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Christliche Literatur? Wettbewerb als Wagnis

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Teilnehmer eines literarischen Wettbewerbs machen sich das Leben nicht leicht. Sie stellen sich dem Urteil einer Jury, deren Mitglieder ihnen höchstens dem Namen nach bekannt sind; sie unterwerfen sich den Bedingungen der Ausschreibung; sie müssen ihre Manuskripte sauber abtippen, zeitgerecht einreichen.

Aber auch die Veranstalter gehören nicht immer zum Kreis jener Leute, die sich durch die Verleihung eines oder mehrerer Preise selbst ehren und sich mit fremden Federn schmücken wollen.

Wir, Veranstalter des Wettbewerbes „Christliche Literatur” — unsere Freunde vom Verlag Sty-ria, und wir von der FURCHE -, waren unserer Sache gar nicht so sicher. Der Ausschreibung des Wettbewerbes waren lange Diskussionen vorangegangen. Gibt es im Jahre 1982 im deutschen Sprachraum überhaupt noch eine christliche Literatur? - so lautete die eine Frage. Ihr folgten andere. Wenn es eine christliche Literatur gibt, wie ist sie beschaffen? Ist nicht jede gute Literatur eo ipso auch christlich? Die hitzigen Debatten brachten keine befriedigende Antwort. Und also war es wichtig, die Frage nicht uns selbst, sondern den Autoren zu stellen. Theoretisieren können viele, schreiben, gut schreiben, nur wenige.

So kam es dann zur Ausschreibung des Wettbewerbes. Manche von uns rechneten mit geringer Beteiligung. Wo wären die bedeutenden Autoren des deutschen Sprachraums, die sich zum Christentum bekannten wie seinerzeit Bernanos oder Claudel? Wurde das Christentum als bewegender Geist der Literatur in jüngster Zeit nicht immer wieder totgesagt?

Das Ergebnis überraschte. 299 Autoren aus zehn Ländern schickten mehr als 400 Prosatexte. In ihrer Beteiligung am Wettbewerb lag die Bereitschaft, sich zum Geist des Christentumes zu bekennen.

„Zur Teilnahme eingeladen”, so hieß es in der Ausschreibung des Wettbewerbes, „sind alle Autoren, die in deutscher Sprache schreiben und sich in ihrem Schaffen dem Christentum und seiner Botschaft verbunden fühlen.” Und es folgte der Versuch einer Definition, in langen Diskussionen entstanden und in ihrer Endfassung von Alfred Focke SJ formuliert:

„Christliche Literatur ist nicht nur Bestätigung des Christentums, sondern auch dessen Herausforderung: Sie schildert den Menschen, der den Sinn des Lebens in Gewißheit oder Ungewißheit voll Vertrauen und voll Zweifel und immer als Wagnis zu verwirklichen sucht.”

Unser Freund, Pater Focke, hätte dann auch in der Jury mitarbeiten sollen. Er ist Mitte August von einer Wanderung in den Osttiroler Bergen nicht zurückgekehrt.' Sein zitierter Beitrag zur Ausschreibung des Wettbewerbs wurde durch die Tragödie zum Vermächtnis.

Die Autoren deuteten freilich die Zielsetzungen des Wettbewerbs, ihrer inneren Einstellung und der Richtung ihrer Begabung gemäß, individuell. Sie schickten erregende, spannungsgeladene Novellen und erbauliche Traktate, kleine Schilderungen alltäglicher Episoden und biblische Parabeln oder Nacherzählungen von Themen der Heiligen Schrift, Anekdoten aus dem ländlichen Leben und aufwühlende persönliche Bekenntnisse. Das Spektrum war breit, das Gesamtbild zeigte die pluralistischen Möglichkeiten der erzählenden Prosa unserer Zeit.

Manche Autoren schickten auch Briefe. Sie nannten ihre Gründe, sich am Wettbewerb nicht zu beteiligen: Zeitmangel, prinzipielle Einwände, keine unveröffentlichten Manuskripte, usw. Auch die Briefe waren lehrreich.

Und lehrreich waren auch die langen Diskussionen der Juroren. Da stand nicht nur Geschmack gegen Geschmack, sondern auch Standpunkt gegen Standpunkt. So wurde der Wettbewerb zum bescheidenen, aber nicht unbedeutenden Beitrag zur Kulturgeschichte unserer Zeit.

Daß wir allen Autoren, die ihre Manuskripte vorgelegt haben, herzlich danken, versteht sich von selbst. Die fünf preisgekrönten Arbeiten werden in der FURCHE erscheinen, neben ihnen die interessantesten auch in der Anthologie des Verlages Styria. Das letzte Urteil bleibt dem Leser überlassen.

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