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CDU geht auf alles

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Die Wähler spielen nicht immer das Spiel, das ihnen Meinungsmacher und Meinungsinstitute zuweisen möchten. Vergleicht man beispielsweise das Ergebnis der Berliner Wahlen mit dem von Rheinland- Pfalz, so gibt es wenigstens auf den ersten Blick kaum gemeinsame Berührungspunkte. Seinerzeit, bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen und im Saarland zeichnete sich der Trend zum Zweiparteienstaat ab, der aber bei den nachfolgenden Wahlen in Hessen und Bayern gestoppt zu sein schien. Jetzt, bei den sonntägigen Wahlen in Rheinland-Pfalz, trat er wieder zutage.

Vergleichen wir zunächst die Ergebnisse in Berlin und Rheinland-Pfalz, wo in den letzten beiden Wochen Wahlen stattgefunden haben. In Berlin verlor die SPD sechs Prozent und konnte gerade noch die absolute Mehrheit halten. Die CDU gewann fünf Prozent und die FDP eines. Für die CDU war es das „beste Wahlergebnis seit Kriegsende”. Verglichen mit den vorangegangenen fünf Landtagswahlen blieb die Tendenz anhaltend: SPD verliert, CDU gewinnt. Die Wähersympathie für die FDP schwankte. War aber in Bayern der gewaltige Sieg der CSU eine nicht zu übersehende Demonstration gegen die Ostpolitik der Regierung Brandt- Scheel, so kam dieser Demonstrationscharakter in Berlin nur maßvoll zum Ausdruck. Höchstens als ein Zeichen des Unbehagens.

Völlig andersartig im Vergleich zum bisherigen Trend bei den Landtagswahlen in der BRD verlief die Wahl in Rheinland-Pfalz. Hier gewann die CDU zum erstenmal die absolute Mehrheit. Sie stieg von 46,7 auf 50 Prozent und von 49 auf 53 Mandate. Aber auch die SPD gewann und erreichte 44 Mandate und

40,5 Prozent der Stimmen, während sie vor vier Jahren nur 36,8 Prozent erzielt hatte. Allerdings, im Vergleich zur Bundestagswahl des Jahres 1969 gewann sie nur geringfügig, während die CDU auch hier wesentlich zugenommen hat. Der Verlierer bei den Wahlen in Rheinland-Pfalz war die FDP, die von 8,3 auf 5,9 Prozent und von acht auf drei Mandate fiel. Die NPD, vor Jahren noch der Schrek- ken der deutschen Innen- und Außenpolitik, verschwindet immer mehr aus der politischen Landschaft der Bundesrepublik. Sie hat faktisch ausgespielt. In Rheinland-Pfalz kam sie auf 2,7 gegenüber 6,9 Prozent bei den letzten Wahlen. Auch die Nationalgesinnten fühlen sich nicht mehr wohl in ihr und gehen zumeist zur CDU über, nicht weil sie sich hier daheim fühlen, sondern weil sie die CDU für das geringere Übel halten und als einzigen Machtfaktor ansehen, der die Außenpolitik Brandts in andere Bahnen zu lenken vermag.

Die westdeutschen Kommunisten (DKP) erreichten 0,9 Prozent, sind also auch hier wie im übrigen Bundesgebiet eine Zwergpartei, wenn sie auch den Mund aufreißen, als stünden sie vor der absoluten Mehrheit.

Sehen wir davon ab, daß die politischen Extreme auf der Rechten und Linken, die NDP und DKP, keine Zukunftschancen besitzen, so schält sich aus den bisherigen Ergebnissen der Landtagswahlen in der BRD die Erkenntnis heraus, daß die CDU bei den nächsten Bundestagswahlen die absolute Mandatsmehrheit erringen kann, wenn nicht interne Parteiauseinandersetzungen eine unerwartete Prestige-Einbuße mit sich bringen.

Das zweite Ereignis, das eine absolute CDU-Mandatsmehrheit verhindern würde, wäre das Einbringen wenigstens einer bescheidenen Ernte aus der Ostpolitik der Regierung Brandt-Scheel. Kein Bundesbürger macht sich heute darüber Illusionen mehr, wie dies am Beginn der neuen deutschen Ostpolitik noch der Fall gewesen ist, als die euphorische Berichterstattung zahlreicher Zeitungen eine Märchenzukunft zwischen Bundesrepublik und Sowjetunion prophezeite. Die deutsche Wirtschaft sollte ein ungeahntes Ausbreitungsfeld im Osten erhalten und die deutsche Sprache gleichsam die zweite Unterrichtssprache an den sowjetischen Schulen werden. Die Realität sieht allerdings anders aus. Mercedes verhandelt schon 18 Monate über die Errichtung einer großen Autofabrik in der Sowjetunion. Man ist sich über alle technischen Fragen einig, doch nun, da es ans Zahlen geht, bietet die Sowjetunion Beträge an, die Mercedes nicht einmal in die Lage versetzen würden, die Forderungen der 25 Zuliefer- flrmen zu decken.

Am kommunistischen Realismus scheitert die politische Phantasie ebenso wie die künstlerische. Die sowjetische Politik ist denkbar einfach: Alles nehmen und so wenig wie möglich dafür geben. Das bezieht sich nicht nur auf Industriepolitik und Ausrüstungen, sondern auch auf Rechtsgrundsätze und auf die geistigen Bereiche. Damit muß nun die Regierung Brandt-Scheel fertig werden. Die Bundesbürger verlangen keine Wunder mehr, aber wenigstens einige Besserstellungen,ivor allem in Berlin. ▼

Die Wahlen in Rheinland-Pfalz haben jedoch auch gezeigt, daß die FDP, wenn sie im Bündnis mit der CDU steht, ebenso viele Stimmen, ja wahrscheinlich sogar mehr verliert, als wenn sie mit der SPD geht Das wird im Bonner Hauptquartier der Freidemokraten Nachwirkungen haben und den Plan des FDP-Poli- tikers und Innenministers Genscher, für 1973 die Weichen anders zu stellen und eine Koalition CDU-FDP vorzubereiten, wahrscheinlich vom Tisch fegen.

Dies wiederum bedeutet, daß die Appeasement-Politiker innerhalb der CDU weniger Chancen haben, da es für die CDU-CSU bei den nächsten Bundestagswahlen um alles geht. Entweder sie erreicht die absolute Mandatsmehrheit oder sie muß weiterhin in der Opposition bleiben.

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