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Christen und Buddhisten im ZiWiegespracQ

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Ohne viel Lärm findet in diesen Tagen ein kulturgeschichtlich bemerkenswertes Ereignis statt: Der Buddhismus, bislang vertreten durch die Buddhistische Gesellschaft, wird in Osterreich als Religion anerkannt. Die Lehre Buddhas erhält dadurch denselben rechtlichen Status wie Christentum, Judentum und Islam.

Die Begegnung zwischen dem Abendland und Asien ist, wie es scheint, in eine neue historische Phase getreten. Die vielschichtigen internationalen Beziehungen bewirken nicht bloß auf der industriellen und wirtschaftlichen, sondern auch auf der kulturellen Ebene einen Austausch in bisher nicht möglichem Maß.

Hierzulande bringt das umfangreiche Angebot östlicher Praktiken und davon inspirierter Heilslehren - mehr oder minder gedankenlos und neugierig konsumiert — einen eigenartigen Synkretismus hervor, während man gleichzeitig immer wieder von der Unvereinbarkeit von westlichem und östlichem Denken, europäischer und asiatischer Kultur hört.

Daß es auch anders sein kann, zeigen die Fakten. Denn neben den vielen fragwürdigen Methoden, Lehren und Gruppierungen findet auch eine ernstzunehmende Begegnung zwischen abendländischer Kultur und Buddhismus (hier hauptsächlich dem Zen-Buddhismus) statt.

Nicht nur für Künstler und Philosophen, auch für das Christentum hat Zen Bedeutung bekommen: als Praxis der Meditation. Das theologische Gespräch darüber, daß diese Methode der Kontemplation übernommen werden kann, ohne daß Christentum oder Zen seine Eigenart verlieren, ist erst am Anfang. Es zeigt aber, daß eine sehr weitreichende Verständigung möglich sein kann.

Die Schwierigkeiten eines interkulturellen Gesprächs entstehen vor allem durch die verwendeten Begriffe. Denn selbst die Ähnlichkeit zweier Ausdrücke bedeutet nicht, daß beide dasselbe meinen. Der zur Zeit gangbarste Weg für die Reflexion scheint der Vergleich von „Grundbildern westlichen und östlichen Denkens" (so der Untertitel des von H. Rombach herausgegebenen Bandes „Sein und Nichts") zu sein. Denn anhand von Bildern und ihrer Interpretation lassen sich Entsprechungen, Ähnlichkeiten, Unterschiede und Identisches am deutlichsten feststellen.

Interpretiert werden in den „Grundbildern" ein Hauptwerk der deutschen Malerei des 16. Jahrhunderts (H. Baidung Grien: Krönung Mariens) und ein bedeutendes Werk der chinesischen Malerei des 13. Jahrhunderts (L'iang K'ai, Der den Berg hinabsteigende Sakyamuni [Buddha]). In beiden Bildern geht es um das Verhältnis des Endlichen und Unendlichen, des Niedrigen und Höchsten; um Menschliches und Göttliches.

Der Unterschied liegt weniger in den Bildern und mehr in der Art der Interpretation. Der Europäer Rombach entfaltet eine reichhaltige Analyse der Strukturen des Bildes und schließt daraus auf eine neue „Theologie des Geistes". Die Erfassung des Bildes ist damit für ihn geglückt.

Der östlichen Weise zu sehen und zu denken (wie sie Koschi Tsushimura und Ryosuke Ohashi ihrerseits in der Bildinterpretation theoretisch vorführen) ist das aber nicht genug. Für sie beginnt die Wirklichkeit des Bildes erst, wenn man die Analyse beiseite gelassen hat, um zu dem „schöpferischen Anfang" zu gelangen. Nach der traditionellen Ausdrucksweise ist diese Wirklichkeit das „Nichts".

Die Betonung des „Nichts" hat der buddhistischen Philosophie häufig den Vorwurf des Nihilismus eingetragen, aber das trifft nicht zu. Für den Europäer bedeutet „nichts" im allgemeinen das Gegenteil von „etwas", das man bestimmen und unterscheiden kann.

Das „Nichts" des Buddhismus dagegen bedeutet: Fülle ohne Grenzziehungen und Unterscheidungen. Der negativen Theologie und Mystik des Mittelalters und der Neuzeit ist dieses „Nichts" bekannt: Ekkehard redet zum Beispiel davon, und Johannes vom Kreuz spricht von der „bildlosen Schau", der „Nacht der Seele". Durch die Entwicklung des technisch-rationalen Denkens ist die Bekanntschaft damit aber in den Hintergrund gedrängt worden.

Das Gespräch zwischen den Kulturen wird, wenn es ernst gemeint ist, sich nicht auf den — zweifellos auch interessanten — Austausch kultureller Denkwürdigkeiten beschränken können, sondern wird besser aus einer gemeinsamen Dimension geführt werden. Die dafür nötige Rückbesinnung auf unsere eigene Tradition und Praxis könnte nicht nur der Verständigung zwischen Völkern und Kulturen dienen. Die Begegnung zwischen der abendländischen und der östlichen Kultur stellt vielleicht eine der Chancen für das Uberleben der Menschen dar.

SEIN UND NICHTS. Grundbilder westlichen und östlichen Denkens. Herausgegeben von H. Rombach. Mit Beiträgen von H. Rumbach, K. Tsushimura und R. Ohashi. Herder Verlag, Freiburg i. Br., 1982.71 Seiten, öS 273,60.

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