an Stadtbahnlinien projektierte RETAX-System entwickelt.
Die Gesamtkonzeption des RUF- BUS-Systems wie auch ähnlich des Systems RETAX umfaßt eine Betriebsleitzentrale, ein Fahrgast- und ein Fahrzeug-Kommunikationssystem.
Mit Hilfe des Fahrzeugterminals kann der Busfahrer den jeweiligen Standort seines Fahrzeuges an die Zentrale bekanntgeben, erhält von ihr Informationen über die weiteren Fahrtziele und die Anzahl der zusteigenden Fahrgäste sowie den zu entrichtenden Fahrpreis. Der Fahrgast kann bei regelmäßiger Benützung mit einer einmaligen Anmeldung einen Dauerauftrag geben, über Telefon oder Rufsäule sind Voranmeldungen und Sofortaufträge möglich.
Die Vorteile für den Benützer des R- Busses liegen vor allem darin, daß er zu jedem beliebigen Zeitpunkt ein Fahrzeug anfordern kann, ohne Umsteigen zwischen allen Haltepunkten befördert wird und Wartezeit sowie Umweg für jeden Fahrgast begrenzt sind. Bei der Anmeldung erhält der Fahrgast die Nummer des abholenden Busses und die genaue Abholzeit. Beim Bussystem
RETAX wird der Verkehr über Haltestellen abgewickelt, die nur bei Bedarf angefahren werden.
Das System RUFBUS wurde im Dezember 1977 in Friedrichshafen am Bodensee, das System RETAX im August 1978 in Wunstorf bei Hannover in einem sogenannten „kleinen Probebetrieb“ getestet.
Der Einsatzbereich des Ruf-Busses im Bodenseekreis umfaßte ein Verkehrsgebiet von etwa zehn Quadratkilometern mit rund 16.000 Einwohnern. Fünf Rufbusse mit 17 Sitz- und neun Stehplätzen und 13 Rufsäulen sowie 29 Haltepunkte mit einem mittleren Fußweg zu den einzelnen Haltepunkten von 200 bis 300 Meter wurden für den kleinen Probebetrieb eingerichtet. Wie dem Statusbericht VI des deutschen Bundesministers für Forschung und Technologie „Nahverkehrsforschung ’79“ zu entnehmen ist, konnte das RUFBUS-System über 60 Prozent des Verkehrsaufkommens übernehmen, wobei in den ersten drei Monaten des Probebetriebes das bestehende Linienbusnetz aufrechterhalten wurde.
Pro Tag wurden maximal bis zu 2000 Fahrgäste, pro Stunde maximal 120
Fahrgäste mit dem RUFBUS befördert. Die Wartezeit bei Rufsäulenanmeldung betrug sieben bis acht Minuten, die Abholzeit bei telefonischer Anmeldungzehn bis 15 Minuten. Werktags wurden während des computergesteuerten Busbetriebes (8 bis 19 Uhr) im Durchschnitt acht Fahrtaufträge oder elf Fahrgäste pro Fahrzeug und Stunde gezählt.
Das RETAX-System wurde mit 18 Bussen (18 Sitz- und zwölf Stehplätze) werktags von 6 Uhr bis 23.30 und sonntags von 8 Uhr bis 23.30 getestet. Im Durchschnitt wurden 900 bis 950 Fahrgäste pro Werktag befördert. 90 Prozent der Fahrgäste mußten dabei nicht länger als 13 Minuten warten. Pro Fahrzeug und Stunde konnten rund 13 Personen transportiert werden.
Wie der Ergebnisbericht zu den Probebetrieben feststellt, „sind Ansatzpunkte für betriebstechnische Verbesserungen sichtbar geworden, die weitere Forschungs- und Entwicklungsarbeiten notwendig machen“. Problematisch ist auch noch die Kostensituation. „Möglichkeiten zur Erhöhung der
Wirtschaftlichkeit liegen in der Anwendung kombinierter Betriebsweisen aus Elementen des Linien- und Bedarfsbetriebes, der Verbesserung der Dispositionsverfahren und der Verbilligung der Geräte.“
Wie weit nun ein derartiges Bedarfsbussystem auch für Wien von Interesse wäre, hat Univ.-Prof. Dr. Dieter Böke- mann (Institut für Stadt- und Regionalforschung der Technischen Universität Wien) in einer Studie untersucht. Ausgangspunkt für die Untersuchung war die Versorgungsqualität der verschiedenen Wohnbereiche in der Bundeshauptstadt. Der Wissenschafter: „Als wesentliches Kriterium für die Qualität der Verkehrsversorgung zählt der Weg bzw. die aufzuwendende Zeit, um sich mit dem Lebensnotwendigen zu versorgen, also die Erreichbarkeit von Einkaufszentren und öffentlichen Einrichtungen."
Unter diesem Gesichtspunkt ergeben sich für die einzelnen Wiener Bezirke ziemlich starke Diskrepanzen. Während die Bewohner der Bezirke innerhalb des Gürtels durchschnittlich eine halbe Stunde benötigen, um zur Arbeit zu kommen oder einzukaufen, müssen die Bewohner der äußeren Bezirke rund zwei Stunden mehr dafür aufwenden.
Zu den benachteiligten Gebieten zählen laut Studie der 21. und 22. Bezirk, Stammersdorf, Eßling, Hirschstetten, Rodaun, Oberlaa und Neuerlaa, Kaiserebersdorf, Inzersdorf, Dornbach, Kalksburg und die westlichen Teile des 14. Bezirks, die alle sehr schlecht im öffentlichen Nahverkehr erreichbar sind. Die aus den täglichen Verkehrszwängen - Weg zur Arbeit, zum Einkäufen - resultierenden zwei Stunden längere Wegzeit bedeuten für die Stadtrandbewohner verlorene Freizeit.
„Gerade hier wären Systeme wie der RUFBUS oder RETAX eine Möglichkeit, diesen diskriminierten Bevölkerungsgruppen entgegenzukommen und ihnen mehr Freizeit zu verschaffen“, betont Prof. Bökemann die soziale Komponente der Einrichtung von Bedarfsbussen. „An der Peripherie wohnen häufig auch kinderreiche Familien, weil es dort mehr neue Wohnsiedlungen gibt. Diese jungen Familien besitzen in der größeren Zahl kein (Zweit)Auto, sind also voll von den öffentlichen Verkehrsmitteln abhängig.“
Für die Bewohner dieser Randgebiete könnte der Bus, „der kommt, wenn man ihn braucht“ und der speziell für Verkehrsbereiche und Einzugsgebiete von 50.000 bis 100.000 Einwohnern konzipiert ist, eine Lösung aus der bestehenden Verkehrsmisere bedeuten.
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