7080466-1993_34_01.jpg
Digital In Arbeit

Caroline ist kein Einzelschicksal

19451960198020002020

Über die Zahl der kirchlichen Eheannullierungen geben die diözesanen Ehegerichte nicht gern Auskunft. In vier österreichischen Diözesen gelang es der FURCHE, die aktuellen Zahlen zu erheben. Rom warnt vor einer laxen Handhabung des Kirchenrechts: Eheannullierung bedeutet nicht Scheidung - auch wenn es für den Normalverbraucher so aussehen mag.

19451960198020002020

Über die Zahl der kirchlichen Eheannullierungen geben die diözesanen Ehegerichte nicht gern Auskunft. In vier österreichischen Diözesen gelang es der FURCHE, die aktuellen Zahlen zu erheben. Rom warnt vor einer laxen Handhabung des Kirchenrechts: Eheannullierung bedeutet nicht Scheidung - auch wenn es für den Normalverbraucher so aussehen mag.

Werbung
Werbung
Werbung

Was tun, wenn der tiefreligiöse Ehemann in der Hochzeitsnacht auf der Brust der Angetrauten den eintätowierten Namen eines Verflossenen entdeckt? Der Getäuschte hat die Möglichkeit, sich an sein diözesanes Ehegericht zu wenden und eine Annullierungsklage einzubringen.

Solche und viele ändere Fälle dokumentiert die aus Österreich stammende Richterin an der Römischen Rota, Martha Wegan, in ihrem neuesten Buch „Ehescheidung möglich? - Auswege mit der Kirche” (Styria Verlag, Graz 1993). Geschrieben wurde das Buch für jene Ehepaare, die beweisen zu können glauben, daß ihre Ehe eigentlich gar nicht gültig geschlossen wurde, beispielsweise, weil sie sich in der Treuefähigkeit des Partners getäuscht haben. Dann kann die Ehe kirchlich annulliert werden.

Zum Wegan-Buch meint allerdings der bisherige Anwalt an den Metropolitan- und Diözesangerichten Wien und Salzburg, Alois Diem: „Das Leben ist viel zu komplex, als daß die Fülle der Probleme anhand einiger typischer Fälle dargestellt werden könnte. Man darf den Leuten nicht suggerieren, mit diesen Fallbeschreibungen die eigenen Probleme lösen zu können.” Wer Schwierigkeiten hat, sollte daher gleich eine Beratung beim Anwalt suchen.

Vier österreichische Diözesen haben der FURCHE Material zu diesem für die Kirche so heiklen Thema zur Verfügung gestellt: Demnach sind die Antragszahlen auf ein Ehenichtigkeitsverfahren leicht steigend. In St. Pölten von drei im Jahre 1991 auf vier im Vorj ahr, in Graz-Seckau von sechs auf acht (1990-1991), in Linz gab es diese Woche sechs Neuanträge, in Innsbruck ist die Zahl der Anträge von zwölf auf 14 (91-92) gestiegen. Aus Wien liegt nur eine Zahl vor: 1990/91 gab es 101 Urteile in Ehenichtigkeitsverfahren: 87 Prozent positiv, 13 negativ.

Der Kirchenrechtler Diem: „Kirchliche Stellen haben Angst, Gläubige darüber zu informieren, wann eine Ehe auflösbar ist. Dabei sollte die Kirche doch froh sein darüber, wenn Menschen aus einem echt religiösen Bedürfnis heraus einer kirchlichen Institution, nämlich dem Ehegericht, Vertrauen schenken.”

Erst kürzlich haben vatikanische Stellen kirchliche Ehegerichte in den USA wegen zu vieler positiver Abschlüsse von Ehenichtigkeitsverfahren abgemahnt: In den USA sind derzeit mehr als 38.000 Klagen anhängig, erfahrungsgemäß wird 80 Prozent stattgegeben. Der Papst war aufgeschreckt, als die Rota-Zahlen für Eheannullierungen 1992 vorlagen: von 108 anhängigen Fällen wurden

46 Ehen annulliert. Johannes Paul II. warnte die Rota-Richter, das Kirchenrecht nach unbestimmten humanitären Prinzipien auszulegen.

Dazu Diem: „Die Kirche hat die Latte für eine gültige Eheschließung sehr hoch gelegt. Sie darf sich daher nicht wundern, wenn dieses Ziel von vielen nicht erreicht wird. Meiner Auffassung nach könnten also viel mehr Ehen kirchlich annulliert werden, als das tatsächlich geschieht.” Der häufigste Nichtigkeitsgrund, plaudert Diem aus der Schule, liegt heute in der Nichtanerkennung der von der Kirche geforderten Dauer einer Ehe.

Caroline von Monaco, deren zehn-jähriges'Ehenichtigkeitsverfahren vor der Rota nicht nur die Leser der Regenbogenpresse interessierte, ist also kein Einzelschicksal. Auch wenn es höchste kirchliche Stellen nicht gerne sehen: jeder Katholik hat das Recht, sich an das diözesane Ehegericht zu wenden, wenn er glaubt, daß seine Ehe aus bestimmten (im Kirchenrechtskodex von 1983 aufgelisteten) Gründen nicht zustandegekommen ist.

Diem zu dieser Problematik: „Es kommt dann immer auf die entsprechende Formulierung des Anwalts an. Wir haben uns an das Kirchenrecht zu halten, in der Ewigkeit sieht sowieso alles ganz anders aus.”

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung