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CDU-Biedermeier

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Vor fast 15 Jahren veröffentlichte der CDU-Abgeordnete Herbert Gruhl sein Buch „Ein Planet wird geplündert''. Seit 16 Jahren ist Helmut Kohl Parteichef der Christdemokraten in Deutschland. Gruhls Thesen sind heute aktueller denn je, aber aus der CDU hat ersieh zurückgezogen.

Ein brillanter Kopf wie Kurt Biedenkopf war dem behübigen Kohl etwas zu brillant, ein Heiner Geißler, der sich Gedanken über die Zukunft der Partei machte und auch ein Buch über die neue soziale Frage schrieb, wurde als Generalsekretärabserviert, und für einenUlf Fink ist kein Platz mehr im Vorstand der CDU. Fink war nicht nur ein erfolgreicher und dynamischer Sozialsenator in Berlin, als Vorsitzender der CDU-Sozialausschüsse nimmt er auch eine Position ein, die zumindest für das soziale Image der Partei immer wichtig war.

Auch Fink hat sich in Theorie und Praxis mit entscheidenden Zukunftsfragen auseinandergesetzt. Erst im Vorjahr erschien das von ihm herausgegebene Buch „Der neue Generationenvertrag“, in dem es um die Zukunft der sozialen Dienste geht.

Schließlich wurde beim letzten Parteitag der CDU auch Lothar Späth, der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, nicht mehr für würdig befunden, einer der sieben Stellvertreter des Helmut Kohl zu sein. Er hatte sich in letzter Zeitzusehrin den Vordergrund gespielt, ist ein brillanter Rhetoriker und hat es gewagt, mit der Möglichkeit zu kokettieren, die Alternative zu Kohl zu sein.

Diese Personalpolitik signalisiert eine Richtungs änderung, die mit dem Machtbewußtsein Kohls allein nicht mehr einsichtig zubegründen ist. Es fällt auf, daß in der CDU zwar viel von Visionen die Rede ist, daß aber alle Persönlichkeiten in der Partei, die solcher Vistonen noch fähig sind, aus wichtigen Parteiämtern entfernt werden. Der einzige Blick in die Zukunft, den sich Helmut Kohl gestattet, ist der Blick auf die Bundestagswahlen im kommenden Jahr.

Die Hamburger „Zeit“ hat nach dem Parteitag der CDU in Bremen festgestellt, es habe sich in der Partei ein pragmatisches, machtorientiertes, „aber zugleich auch aggressives Biedermeier“ durchgesetzt.

Die CDU hat sich nach allen Seiten abgesichert, Helmut Kohl hat die Zügel fest in der Hand, aber was sie will, außer die nächsten Wahlen zu gewinnen, das weiß der Kanzler am wenigsten. Das mächt aber nichts, wenn er nur Kanzler bleibt, meinen er und seine Gesinnungsfreunde.

Selbst das könnte ein Irrtum sein. Wenn die CDU aber die Wahl verliert, dann werden die Auseinandersetzungen, die sie sich jetzt ersparen wollte, heftiger und schmerzvoller sein.

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