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Christus neu entdeckt

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In der christlichen Tradition sind das „leere Grab" Jesu Christi in Jerusalem, die Gräber von Petrus und Paulus in Rom, sowie des Jakobus in Compostela, für Tausende von Wallfahrern zum Ort der Sinnfindung und Glaubensvertiefung geworden. Was aber bewegt die Menschen auch heute noch, sich auf den Weg zu machen?

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In der christlichen Tradition sind das „leere Grab" Jesu Christi in Jerusalem, die Gräber von Petrus und Paulus in Rom, sowie des Jakobus in Compostela, für Tausende von Wallfahrern zum Ort der Sinnfindung und Glaubensvertiefung geworden. Was aber bewegt die Menschen auch heute noch, sich auf den Weg zu machen?

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Es ist die Sehnsucht, sich vom Getriebe des Alltags zu lösen. In der Zeit des Unterwegsseins finden die Menschen wieder Zeit zum Nachdenken. In der Stille können sie wieder bewußt die Nähe Gottes erfahren. In der Gemeinschaft finden sie Geborgenheit, Hilfe und Trost. In der Einfachheit der Pil-- gerschaft erkennen sie, daß Besitz nicht alles ist.

Beieinigen ist sicherauch Abenteuerlust und Neugierde der Anlaß, sich einer Pilgerfahrt anzuschließen. Doch ist dies nicht auch eine Art Suche nach Sinn? So habe ich es jedenfalls bei meinen eigenen Wallfahrten erlebt.

Im August 1989 fuhren wir mit zehn Bussen von Wien Richtung Santiago de Compostela (Spanien) zum Weltjugendtreffen mit dem Papst. Wir waren Jugendliche aus Österreich, Polen, Ungarn und Jugoslawien. Es war wahrlich eine Pilgerfahrt! Sieben Wallfahrtsorte lagen auf unserer Route: Paray le Monial, Le Puy, Lourdes... Wir sind damit den alten Pilgerweg (Jakobusweg) nach Santiago nachgezogen. Die Reise war beschwerlich: lange Busfahrten, Fußmärsche, Übernachtung im Schlafsack in, Lagerhallen, im Freien...

Wasser war manchmal Mangelware: In Lourdes zum Beispiel wurden uns einfach die Duschen abgeschaltet, wegen Wassermangels. Manche von den Jugendlichen duschten sich gerade. In Santiago schliefen wir auf bloßer Erde in Militärzelten oder im Freien. Stundenlang mußte man sich anstellen für Essen, Duschen, Klo.

Trotz all dieser Strapazen und Mühen war tiefer Friede und Freude bei den Jugendlichen zu spüren. Es wurde getanzt, gesungen und musiziert. Die Erfahrung der Gemeinschaft war für viele ein großes Erlebnis. So konnten einige wieder den Weg zu Gott finden oder ihr müdes, verhärtetes Herz neu der Gnade Gottes öffnen. Anderen wiederum wurde eine tiefe Erfahrung der Nähe Gottes geschenkt.

Höhepunkt jedes Tages war die Heilige Eucharistie. Es gab viele Möglichkeiten zur Aussprache und Beichte. Sie wurden zahlreich angenommen. Mit großer Freude wurde der Papst erwartet und begrüßt. Tief drangen seine Worte in

die bereiten Herzen, als er von der Liebe Christi sprach, der für uns Weg, Wahrheit und Leben ist. „Christus entdecken ist das schönste Abenteuer eures Leben", als er vom Dienen als Menschsein für andere sprach und uns zurief: „Die Zukunft hängt von euch ab, nehmt eure Verantwortung wahr!"

Im Juli 1990 pilgerten wir, eine Gruppe von 150 Personen aus zwölf Nationen, durch England. Unser Motto war es, für England zu beten.

Unser Weg führte uns zu vielen Orten dieses Landes, zu ehemals wichtigen' Marienheiligtümern. Mit alten, immer wieder zusammenbrechenden englischen Bussen und zu Fuß waren wir unterwegs. Die äußeren Umstände und der Komfort waren auch diesmal bescheiden. Aber auch bei dieser Wallfahrt war die Heilige Eucharistie das Zentrum des Tages. „Die Nahrung auf diesem Pilgerweg ist für die Gemeinschaft der Glaubenden die Eucharistie."

Das Wunder dieser Wallfahrt, wenn ich das so ausdrücken kann, war die Harmonie, die Einheit und der Friede, trotz der verschiedenen Nationalitäten und Sprachen. Aus West und Ost waren Jugendliche verschiedenster Altersklassen zusammengekommen.

Und dennoch: Als einer der Busse spät nachts noch immer nicht an seinem Zielort angekommen war und sich der Rest der Gruppe Sorgen wegen seines Verbleibs machte, beschlossen alle, die schon angekommen waren, einstimmig, die ganze Nacht abwechselnd für die Abwesenden zu beten. Eine Küche wurde kurzfristig zur Kapelle umgewandelt. Diese Erfahrung der Gemeinschaft war für viele ein tiefes Erlebnis!

Die Bevölkerung, Priester und Mönche der Orte, an denen wir Station machten, waren voll Freude und Dankbarkeit über unser Kommen. Bleibende Freundschaften wurden geschlossen zwischen Spaniern und Tschechen, Österreichern und Polen, Schweizern und Portugiesen...

Diese Erfahrungen haben mich gelehrt, daß Wallfahren ein Weg der Kirche sein kann. Wallfahrt ist Weg der inneren Erneuerung, ist Glaubensvertiefung, ist Stärkung des Gemeinschaftssinnes, der Solidarität unter den Brüdern und Schwestern, kann aber auch Hilfe zur Entdeckung der persönlichen Berufung sein.

Wallfahrt hat auch missionarischen Charakter. Am Christkönigsfest 1984 rief der Papst in einer Ansprache den Jugendlichen zu: „Wir werden gemeinsam feiern, künden und bezeugen, daß Christus, der Friedensfürst, unser Friede ist. Er lebt in den Herzen der versöhnten Menschen, die den Frieden erbauen wollen."

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