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Christus ist Heimat

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Jesus preist seinen Vater, den Herrn des Himmels und der Erde, weil er in ihm seine Heimat hat. Jesus weiß sich in Gott verwurzelt und geborgen. Er hat den Menschen diese Heimat geöffnet, er hat Ruhe und Geborgenheit ausgestrahlt.

Seinem Lobpreis auf den Vater folgt unmittelbar die Einladung: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen!" (Mt 11,28). Und den Jüngern hat er ein Zuhause gegeben, wenn er sagt: „Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus!" (Mk 6,31).

Jesus hat dem einfachen Volk Heimat gegeben; er hatte Mitleid mit den Leuten, „denn sie waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben" (Mt 9,36). Jesus hat das Volk geliebt, er hat für das Volk gelebt und es gegen alle Führer des Landes verteidigt.

Auch zu den Häretikern hatte Jesus eine besondere Zuneigung - zum Beispiel zu den Samaritern, die zwischen Galiläa und Judäa lebten. Von ihnen stellt er einen heraus als Beispiel für Barmherzigkeit und Nächstenliebe (vgl. Lk 10,25-37).

Uber einen anderen Samariter wundert sich Jesus, denn ausgerechnet er -und nur er - kehrt um und dankt Gott für die Heilung. Jesus stellt die Frage in den Raum, warum nur dieser Fremdgeborene auf die Idee kommt, Gott zu danken für das Heil (vgl. Lk 17,11-19).

Sogar Heiden finden bei Jesus Heimat, wenn er den Knecht des römischen Hauptmannes von Kafarnaum (vgl. Mt 8,5-13) oder die Tochter der sy rophöni-zischen Frau (vgl. Mk 7,24-30) heilt.

Jesus hatte seine Heimat in Gott, dem barmherzigen Vater, und er hat diese seine Heimat den Menschen, die ihm begegnet sind, weitergegeben. Er hat seine Heimat geöffnet.

So haben wir Christen in Jesus eine Heimat - unabhängig von allen Leistungen und aller Bravheit. Trotz aller Sünde sind wir durch Jesus in Gott verankert. Wir dürfen uns in Gott geborgen wissen.

Im Beten oder an Festen kann der Christ etwas von dieser Heimat ahnen, von der Heimat, die gegen allen Anschein der Weit erlebt werden kann. Zu Weihnachten ist es das heimatlose Jesuskind, das den Menschen Heimat gibt.

Friede und Geborgenheit gehen von einer Familie aus, die fern von ihrer Heimat unterwegs ist, sie findet keine Herberge in Betlehem und so kommt Jesus, der Friedensfürst, im Stall zur Welt.

An dieser Krippe dürfen wir wie die Hirten und Weisen erfahren, daß Gottes Friede auf Erden Wirklichkeit wird. Allen wird eine neue Heimat geschenkt, eine Heimat, die in Gott gegründet ist und in seiner unbegreiflichen Liebe.

Wer zu Weihnachten diese Heimat erlebt, hat die Verpflichtung, sie weiterzugeben und anderen zu öffnen. Wie es Jesus getan hat. Und umgekehrt gilt: Nur wer anderen zur Heimat verhilft,wird selbst Heimat erfahren und feiern können!

Da aber stellen sich Fragen. Warum gelingt es uns Christen nicht, zu Weihnachten Gäste einzuladen? Warum schaffen es unsere Familien nicht, andere an ihrer Freude teilhaben zu lassen? Warum hat ein Gastarbeiter an un-

serem Weihnachtstisch keinen Platz? Warum sind gerade an Weihnachten Flüchtlinge, Gefangene und Kranke so ausgestoßen?

Ich bin nicht so utopisch, anzunehmen, daß wir es schon dieses Jahr fertigbringen, einen Fremden zu unserem

Fest einzuladen. Ob das überhaupt die Lösung wäre?

Dieses Weihnachtsfest wird wieder so stattfinden, daß die Christen sich isolieren. Sie werden das Flüchtlingselend und das Problem aller Heimatlosigkeit wenigstens für Stunden zu verdrängen suchen. Es geht vielleicht gar nicht an-ders. Obwohl wir in unseren Kreisen so festgelegt und auch kräftemäßig bis an den Rand ausgelastet sind, ist zu diesen

Weihnachten eine Öffnung möglich: indem wir beginnen, uns selbst zu ändern!

Als Herausforderung dazu will ich Ihnen ein paar Zahlen in Erinnerung rufen. Im letzten Jahr sind zwölf Millionen Kinder verhungert, insgesamt zwischen 45 und 50 Millionen. Die Flüchtlinge der Erde werden derzeit auf 16 Millionen geschätzt.

Durch Einladungen zu unserem Weihnachtsfest können wir diese Heimatlosigkeit nicht beseitigen. Was tun die Leute, wenn sie nach dem Fest wieder unser Haus verlassen müssen? Gedemütigt durch unser festliches Entgegenkommen? Erleben sie dann die Not während des ganzen Jahres nicht noch schlimmer?

Wir dürfen nicht die Art der Ankunft Christi übersehen, die darin besteht, daß er uns stört mitten in unseren Plänen und Vorbereitungen und sogar mitten in unserer Frömmigkeit. Plötzlich steht er vor der Tür und will mit uns Mahl halten, bei uns Aufnahme finden. Wie es im letzten Jahr passiert ist, als zu einer unmöglichen Zeit - nach den Feiertagen, als die Leute schon erschöpft waren vom Gutsein - die Österreicher dem Aufruf der Caritas gefolgt sind und Millionen gespendet haben!

Nicht nur das, die Leute haben ihre Häuser und Herzen geöffnet. Diese überraschende, ungeplante, ja störende Ankunft Christi ist es, in der uns Gott an Weihnachten Heimat schenkt.

Im Fest dürfen wir die Erfahrung machen, daß das heimatlose Christkind uns Heimat in Gott geschenkt hat.

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