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Carter grüßt die Galaxien

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Mit einer Botschaft des ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter fliegt die Sonde Voyager-2 durch das Weltall. Unlängst passierte und „sondierte“ sie den Planeten Uranus.

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Mit einer Botschaft des ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter fliegt die Sonde Voyager-2 durch das Weltall. Unlängst passierte und „sondierte“ sie den Planeten Uranus.

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Die berechtigte Freude über die geglückte Begegnung mehrerer Raumsonden mit dem Hal-ley'schen Kometen ließ ein anderes, nicht weniger imposantes Ereignis etwas in den Hintergrund treten: den Vorbeiflug von Voyager-2 am Planeten Uranus.

Am 20. August beziehungsweise 5. September 1977 wurden zwei Raumsonden gestartet, die das Wissen über unser Planetensystem revolutionieren sollten. Der momentan günstigen Stellung der Planeten untereinander war es zu danken, daß es überhaupt möglich war, nur mit einer Mission die äußeren Planeten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun zu erkunden. Deshalb wird diese Mission leider auch für viele Jahre die letzte ins äußere Sonnensystem bleiben. Vor der Begegnung mit Uranus am 24. Jänner dieses Jahres hatte sich Voyager-2 schon durch eine Fülle von Informationen beim Vorbeiflug an Jupiter (9. Juli 1979; unter anderem Entdek-kung von aktivem Vulkanismus am Jupitermond Jo) und Saturn (25. August 1981) ausgezeichnet.

Was war bisher über Uranus bekannt? Dieser erste nur mit dem Fernrohr erkennbare Planet wurde am 13. März 1781 von Wilhelm Herschel mit einem Spiegelteleskop von 15 cm Durchmesser entdeckt. Von den bisher bekannten fünf Uranus-Monden wurden zwei (Titania und Oberon) ebenfalls schon von Herschel 1787 aufgefunden. Zwei weitere Monde (Ariel und Umbriel) entdeckte man 1851, den bisher letzten Mond (Miranda) erst 1948.

Uranus tanzt im wahrsten Sinn des Wortes aus der Reihe der Planeten: während bei allen anderen Achsneigungen bis maximal 29 Grad auftreten (z. B. 23,5 Grad bei unserer Erde), ist die Uranus-Achse um 98 Grad gegenüber seiner Bahn um die Sonne geneigt, d. h., daß er zeitweise quasi dahin-rollt. Er ist somit auch der einzige Planet, für den die Sonne auch an den Polen im Zenit stehen kann (was sie bei uns ja nur in den Tropen kann).

Für das Klima auf Uranus hat das freilich keine Bedeutung, denn in der Entfernung von 2,9 Milliarden km (etwa die 30fache Entfernung Erde — Sonne) erscheint die Sonne nur noch sternförmig und hat auf die Temperatur des Uranus (rund -190 Grad Celsius) keinen nennenswerten Einfluß mehr. Die Jahreszeiten lassen sich deshalb nur am Stand der Sonne ablesen und dauern bei einer Umlauf zeit von 84 Jahren nach irdischen Begriffen jeweils 21 Jahre.

Mit einem Durchmesser von 47.600 km ist Uranus nach Jupiter und Saturn der drittgrößte Planet unseres Sonnensystems. Die Durchmesser seiner Monde schwanken zwischen 400 km und 1000 km, wobei der innerste (Miranda) in einem Abstand von 130.000 km (ein Drittel der Entfernung unseres Mondes von der Erde) seinen Planeten umkreist.

Eine völlig unerwartete Entdek-kung gelang in der Nacht vom 10. zum 11. März 1977. In dieser Nacht sollte es zu dem äußerst seltenen Ereignis einer Sternbedeckung durch Uranus kommen. Eine solche Sternbedeckung durch einen Planeten erlaubt eine sehr exakte Bestimmung von dessen Form und Größe sowie Aussagen über seine Atmosphäre. In diesem Fall führte sie jedoch zur Entdeckung eines Ringsystems um Uranus. Dieses Ergebnis war höchst außergewöhnlich, glaubte man doch bisher, daß nur Saturn durch einen Ring ausgezeichnet sei (die Voyager-Sonden konnten dann 1979 auch Ringe um Jupiter nachweisen).

Wie lauten nun die ersten Ergebnisse, die uns der Vorbeiflug von Voyager-2 brachte? Erfahrungsgemäß (nach den Begegnungen mit Jupiter und Saturn) dauert es viele Monate, bis die Informationen auch nur in wesentlichen Punkten ausgewertet sind. So kann das Folgende nur eine erste grobe Analyse sein.

Beim „Fahrplan“ von Voyager-2 kann man drei Phasen unterscheiden: die Fernbegeg-nungsphase vom 10.-22. Jänner 1986, die Nahbegegnungsphase Vom 22.-26. Jänner 1986 und schließlich die Nachbegegnungsphase vom 26. Jänner bis 25. Februar 1986.

Von größtem Interesse war natürlich die Nahbegegnungsphase, die im Detail so verlaufen ist: 24. Jänner, 15.11 Uhr WZ (Weltzeit): engste Begegnung mit Titania (365.200 km), 16.13 Uhr kleinster Abstand zu Oberon (470.600 km), 16.22 Uhr kürzeste Distanz zu Ariel (127.000 km) und um 17.04 Uhr zu Miranda (29.000 km). Der geringste Abstand zu Uranus wurde um 18 Uhr mit 107.000 km erreicht. Eine „Sonnenfinsternis“ begann für die Sonde um 20.25 Uhr, als sie für 79 Minuten in den Planetenschatten trat. Ab 20.36 Uhr wurde auch die Erde für 86 Minuten von Uranus bedeckt (von der Sonde aus gesehen), was zu einem ebensolangen Ausfall des Funkkontaktes führte. Mit der engsten Begegnung von Umbriel (325.000 km) um 20.53 Uhr endete schließlich diese Nahbegegnungsphase.

Die Sonde wiegt 815 kp, und der Durchmesser ihrer Parabolantenne beträgt 3,7 m. Sie ist für eine Vielzahl von wissenschaftlichen Experimenten ausgerüstet, so unter anderem: Untersuchung der kosmischen Strahlung in ihrer Wechselwirkung mit den Magnetosphären der äußeren Planeten, Gewinnung von Bildern mit Weitwinkel- und Telekamera, Untersuchung der Planetenatmosphären (Temperatur, Druck, Zusammensetzung) und Messung der Radiostrahlung der Planeten.

An „handfesten“ Ergebnissen kann man aus der bisherigen Analyse der Fülle von Informationen folgendes festhalten: die Entdek-kung von zehn neuen Monden, durchwegs Kleinkörpern, deren Entdeckung von der Erde aus niemals möglich gewesen wäre.

Sie alle umkreisen Uranus innerhalb der Bahn von Miranda, dem innersten der bisher bekannten Monde. Auf diesen, die von der Erde aus nur sternförmig erscheinen, konnten Einzelheiten, wie zum Beispiel große Krater, erkannt werden. So etwas durfte erwartet werden, da sich die Oberflächen solcher Kleinkörper infolge des Fehlens einer Atmosphäre und der damit zusammenhängenden Erosion über Jahrmilliarden hinweg praktisch unverändert erhalten haben. Weiters wurde zu den bisher bekannten neun Uranus-Ringen noch ein zehnter entdeckt.

In der Atmosphäre des Uranus konnten Wolken beobachtet werden (besonders über dem Nordpol) und allgemein eine streifige Struktur. Auch wurde Radiostrahlung nachgewiesen und ein Magnetfeld in seiner Form und Größe bestimmt, das mit einem Drittel der Stärke des irdischen Magnetfeldes wesentlich stärker ist, als bisher vermutet. Die Pole dieses Magnetfeldes sind um 55 Grad gegenüber der Rotationsachse geneigt, was ebenfalls außergewöhnlich ist (übliche Neigung nur wenige Grade).

Viele Details harren noch der Auswertung, so etwa die Zusammensetzung der Uranus-Atmosphäre (vermutlich Methan und Wasserstoff in hohem prozentuellem Anteil) und seines Ring-Systems.

Voyager-2 zieht inzwischen weiter zu den Grenzen unseres Sonnensystems und wird voraussichtlich am 24. August 1989 im Abstand von nur 28.000 km Neptun als letzten Planeten auf seiner

Bahn passieren. Dann wird er unser Sonnensystem für immer verlassen und für die nächsten Millionen Jahre durch unsere Galaxis ziehen. Dieser Schritt aus unserem Planetensystem hinaus macht vielleicht die Euphorie verständlich, die aus der Bild-und-Tonplatte klingt, die die Voyager-Sonde mit sich führt.

Hier heißt es am Ende einer Botschaft des damaligen Präsidenten der USA, Jimmy Carter: „Wir hoffen, nach der Lösung unserer gegenwärtigen Probleme Pinrnal piner Gemeinschaft von

Milchstraßen-Zivilisationen beizutreten. Diese Platte soll für unsere Hoffnung und unsere Entschlossenheit sprechen sowie für unsere Bereitwilligkeit inmitten eines unermeßlichen, ehrfurchtgebietenden Universums.“

Wollen wir hoffen, daß der Reichtum der Erkenntnis als schönster Lohn der Forschung uns in die Lage versetzt, mit den Problemen auf unserem Planeten fertig zu werden.

Dr. Ernst Göbel ist wissenschaftlicher Beamteram Institut für Astronomie (Sternwarte) der Universität Wien.

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