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Chancengleichheit für die steirischen Bauern!
Vor einigen Monaten wurde mit viel Publizität die .Aktion Schnupperzug“ durchgeführt. Einigen hundert Arbeitsuchenden aus der Steiermark sollten bei Bier und Würstel Wiener Arbeitsplätze schmackhaft gemacht werden. Diese von den Initiatoren sicher gutgemeinte Aktion förderte langfristig gesehen eine äußerst problematische Entwicklung zutage: Der Zusammenballung von Investitionen und Arbeitsplätzen in wenigen Zentren steht die zunehmende Gefährdung von Arbeitsplätzen in anderen Regionen gegenüber. Die derzeit betriebene Wirtschaftspolitik leistet dazu einen erheblichen Beitrag. Die Einführung der Lkw-Steuer ist nur ein jüngstes Beispiel dafür.
Nach einer Studie der österreichischen Raumordnungskonferenz werden 1981 in der Steiermark etwa 40.000 Arbeitsplätze fehlen, während Wien ein Uberangebot um etwa 80.000 Arbeitsplätze haben wird. Mit Gastarbeitern innerhalb Österreichs oder einer Umsiedlung von Steirern, Kärntnern oder Waldviertlern nach Wien läßt sich das Problem nicht sinnvoll lösen.
Aus gesellschaftspolitischen und wirtschaftspolitischen Gründen wollen wir möglichst ausgeglichene Lebens- und Wirtschaftsbedingungen in allen Teüen unseres Staates. Es ist im gesamtgesellschaftlichen und gesamt-' staatlichen Interesse sinnvoll, die vorhandenen Chancen in den verschiedenen Wirtschaftszweigen optimal auszunützen. Gerade in der Steiermark kommt neben Gewerbe, Metallindustrie, Bergbau und Forstwirtschaft der landwirtschaftlichen Produktion eine hohe Bedeutung für die Erhaltung von Arbeitsplätzen zu.
Im Bergbauerngebiet und den Grünlandregionen sind es die Erzeugung von Zuchtrindern sowie Milchprodukten hoher Qualität, die unserer steirischen Landwirtschaft bisher gute Verkaufschancen auf Exportmärkten gebracht haben. Steirisches Zuchtvieh hat einen guten Namen, und Milchprodukte aus dem steirischen Ennstal haben eine besonders hohe Qualitätshürde übersprungen: sie dienen zur Versorgung der US-Mittelmeerflotte.
Besonders stürmisch und erfolgreich war der produktionstechnische Fortschritt steirischer Bauern in den klimatisch begünstigten Gebieten der Ost-, Süd- und Weststeiermark. Der steirische Apfel bewies in der heurigen Saison seine europäische Spitzenqualität. Chinakohl und andere Spezial-kulturen eroberten anspruchsvolle Exportmärkte in Nordeuropa. Die hohe Qualität der steirischen Schweineproduktion in Verbindung mit den Erfolgen im Maisbau braucht heute keine europäische Konkurrenz zu scheuen. Der steirische Wein hat sich ,als Spezialität einen Namen gemacht, der Kürbiskernanbau erfährt zur Zeit eine neue Entwicklung. Feldgemüse, Tabak und Hopfen sind Spezialkultu-ren, mit denen insgesamt tausenden Kleinbauern eine volle Existenz auf ihrem kleinen Hof gesichert werden kann.
Gründe für die erreichten Erfolge sind:
• aufgeschlossene, risikofreudige und fleißige Bauern;
• eine mit der Praxis eng verbundene Beratungs- und Versuchstätigkeit;
• eine gut organisierte überbetriebliche Zusammenarbeit in Erzeugung .und Vermarktung;
• zielstrebige Förderung durch das Land und die Landwirtschaftskammer.
Leider hat das Instrument der österreichischen Agraraußenhandelspoli-tik sehr große Schwächen. Zum Teü gibt es dieses Instrument überhaupt nicht.
Stark gestützte Verarbeitungsprodukte, Blumen, Obst und Gemüse aus der EG machen unseren Produzenten das Leben sauer und zum Teil die Existenz unmöglich. Die seit 1974 bestehende Ostliberalisierung bei Obst- und Gemüseverarbeitungsprodukten hat die Situation verschärft. Anderseits fehlt eine zielgerichtete Unterstützung österreichischer Exportinitiativen. Das Ergebnis einer solchen Entwicklung erkennen wir am immer größer werdenden Loch unserer Agrarhandelsbilanz. Die Stufenleiter ist beängstigend: 1975 9 Milliarden, 1976 11 Milliarden und 1977 14 Müliar-den Schilling Defizit in der agrarischen Außenhandelsbilanz. Der gesamte Exportwert der chemischen Industrie und der Fahrzeugindustrie ist bereits erforderlich, um das Loch in der Agrarhandelsbüanz abzudecken.
Die Folge einer solchen Entwicklung: Durch eine einseitige unvernünftige Agrarhandelspolitik werden die Existenzchancen tausender Kleinbauernfamilien gefährdet. Diese Bauern werden gezwungen, außerhalb der Landwirtschaft einen Arbeitsplatz zu suchen. Das wurde nun aber auch immer schwieriger. Wenn überhaupt eine Arbeit gefunden wird, so ist sie oft mit dem harten Schicksal des Wochenpendlers verbunden.
Daher ein Appell zur volkswirtschaftlichen Vernunft: Allen verantwortlichen Stellen müßte doch daran gelegen sein, alles zu tun, um die in unserer Landwirtschaft vorhandenen Chancen zu nützen! Tausenden Familien kann dadurch in den ländlichen Gebieten ihre Existenz gewahrt werden. Das ist die sicherste Maßnahme gegen die Entvölkerung dieser Regionen Damit ergibt sich aber auch ein tragfähiger Boden für Gewerbe- und Dienstleistungsbetriebe.
Anderseits ist das Loch in der österreichischen Leistungsbüanz so groß, daß wir über jeden auch noch so kleinen Wirtschaftssektor froh sein müssen, der mit hochwertigen Produkten in der Lage ist, sich im harten internationalen Konkurrenzkampf zu behaupten. Die leistungsfähige steirische Bauernschaft kann dazu einen wertvollen Beitrag leisten. Wenn man ihr die Chancengleichheit sichert!
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