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Christen. als Brücke

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Brückenfunktion

Obwohl die 15.000 Christen, die in Jerusalem leben, nur einen verhältnismäßig kleinen Prozentsatz der 450.000 Seelen zählenden Stadt ausmachen, geht ihr politischer Einfluß weit darüber hinaus. Es gibt Unterschiede zwischen den Konfessionen, was deren Polit-Stärke angeht, aber alle versuchen irgendwie mitzumischen. Sogar das kommunistische Rußland, dessen rote russisch-orthodoxe Kirche in Jerusalem durch einige Kirchen und ein Kloster vertreten ist.

In der Jerusalemer Altstadt hingegen befindet sich die weiße russisch-orthodoxe Kirche, deren Hauptsitz sich heute in den USA befindet.

Die griechisch-orthodoxe Kirche — mit ihren rund 5.000 Gläubigen etwa gleich stark wie die Katholiken — hat mehr Einfluß, weil sie auch die meisten heiligen Stätten in ihrer Hand hält. Ein Großteil der griechisch-orthodoxen Gläubigen befindet sich als Minderheit in arabischen Ländern; mit ein Grund, warum Griechenland bis heute noch keine vollen diplomatischen Beziehungen zu Israel aufgenommen hat.

Der wichtigste politische Faktor unter den Christen Jerusalems ist ohne Zweifel die katholische Kirche mit 5.000 Mitgliedern, hauptsächlich Araber. Bei einer Anerkennung des Judenstaates durch den Vatikan wäre Israel eventuell bereit, der katholischen Kirche dazu zu verhelfen, ihr einen kleinen Teil der heiligen Stätten, deren Besitzverhältnisse nicht ganz klar sind, zukommen zu lassen — was offiziell aber nie zugegeben wurde.

Die Missionstätigkeit der verschiedenen Kirchen ist im jüdischen Israel fast Null, aber auch im arabischen Teil und ganz besonders in den besetzten Gebieten. In den verschiedenen christlichen Krankenhäusern, Waisenhäusern und Schulen gibt es keine Missionstätigkeit.

Die Tatsache, daß weder unter den Moslems noch unter den Juden christliche Missionare aktiv sind, erlaubt es den christlichen Konfessionen, ihren besonderen Status in Jerusalem beibehalten zu können. Es gab zwar immer wieder jüdische und moslemische Fanatiker, die versuchten, christliche Institutionen bei ihrer Tätigkeit zu stören, doch im allgemeinen leben die Christen heute ungestörter denn je im Heiligen Land.

Um nur ein Beispiel zu geben: Zur Zeit der jordanischen Besetzung wurde fast neben jeder Kirche eine Moschee errichtet, deren Türme den Kirchturm überragen mußten. Die Schriften der Kirchen wurden zensuriert und — wichtiger noch — das Unterrichtsmaterial in den .christlichen Schulen mußte dem jordanischen angeglichen werden und sollte keinerlei christliche Fächer enthalten.

Heute sind die Christen die einzigen, die mit den Juden und mit den Arabern in friedlichem Einvernehmen zusammenleben. Vielleicht bilden sie eines Tages die Brücke zwischen beiden Völkern, damit endlich wahrer Friede in Jerusalem einkehrt.

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