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Chomeinis Widersacher

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Am 20. Juni demonstrierten in Wien und anderen Hauptstädten Europas, Amerikas und Asiens Sympathisanten der iranischen Volksmodjahedin gegen den „Rassisten Chomeini und sein verbrecherisches Regime in Teheran". Anlaß dieses Protestmarsches war der dritte Jahrestag des Massakers vom 20. Juni 1981, als Revolutionsgardisten das Feuer auf eine regimefeindliche Demonstration eröffneten. Es gab einige Tote und Hunderte Verletzte.

Inzwischen hat sich gezeigt, daß die Revolution in Iran nicht anders und nicht weniger blutig verlaufen ist als andere vor ihr, auch wenn das islamische Element von seiner Ausstrahlung scheinbar noch wenig verloren hat.

Trotzdem ist die Stimmung in der iranischen Bevölkerung jetzt von der Verschlechterung der Lebensumstände und mageren Aussichten auf eine baldige Beendigung des Krieges gegen den Irak geprägt. Nur wer Geld hat, kann sich alles kaufen, die Armeren stehen mit Lebensmittelkarten Schlange.

Arbeitslosigkeit, Inflation und Korruption lassen Vergleiche mit der Schah-Zeit aufkommen -freilich nicht öffentlich. Europäische Schreckgespenste von arbeitslosen Akademikern, die als Taxifahrer oder Straßenhändler ihr Leben fristen müssen, sind in Iran längst Wirklichkeit geworden. Die versprochene Autonomie durch eine verstärkte Förderung der Landwirtschaft löste sich im Nichts auf. Die Landflucht ist enorm und der Iran vom Westen abhängig wie eh und je.

Der Iran präsentiert sich zur Zeit als eine Theokratie, deren wirkliche Ziele sich noch nicht herauskristallisiert haben. Die vordergründigen Absichten, die zumindest verbal fanatisch zum Ausdruck gebrachte Ablehnung aller westlichen Einflüsse und die Reislamisierung sind erreicht. Noch immer vermitteln die simplen, eintönigen Formeln und Parolen wie „Tod den Teufeln USA und dem Satan Sowjetunion" den Iranern das Gefühl eines neuen Selbstbewußtseins.

Aber nach dem Sturz des Schah und dem Sieg der Revolution, die die unterschiedlichen Kräfte noch vereinte, brachen alte Fronten wieder auf, verstärkte sich der Widerstand.

Mit der Flucht von Staatspräsident Bani-Sadr im Juli 1981 in das für die iranische Opposition traditionelle Exilland Frankreich endete der erbitterte Machtkampf zwischen klerikalen und nichtklerikalen Gruppen zugunsten des Mullahs.

Zuletzt wurde vergangenes Jahr die kommunistische, moskauorientierte Tudeh-Partei (Volkspartei) mundtot gemacht. Maßgeblich beteiligt an den Plänen zum Sturz des Schah vom Pfauenthron, tauchte sie 1979 aus dem politischen Untergrund auf. .Unter der Chomeini-Herrschaft war sie zwar nicht legalisiert, arbeitet aber mit dem Regime zusammen.

Um so mehr überraschte dann die plötzliche Festnahme von Tu-deh-Generalsekretär Nureddin Kianuri am 5. Februar 1983. Wenig später wurde die gesamte Führungsgarnitur inhaftiert und die Tudeh-Anhänger verfolgt. Mit der Auflösung und dem Verbot der Tudeh-Partei aber wurde das politische Spektrum auf eine einzige Partei reduziert: Chomeinis Republikanisch-Islamische Partei.

Widerstand gegen Teheran wird nunmehr auch von europäischem Boden aus geleistet. Uber die Zielsetzung des Kampfes herrscht allerdings bei den verschiedenen oppositionellen Gruppen keine Einigkeit und bei der Wahl der Mittel ist man nicht gerade zimperlich: Außer Demonstrationen und Verteilung von Flugzetteln werden auch Terroranschläge als legitime Mittel des Widerstandes betrachtet.

Was für Ziele haben die verschiedenen Oppositonsgruppen?

# Die Pro-Monarchisten wollen den Schah-Sohn wieder auf den Thron hieven.

# Anhänger von Ex-Staatspräsident Bani-Sadr proklamieren ihr Endziel mit der Installierung einer Demokratie, wie immer diese auch aussehen mag.

# Dagegen erklärte Massoud Radjavi, der im französischen Exil lebende Chef der Volksmud-jahedin, im Februar dieses Jahres in einem Interview mit dem amerikanischen Nachrichtenmagazin „Newsweek", jede Regierung sei vorstellbar, die gegen Chomeini oder schahfeindlich eingestellt sei.

Die Organisation der Mudjahe-din-Khalq (Islamische Volkskämpfer) war bis 1981 die zahlenmäßig größte Opposition im Iran. Politisch eher linksgerichtet, bekannte sie sich zwar zum Islam, war aber nie bereit, Chomeinis Kurs widerspruchslos zu folgen. Im Februar 1981 gelang es den Revolutionsgarden, das Hauptquartier der Mudjahedin zu besetzen und damit ein Zentrum des organisierten Widerstandes zumindest teilweise zu zerschlagen.

Im Pariser Exil hatten sich Bani-Sadr und Radjavi übrigens vorübergehend verbündet. Ihre persönlichen Differenzen erwiesen sich allerdings stärker als der gemeinsame Feind in Teheran. • Ein weiteres Unruhe- und Widerstandspotential sind die Kurden, die in einer gezielten Minderheitenpolitik vom Irak unterstützt werden, um den Iran von innen her zu schwächen.

Nach dem Blutbad vom Juni 1981 setzte in Iran eine Verhaftungswelle ein, die das Land in einem zuvor nicht gekannten Ausmaß überrollte und monatelang die Schlagzeilen der Medien beherrschte. Seit diesem Zeitpunkt wird auch eine scharfe Zunahme von Hinrichtungen registriert.

Laut einem Bericht von amne-sty international gab es allein 1983 624 Exekutionen (Gesamtzahl seit 1979 über 4000). Das sind allerdings nur die offiziellen Angaben beziehungsweise Schätzungen, Exilgruppen nennen Zahlen, die fünf- bis zehnmal so hoch liegen.

Folter wird von den islamischen Revolutionsbehörden schon routinemäßig angewendet. Berichte von Folterungen an Kindern oder schwangeren Frauen sind alltäglich.

Die Opfer sind nicht nur politische Gegner und deren Verwandte, sondern auch ethnische und religiöse Minderheiten, etwa die Anhänger der Bahai-Religion. Seit 1979 sind mindestens 156 Anhänger dieser „Gotteslästerer und Staatsschädlinge", wie sie offiziell bezeichnet werden, hingerichtet und rund 700 inhaftiert worden.

Zur gespannten innenpolitischen Situation in Iran trägt natürlich auch der eskalierende Krieg bei, der eine Riesenbelastung für die Wirtschaft des Landes darstellt. Zivile Kriegsschäden ergaben bereits Milliarden-Verluste.

So sehr aber das Motiv des Exports der Revolution für die Fortrührung des „Heiligen Krieges" eine Rolle spielen mag, ist auch die These nicht von der Hand zu weisen, daß das Regime den Krieg braucht, um von den enormen inneren Problemen abzulenken und nicht nur die Opposition auf den Gedanken kommen zu lassen, den falschen Propheten heimgeholt zu haben.

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