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Charta gegen Parteienkriee

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Siegfried Ludwig hat sich den Rük- ken freigespielt. Genau zehn Tage vor seinem Regierungsantritt als neuer Landeshauptmann von Niederöster­reich, am 22. Jänner, hat er seinen Frie­den mit dem politischen Gegner unter Dach und Fach gebracht.

Das Parteienabkommen, am 12. Jänner von den Landesparteivorstän­den von ÖVP und SPÖ „ratifiziert“, hat sein Image als beinharter ÖAAB- Personalpolitiker zu dem eines „Lan­desvaters“ aufpoliert. Auch die „ro­ten“ Landeskinder werden ihm die Ge­folgschaft nicht verweigern können.

In Niederösterreich waren die Par­teifronten zwar oftmals eingefroren, al­lein, in den vergangenen 30 Jahren tobte zwischen ÖVP und SPÖ nicht nur der „kalte“ Parteienkrieg. Dagegen spricht das moderne Niederösterreich. Trotz Startverzögerung durch die So­wjet-Besatzung hat es den Anschluß an die anderen Bundesländer geschafft.

Das Neue am Parteipakt vom 12. Jänner: Eine gemeinsame politische Li­nie wurde in Grundzügen schriftlich fi­xiert. Und: Die „politische Eiszeit“,

von der im Land unter der Enns in den vergangenen drei Jahren so oft die Rede war, wurde beendet.

Niederösterreichs SPÖ-Chef Leo­pold Grünzweig - nicht zuletzt ist ihm das Zustandekommen des neuen Par­teiabkommens zu danken - hat nämlich nicht unrecht, wenn er meint, der poli­tische Stil in Niederösterreich habe sich in den vergangenen Jahren bedenklich dem „Freistil“ genähert.

Begonnen hat diese Zeit bereits ein Jahr vor den Landtagswahlen 1979. Da nahm die SPÖ, bislang zweitstärkste Macht im Land, einen kräftigen An­lauf: Hans Czettel, bereits Verlierer in zwei Wahlgängen, attackierte mit sei­nem neuen Landesparteisekretär Max Strache die ein wenig zu selbstsicher ge­wordene Landes-ÖVP.

Der Erfolg war nicht ausgeblieben: Im März 1979 nahm die SPÖ der ÖVP zwei Mandate ab.

Hans Czettel genoß seinen Ruf als Konsenspolitiker zu Recht. Schon da­mals sollte ein Parteiabkommen den politischen Alltag wieder normalisie­ren. Der Pakt sah eine gemeinsame Re­gierungserklärung beider Parteien vor, Ressortumverteilungen zugunsten der SPÖ in der Landesregierung und - erst­mals in Niederösterreich - hätte die SPÖ einen Landesamtsdirektor-Stell­vertreter gestellt, der auch in der ÖVP- beherrschten Personalpolitik ein Wört­chen mitzureden gehabt hätte.

Wie man hört, war der Erfolg gewis­sen SPÖ-Kreisen zu gering, gewissen ÖVP-Kreisen hingegen war der Preis zu hoch. Der Streitpunkt, der den Pakt platzen ließ, schien daher willkommen: Die von der ÖVP in Mödling provozier­ten Gemeinderats-Neuwahlen. Weil Maurer die provisorische Gemeindelei­tung nicht dem inzwischen zurückgetre­tenen SPÖ-Bürgermeister Heinrich Horny, sondern einem Regierungs­kommissär jibertrug, kam es zum Krach im Landtag.

Hans Czettel und Andreas Maurer

fanden nicht mehr zusammen: die ÖVP-Reform kam dazwischen, die große Ablöse an der ÖVP-Landes­spitze und nicht zuletzt starb Hans Czettel. Erst am 10. November 1980 lud der neue ÖVP-Landeschef Ludwig (zwei Tage nach seiner Wahl) den eben­falls neuen SP-Landesobmann Leopold Grünzweig zu neuen Parteienverhand­lungen ein.

Die Gespräche standen unter guten Vorzeichen. Das Arbeitsklima zwi­schen Grünzweig und Ludwig ist nicht durch persönliche Emotionen vorbela­stet.

Die ÖVP hatte sich durch die interne Reform vom Schock des Mandatsver­lustes erholt. Neue Männer ( Ludwig und sein Landesparteisekretär Walter Zimper) konnten die Lage der Partei ohne gekränkten Stolz klarer analysie­ren. Die gar nicht rosigen Wirtschafts- progfiosen (Niederösterreich hat die längste „tote Grenze“, seine klassi­schen Industrieregionen bedürfen drin- gendst der Innovation) drängen auf Zu­sammenarbeit.

Und der neue Mann an der SPÖ-

Spitze sollte auch möglichst bald einen politischen Erfolg einbringen. Bei der Vorstellung des neuen Parteipakts gab es daher nur strahlende Gesichter.

Möglich, daß mancher SPÖ-Funk- tionär der mittlereh oder unteren Ebene fürs Erste ein langes Gesicht zeigt. Denn Leopold Grünzweig brachte nicht einen einzigen der lange und heiß um­kämpften Bezirkshauptmänner nach Hause. Aber gerade in der Personalpo­litik, die den „Kuenringer-Ruf“ des ÖVP-dominierten Niederösterreichs begründet hatte, wurden sehr grund­sätzliche Linien festgelegt.

Künftig wird nämlich jeder Posten im Landesdienst öffentlich ausgeschrie­ben werden. Ein Personalbeirat - be­schickt von je zwei Vertretern der Ar­beitnehmer und des Landes als Arbeit­geber (einer „schwarz“, einer „rot“) wird nach beruflichen Kriterien, famili­ären Prioritäten und regionalen Erfor­dernissen die Kandidaten reihen und dem Personalreferenten (Landeshaupt­mann) vorlegen.

Die Personalvertretung in Nieder­österreich dominiert der ÖAAB. Es wird sich also nichts schon morgen än­dern. Aber die Personalpolitik ist zu­mindest offen. Und der SPÖ ist ein wichtiger Angriffspunkt gegen die VP aus der Hand genommen.

Wichtig ist auch der neue Industrie­beirat der Landesregierung. Er räumt der SPÖ mehr Einfluß auf die „séhwar- ze“ Wirtschaftspolitik ein. Fast ebenso wichtig: Beide Parteien werden künftig die Anliegen Niederösterreichs gegen­über dem Bund gemeinsam vertreten.

Dem politischen „Freistil“ aber soll ein Fairneßabkommen vorbeugen. Es klammert unwahre Behauptungen und persönliche Angriffe aus.

Ludwig hat also den Rücken frei für seine „neue Politik“. Und die SPÖ kann in Niederösterreich den „Marsch durch die Institutionen“ beginnen.

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