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CHRISTENTUM UND AFRIKA

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Vor 100 Jahren, am 26. November 1892, starb Kardinal Charles Lavigerie. Er gilt als Pionier der Afrikamission und gründete die Gesellschaft der „Weißen Väter" und „Weißen Schwestern". Im Kampf gegen den Sklavenhandel plante er ein internationales Treffen in Luzern, das dann allerdings nach Brüssel verschoben werden mußte. Er bahnte den Weg zu einem neuen Missionsverständnis, das erst heute zum Durchbruch kommt.

Lavigerie stammte aus Bayonne (Frankreich), studierte Jus, Theologie und Literatur, dozierte bereits mit 28 an der Sorbonne Kirchengeschichte. Doch es zog ihn in die Missionen, in den Vorderen Orient und nach Afrika. In Syrien und im Libanon erfuhr er Gefahr und Größe des Islam auf eine erschütternde Weise: 1860 wurde er Zeuge des Massakers an 200.000 Christen durch moslemische Drusen.

1863 wurde Lavigerie zum Bischof von Nancy ernannt. Drei Jahre später nahm er begeistert das Angebot des französischen Gouverneurs von Algier Mac Mahon an, den Bischofssitz von Algier einzunehmen. Die Not in Algier beschleunigte seinen Willen, die Gesellschaft der „Weißen Väter und Schwestern" (1868/69) ins Leben zu rufen. Lavigeries Endziel war sicher die Bekehrung der Moslems. Der Dialog unter den Religionen war damals noch nicht gefragt. Aufgrund bitterer Erfahrungen verfiel auch er zeitweise in die für die meisten Christen typische Defensivhaltung gegenüber dem Islam.

Lavigeries Herz brannte für Afrika

- und das zu einer Zeit, als dieser Kontinent von den europäischen Mächten im Namen von Zivilisation und Wissenschaft zerteilt und gedemütigt wurde. Zum Symbol des nationalstaatlichen Wettlaufs nach Afrika wurde die Berliner Kongokonferenz von 1884/85. Afrika wurde aber nicht nur durch Europa ausgebeutet, sondern verblutete am Sklavenhandel, der von Arabern und mit ihnen kooperierenden schwarzen Häuptlingen betrieben wurde. Lavigerie stemmte sich gegen den Sklavenhandel. Erfand Unterstützung durch die europäische Antisklaverei-Bewegung, die seit der Französischen Revolution erstarkt war.

Er besuchte die Hauptstädte, um die Regierungen 1889 zu einem An-tisklaverei-Kongreß in Luzern zu bewegen. Die schweizerische Neutralität und die kulturelle Stellung Luzerns schienen ihm günstige Voraussetzungen zu bieten. Leider mußte der bis ins Detail vorbereitete Kongreß wegen Absage der Franzosen ausfallen und wurde dann am 18. November 1889 in Brüssel abgehalten. Der Sklavenhandel wurde in allen Kolonien unterbunden. In verdeckter Form lebt er aber bis heute fort. Das Militärregime des Sudan etwa (das das moslemische Gesetz auch den nicht-moslemischen schwarzen Stämmen des Süden aufzwingen will), ließ friedliche Dinka-Dörfer überfallen, deren Männer getötet, Kinder und Frauen aber auf geheimen Sklavenmärkten verkauft wurden.

Die tiefgreifende Politik Lavigeries gegen die Sklaverei demonstriert deutlich, daß sich die Kirche nicht aus „geistlichen Gründen" der Politik entziehen darf, wenn es um die Menschenrechte geht.

Das Bewußtsein von der Würde des afrikanischen Menschen bewog Lavigerie, die Inkulturation voranzutreiben. Es ging nicht mehr um die Überlegenheit westlich-christlicher Zivilisation, sondern um Anpassung an die Kulturen der afrikanischen Völker, nicht „ungläubige Heiden" sollten bekehrt werden, sondern ihnen der schon vorhandene Reichtum des Glaubens erschlossen und Brücken des Verständnisses zu anderen Religionen geschlagen werden.

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