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Chancen auf die Hofburg
Die Kernkraftgegner haben in Österreich seit dem 5. November 1978 an Boden gewonnen, die Politiker haben aus seiner Sicht „dazugelernt“; daß die E-Wirtschaft einem Energienotstand im nächsten Winter nachhilft, kann er nicht ausschließen und gegen den amtierenden Bundespräsidenten traut er sich zu, die Wahl zu gewinnen: der Geologe Alexander Tollmann, mit dem Alfred Grinschgl sprach.
Die Kernkraftgegner haben in Österreich seit dem 5. November 1978 an Boden gewonnen, die Politiker haben aus seiner Sicht „dazugelernt“; daß die E-Wirtschaft einem Energienotstand im nächsten Winter nachhilft, kann er nicht ausschließen und gegen den amtierenden Bundespräsidenten traut er sich zu, die Wahl zu gewinnen: der Geologe Alexander Tollmann, mit dem Alfred Grinschgl sprach.
FURCHE: Hat sich in den letzten Monaten an den Positionen der Atomgegner oder der Befürworter Entscheidendes geändert?
TOLLMANN: Es haben sich die Positionen der Atomgegner wesentlich verbessert. Sie konnten nämlich nachweisen, daß viele Behauptungen, die in der Auseinandersetzung gegen die Atomgegner verwendet worden sind, unrichtig waren, daß sie teilweise Lügen, Unwahrheiten waren. Vieles davon ist inzwischen von neutraler Seite widerlegt worden. Es ist außerdem durch Harrisburg bewußt geworden, daß das ungeheure Gefahrenpotential, das in solchen AKWs schlummert, tatsächlich existiert
Und drittens möchte ich sagen, ist wichtig, daß jemand, der ein Volksabstimmungsergebnis, das vor kurzer Zeit erst entstanden ist, sofort wieder vom Tisch wischen möchte und womöglich solange immer wieder abstimmen möchte, bis er einmal recht behält, so gegen das demokratische Grundverständnis verstößt, daß hier eine große Empörungswelle im Volk ist - auch in der Partei der Hauptbetreiber selbst.
FURCHE: Sie sind zuversichtlich, daß die Kernkraftgegner bei einer neuerlichen Abstimmung das Ergebnis vom 5. November 1978 verbessern würden?
TOLLMANN: Ja. Vor allem deshalb, weil wir gesehen haben, daß damals mit fortschreitender Informa-, tion und Heranrücken an die Volksabstimmung, Woche um Woche, die Kernkraftgegner an Boden gewonnen haben. Wenn da nicht ein direktes Abschneiden der Informationswelle gewesen wäre, wäre der Prozentsatz der Kernkraftgegner weiterhin angestiegen.
FURCHE: Können Sie auf Grund von Umfragen oder auf Grund ihrer persönlichen Einschätzung sagen, wieviele Österreicher derzeit in Gegnerschaft zur Inbetriebnahme von Zwentendorf stehen?
TOLLMANN: Ja. Umfragen haben wir eigentlich nur vom Linzer Marktforschungsinstitut, eine Umfrage von Anfang Juli, in der sich gezeigt hat, daß der Trend zum Nein wesentlich stärker ist. Damals waren 65 Prozent der Befragten für eine Ablehnung des Kernkraftwerkes Zwentendorf, also ein ganz erklecklicher Teil, der sich seit der Volkabstimmung von der Kernkraft abgewendet hat.
FURCHE: Der Bundeskanzler hat dieser Tage geäußert, er könnte sich nur dann vorstellen, daß im Parlament ein neues Zwentendorf-Gesetz beschlossen wird, wenn auch in der ÖVP 30 bis 35 Abgeordnete dabei mittun. Glauben Sie, daß sich diese 30 bis 35 Abgeordneten finden lassen?
TOLLMANN: Ich habe mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß auch unter den Politikern ein Umdenkprozeß begonnen hat. Das betrifft die ÖVP wie die SPÖ. Die FPÖ war ja schon sehr lange gegen dieses gefährliche Experiment mit der Kernkraft in Österreich.
FURCHE: Die Kernkraftgegner haben unter den Nationalratsabgeordneten also eine kompakte Mehrheit?
TOLLMANN: Man kann feststellen, daß heute die Volkspartei eine klare Linie erreicht hat. Es ist in dieser Partei eine Linie, die durchgehend bis zum Wirtschaftsflügel eingehalten wird. Darüber hinaus sind auch etliche Mandatare von den Sozialisten bereit, gegen Kernkraft einzutreten - und zwar nicht nur die zwei Vorarlberger, sondern auch andere. Es hat sich ja gezeigt, daß auch innerhalb der Sozialisten große Widerstände gegen eine Wiederaufnahme des ganzen Kampfes herrscht. Ich glaube, daß wir Atomgegner auch in dieser Partei einen Rückhalt haben.
FURCHE: Sehen Sie die Gefahr, daß Österreichs E-Wirtschaft im kommenden Winter einem Energieengpaß selbst nachhilft, um damit die Notwendigkeit von Zwentendorf zu untermauern?
TOLLMANN: Ich kann es nicht direkt und sicher beurteilen. Es ist so, daß ich niemanden verdächtigen möchte, daß er Methoden der Propaganda sozusagen verwendet, die unlauter sind. Aber ich möchte eines sagen: Ich habe von Seiten der E-Wirtschaft aus dem Atomkampf soviele Unaufrichtigkeiten erlebt, ich habe während des Kampfes von prominenten Vertretern der E-Wirtschaft soviele Unwahrheiten erfahren, daß ich von vornherein nicht eine solche Taktik ausschließen würde.
FURCHE: Sie wollen sich von Umweltschutzgruppen und Kernkraftgegnern für die Bundespräsidentenwahlen kandidieren lassen. Fassen Sie das in erster Linie als Sympathiefeldzug für Ihre Ideen auf oder glauben Sie tatsächlich, diesen Wählgang gewinnen zu können?
TOLLMANN: Das ist keine Alternative, die Sie gerade ausgesprochen haben. Ich würde in erster Linie sagen, daß ich unter den Bedingungen, daß eine große Zahl von Umweltschutzgruppen echtes Interesse zeigt und Unterstützung gewährt - ich habe von vielen Gruppen Zusagen -grundsätzlich bereit bin, für Umweltschutz, aber auch Verbesserung der Demokratie in Form eines Wahlkampfes um den Bundespräsidenten einzutreten. Ich möchte sagen, daß ich gar nicht ausschließe, daß hier sogar reale Chancen gegeben sind, wenn man sich bewußt ist, daß heute unbedingt eine neue Linie eines Bundespräsidenten erforderlich ist; daß die Fragen des Umweltschutzes und der Erhaltung und der Verbesserung der Demokratie auch und in erster Linie vom Bundespräsidenten ins Auge gefaßt werden müssen.
FURCHE: Sie sind also zuversichtlich, daß Sie gegen Kirchschläger erfolgreich bestehen könnten?
TOLLMANN: Grundsätzlich ja.
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