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Carters erste Schritte auf konservativen Wegen

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Allmählich fallen die Mosaikstein-chen in den vorgezeichneten Rahmen. Jimmy Carters erste Auswahl für sein Kabinett ist betont konservativ und eine direkte Fortsetzung der Ford-schen Politik. Carter betont fast täglich, daß sich der Ubergang zu seiner Regierung völlig reibungslos vollziehe und macht Ford und Kissinger, die er im Wahlkampf erbittert angegriffen hat, ständig Komplimente.

Dem Bankier aus Atlanta, Thomas Lance, ist die Aufgabe gestellt, Direktor des Budgets zu werden. Dieser „Job“ ist jedoch nicht der eines Su-perbuchhalters der Nation, wie man annehmen könnte. Vielmehr soll Lance die Verwaltungsreform in Angriff nehmen, die Carter in seiner Wahlkampagne versprochen hat. Bereits in den Vorwahlkämpfen hatte Gouverneur Carter eine Vereinfachung und Straffung der Administration in Georgia als sein besonderes Verdienst in Anspruch genommen. Seine Kritiker behaupten jedoch, daß er per Saldo zumindest ebensoviele, wenn nicht mehr Bürokraten beschäftigt und nur die vielen zersplitterten „Agencies“ in einige wenige integriert habe.

Nun soll die Axt an die Washingtoner Bürokratie gelegt werden - eine unendlich komplizierte Aufgabe, wenn man die Verquickung von Politik und Verwaltung kennt, die hier seit dem Zweiten Weltkrieg eine Bastion von Bürokratien und Abhängigkeiten hat entstehen lassen. Niemanden würde es wundern, wenn diese Initiative im Sand verliefe, zumal ja Carter im Wahlkampf zahlreiche neue Sozialprogramme versprochen hat, die zumeist - und das ist noch die billigste Lösung - Programm bleiben werden, aber einen neuen bürokratischen Nukleus zum Ausgangspunkt haben. Es würde auch niemanden wundern, wenn Lance in Schwierigkeiten geriete, weil er als Bankier dem Familienunternehmen Carters einen Kredit von einer Million Dollar eingeräumt hat Zu diesem Zeitpunkt waren die Weichen für Carter und Lance noch nicht gestellt. Wenn man aber hunder-ten von Beamten auf die Zehen steigen will, darf man selbst keine Angriffsflächen bieten. Der besagte Kredit ist jedenfalls schon auf zwei Pressekonferenzen Carters zur Diskussion gestellt worden.

Die Ernennung Lance's soll jedoch der Wirtschaft dokumentieren, daß Carter vorsichtig vorzugehen gewillt und keinerlei radikalen Einflüssen zugänglich ist.

Die weiteren Ernennungen im Bereich des „Busineß“, der Finanzminister und verschiedene andere Spitzenpositionen der Wirtschaftsverwaltung, dürften ebenfalls erprobte Konservative treffen, so daß sich das Klima in Wallstreet bereits merklich gebessert hat. Nicht zuletzt hat Carter ziemlich brüsk die Einführung von Lohnund Preiskontrollen abgelehnt und betont, er sei ein Verfechter der Marktwirtschaft. Er würde zunächst nicht einmal um eine Bewilligung zur Regulierung von Löhnen und Preisen beim Kongreß einkommen, denn er wisse, daß dann die Unternehmer die Preise raschest erhöhen und die Inflationsspirale in Bewegung setzen würden.

Angesichts dieser ostentativ zur Schau gestellten Pro-Busineß-Haltung bleibt abzuwarten, welche Gesten Carter gegenüber seinen Freunden im Lager der Gewerkschaften, der Konsumenten, insbesondere der Farbigen in petto hat. Da die Arbeitslosigkeit weiterhin zwischen acht und neun Prozent fluktuiert, dürfte diese Geste wohl in einem Steuergeschenk bestehen, das den,kleinen Einkommensträgern zugutekommen wird.

Versucht also Carter, wirtschaftlich besonders vorsichtig vorzugehen, so stellt die Ernennung des Cyrus Vance zum Secretary of State eine sehr ähnliche Entscheidung auf dem Gebiet der Außenpolitik dar. Vance war unter Johnson ein erfahrener „troubleshoo-ter“ auf zweitklassigen Krisenplätzen, der Typus des verläßlichen, methodischen Anwalts großer Kanzleien, aber sicherlich kein Politiker mit eigenen Ideen und Konzepten.

Es ist bezeichnend, daß er auf der letzten Pressekonferenz jeglichen sachlichen Kommentar ablehnte und den Unterschied zwischen sich selbst und Kissinger vor allem in der Art des Vorgehens sah. Er wolle andere für sich verhandeln lassen, werde wenig reisen und wichtige Funktionen an kompetente Diplomaten delegieren.

Das ist freilich der klassische und normale Ablauf bei der Behandlung internationaler Beziehungen, setzt aber auch normale und übersehbare Entwicklungen voraus. Es setzt ferner ein festgelegtes außenpolitisches Konzept voraus, das nicht nur im Weißen Haus, sondern auch im Kongreß unumstritten ist. Letztlich wird der Erfolg der Außenpolitik jedoch davon abhängen, welche Opfer das Volk zu bringen bereit ist - anders ausgedrückt: wieweit Carter in der Lage sein wird, das nationale Potential geistig, wirtschaftlich und militärisch zu mobilisieren. Die Regierung Ford hat sich an eine solche Mobilisierung ebensowenig herangewagt wie vorher die Regierungen Nixon und Johnson. An diesem Mangel ist auch der Krieg in Südostasien gescheitert. Zumindest aber haben Nixon und Kissinger durch Ideen und persönliche Initiativen Amerika als Großmacht glaubhaft machen können. Man wird abwarten müssen, ob Carter, der im Wahlkampf immer von seinen Führerqualitäten redete, solche auch tatsächlich entwickeln und einen nationalen Aufschwung herbeiführen kann.

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