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Christlicher Sozialrealismus
Johannes Messner, deram 16. Februar seinen 90. Geburtstag feiert, warin einer mehr als sechzigjährigen Forschungstätigkeit bestrebt, seine Vorschläge zur Gestaltung des gesellschaftlichen Zusammenlebens aus den Realitäten abzuleiten. Er hat den christlichen Sozialrealismus geprägt. Das Lebens werk dieses großen Österreichers ist ein geistiger Fundus, auf den die folgende Generation von Sozialwissenschaftlern und Politikern sicherlich noch zurückgreifen wird.
Johannes Messner, deram 16. Februar seinen 90. Geburtstag feiert, warin einer mehr als sechzigjährigen Forschungstätigkeit bestrebt, seine Vorschläge zur Gestaltung des gesellschaftlichen Zusammenlebens aus den Realitäten abzuleiten. Er hat den christlichen Sozialrealismus geprägt. Das Lebens werk dieses großen Österreichers ist ein geistiger Fundus, auf den die folgende Generation von Sozialwissenschaftlern und Politikern sicherlich noch zurückgreifen wird.
Im Bereich der katholischen Gesellschaftslehre kann man heute je nach den benutzten Erkenntnisquellen unterscheiden zwischen einer päpstlichen Soziallehre, die sich von den Enzykliken und anderen päpstlichen Äußerungen zu sozialen Problemen ableitet, einer kirchlichen Soziallehre, die auch andere Äußerungen des kirchlichen Lehramtes (Konzilsdokumente, Kirchenväter, Hirtenbriefe, Katholikentagsdokumente etc.) heranzieht, sowie der christlichen Soziallehre, in deren Rahmen sich Wissenschaftler mit sozial- ethischenProblemenauseinandersetzen, die sich auf das christliche Menschenbild stützen, wie es in den Realitäten immer wieder aufs neue seine Bestätigung findet.
In dieser Sicht war Johannes Messner zeitlebens ein Repräsentant der letzteren Gruppe. In einer heute mehr als sechzigjährigen Forschungstätigkeit war er stets bestrebt, seine Vorschläge zur Gestaltung des gesellschaftlichen Zusammenlebens aus den Realitäten abzuleiten, wie sie aus den Ergebnissen der verschiedenen Disziplinen der Gesellschaftswissenschaften erkennbar sind.
Messner hat nicht nur in Brixen Theologie und bei Max Scheier Philosophie studiert, sondern auch Rechts- und Staatswissenschaften in Innsbruck, sowie in München Nationalökonomie bei Adolf Weber und Soziologie bei Max Weber.
In den Jahren der Emigration hat sich ihm in Birmingham (an der Wirkungsstätte John Henry Newmans) die angelsächsische Literatur mit ihrer spezifischen Realitätsbezogenheit erschlossen.
Angesichts der sehr kontroversen Reaktionen aus dem sehr weit gespannten Spektrum der katholischen Sozial
lehre zur Frage der Wirtschaftsordnung ging es Messner schon in seiner Habilitationsschrift (Sozialökonomik und Sozialethik, Paderborn 1927) darum, „die Bedeutung der neueren Volkswirtschaftslehre für die Lösung der unserer Zeit auferlegten unbestreitbar großen und drängenden Aufgaben der Sozialethik zu zeigen und fruchtbar zu machen“.
Johannes Messner hat schon sehr frühzeitig aufgezeigt, daß die „Soziale Frage“ mit Recht in der Frühphase der Industrialisierung als Arbeiterfrage verstanden wurde, damals aber schon gleichzeitig auch eine Frage des Gewerbestandes und der Landwirtschaft gewesen ist, sich dann aber bald zur Frage nach einer gerechteren Gesamtordnung der Gesellschaft entwickelte und heute insbesondere die Probleme der Entwicklungsländer als das globale Sozial
problem unseres Jahrhunderts angesehen werden muß. Der Frage, was die Soziale Marktwirtschaft sozial macht, kann nur dieses weit ausholende Verständnis zugrunde liegen.
Die Leistungen des konkurrenzgesteuerten Marktes für das Gemeinwohl bezeichnete Messner als die „Sozialfunktion des Wettbewerbs“ und verstand darunter die größtmögliche Produktion zur Versorgung der Gesellschaft, die Belohnung für Fleiß und Sparsamkeit, die bestmögliche Nutzung der Ressourcen, die Berücksichtigungen der Wünsche der Konsumenten, größere Innovations- und Anpassungsfähigkeit der Wirtschaftsstruktur und damit eine bessere Koordinierung der Betriebe und Haushalte als in jedem anderen alternativen System.
Als entscheidendes Kriterium einer effizienten Wirtschaft hat Messner stets die Produktivität bezeichnet als Maßstab für den Arbeits- und für den Kapitaleinsatz.
Seine Arbeiten haben sehr wesentlich dazu beigetragen, daß der bis zu seinem Wirken noch wenig gepflegten Ethik der Wirtschaft in den modernen Sozialwissenschaften der ihr gebührende Platz eingeräumt wird. Er hat damit die wissenschaftlichen Grundlagen für eine Zeit gelegt, die heute im Begriffe ist, nach dem Versagen rein mechanistischer Ordnungssysteme der Notwendigkeit des allgemeinen Vertrauenskonsenses und einer entsprechenden Grundhaltung des einzelnen den entsprechenden Stellenwert wiederzuzugestehen.
In der Persönlichkeitsethik hat Messner in der Bedeutung des Gewissens als Richtschnur für ethisches Verhalten einen gerade im katholischen Raum richtungweisenden Schritt getan, in welchem auch viele Beobachter der nachkonziliaren Szene eine der beachtenswertesten Entwicklungen der heutigen Kirche sehen: Nach ihrer - und Messners - Meinung war bis dahin eine Gesetzesethik mit mehr oder weniger ausgeformten Verboten und Geboten für jede einzelne Gewissensentscheidung maßgebend.
Für eine Entscheidungsethik mit dem Blick auf die Situationsbedingtheit des Gewissensurteils und auf die Stellung der Gewissensnorm in konkreten
Verhaltensfragen bestanden nur Ansätze. Die von Messner geforderte „Situationsethik“ kann nur allzu leicht als bequemer Pragmatismus denunziert werden, ist aber alles andere als das:
Sie ist sicherlich anspruchsvoller als die reine traditionelle Gehorsamsethik. Sie trägt dem heutigen Bewußtsein der Eigenverantwortung des Menschen wie auch der Komplexität der im Einzelfall in Konflikt geratenden Wertüberlegungen Rechnung.
Die zahlreich bisher zu Ehren Johannes Messners erschienenen Festschriften und ihm gewidmeten Schriftenreihen sowie die häufigen Zitierungen in einschlägigen in- und ausländischen Arbeiten zeigen, daß er - in einem weiteren Sinne - schon jetzt „Schule" bildend wirkt.
Dieser große Österreicher bietet mit seinem Lebenswerk, das heute sicher den Umfang von 10.000 Seiten überschreitet und auch in englischer, spanischer, französischer und japanischer Sprache verbreitet ist, einen geistigen Fundus, auf den die folgende Generation von Sozialwissenschaftlern und Politikern sicherlich noch zurückgreifen wird.
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