6805736-1972_06_04.jpg
Digital In Arbeit

Clinch mit Föderalisten

19451960198020002020

Bis zum Sommer dieses Jahres will Finanzminister Doktor Androsch die Verhandlungen üher einen neuen Finanzausgleich, der die finanziellen Beziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden regelt, abgeschlossen haben. Erste Äußerungen von Dr. Androsch (aber auch von Bundeskanzler Kreisky) lassen nicht daran zweifeln, daß mit dem ersten Finanzausgleichsgesetz einer sozialistischen Alleinregierung jene föderalistischen Tendenzen, die seit dem Ende des zweiten Weltkrieges den Ländern einen stärkeren Einfluß auf die Gestaltung des Finanzausgleiches zugeordnet haben, wieder gestoppt werden sollen.

19451960198020002020

Bis zum Sommer dieses Jahres will Finanzminister Doktor Androsch die Verhandlungen üher einen neuen Finanzausgleich, der die finanziellen Beziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden regelt, abgeschlossen haben. Erste Äußerungen von Dr. Androsch (aber auch von Bundeskanzler Kreisky) lassen nicht daran zweifeln, daß mit dem ersten Finanzausgleichsgesetz einer sozialistischen Alleinregierung jene föderalistischen Tendenzen, die seit dem Ende des zweiten Weltkrieges den Ländern einen stärkeren Einfluß auf die Gestaltung des Finanzausgleiches zugeordnet haben, wieder gestoppt werden sollen.

Werbung
Werbung
Werbung

Androsch motiviert seine Absichten insbesondere mit dem Argument, daß sich die Anteile der Länder und der Gemeinden seit dem letzten Finanzausgleich im Jahre 1967 gegenüber dem Bundesanteil bedeutend vergrößert haben. Dieses Argument sticht freilich nicht, weil es die Entwicklung der Bruttoausgaben der einzelnen Gebietskörperschaften völlig unberücksichtigt läßt. Wohl stiegen die Bruttoeinnahmen der Länder und Gemeinden von Beginn 1967 bis Ende 1970 um 32 Prozent und die des Bundes nur um 25 Prozent; in derselben Periode entwickelten sich aber auch die Bruttoausgaben sehr unterschiedlich: die des Bundes stiegen bloß um 26 Prozent, die der Länder und Gemeinden hingegen um 33 Prozent. Das stärkere Ansteigen der Länder- und Gemeindeausgaben wurde vor allem durch das progressive Wachstum der Bildungs-, Er-ziehungs- und Gesundheitsdienstinvestitionen (Krankenhäuser!) bewirkt.

Eben deshalb ist auch der Anteil der Bundesländer und Gemeinden an den Bruttoausgaben des öffentlichen Sektors zwischen 1955 und 1970 von

23,8 auf 28,8 Prozent gestiegen, der des Bundes hingegen von 55,2 Prozent auf 47,0 Prozent gefallen. Die Tatsache, daß in Österreich die Haushalte der Länder und Gemeinden stärker steigen als der des Bundes, widerspricht im übrigen dem sogenannten Popitzschen „Gesetz von der Anziehungskraft des übergeordneten Haushalts“ und beweist damit zugleich, daß der Föderalismus in den letzten 26 Jahren doch mehr war als eine Leerformel politischer Festredner.

Zentralistische Tendenz

Diese föderalistischen Tendenzen sollen nun nach den erklärten Willen der sozialistischen Alleinregierung zumindest gebremst werden. Dies ungeachtet der Tatsachen, daß die Länder und Gemeinden rund zwei Drittel aller Investitionen des öffentlichen Bereiches vornehmen, daß ihr Investitionsverhalten in einer bloß größenmäßigen Betrachtung bedeutungsvoller geworden ist als das des Bundes und daß dieses Investitionsverhalten — wie dies der SPÖ-Nationalratskandidat und Linzer Hochschuldozent Matzner nachgewiesen hat — entgegen ursprünglichen Annahmen nicht unbedingt prozyklisch ist.

Unter den Landeshauptleuten und Landesflnanzreferenten, den Bürgermeistern und den Finanzstadträten in den sozialistisch dominierten Ländern und Gemeinden hat denn auch Androschs Ankündigung, die finanzielle Basis des Föderalismus schwächen zu wollen, einige Aufregung ausgelöst. Sie muß immerhin so stark gewesen sein, daß die „Arbeiter-Zeitung“ den Linzer SPÖ-Bür-germeister Hillinger mit dem Ausspruch, schon beim bisherigen Finanzausgleich seien die Länder und Gemeinden „schlecht weggekommen“, zitieren mußte. Der Kärntner Landeshauptmann Sima wiederum ließ die Absicht verlauten, die Zahl der Kärntner Gemeinden auf rund sechzig zu reduzieren, um so beim Aufteilungsschlüssel zu profitieren. Dafür besteht in Kärnten auch Grund genug, denn in diesem Bundesland sind die Gemeinden mit rund 180 Prozent der ordentlichen Ausgaben mehr als doppelt so stark verschuldet als etwa die der Bundesländer Niederösterreich und Oberösterreich. Eine Änderung des Finanzausgleiches auf Kosten der Bundesländer und Gemeinden würde eine Reihe wichtiger Investitionsvorhaben stoppen, die in den mittelfristigen Planungen dieser Gebietskörperschaften bereits eingebaut sind. Androschs Absichten würden demnach die Wirtschaftskraft der Länder und Gemeinden arg schwächen.

Aber nicht nur die zentralistischen Tendenzen der Regierung geben Anlaß zur Beobachtung. Da ist auch die saloppe Art, mit der Dr. Androsch den Finanzausgleich isoliert von der — oft angekündigten — „großen“ Steuerreform und der beabsichtigten Einführung der Mehrwertsteuer behandelt. Zweifellos ist auch am System des Finanzausgleichs in Österreich einiges verbesserungswürdig. So könnte etwa an die Einführung einer Finanzausgleichsbilanz zur Erfassung der Wirkungen des Finanzausgleiches gedacht werden, womit auch die Transparenz der Mittelverteilung erhöht würde. Nicht zuletzt aber könnten die zusätzlichen Einnahmen des Bundes aus der Mehrwertsteuer in den Dienst des horizontalen Finanzausgleichs (das ist die Begünstigung der wirtschaftlich schwächeren Randgemeinden) gestellt werden. Denn es wäre sehr bedauerlich, wenn gerade jetzt, wo ein neuer Finanzausgleich, die Einführung der Mehrwertsteuer und die groß angekündigte Steuerreform zeitlich zusammenfallen, nicht alle Maßnahmen getroffen werden, die notwendig sind, etwa den horizontalen Finanzausgleich in ein umfanggerechtes, rationelles und übersichtliches System umzustrukturieren.

Die Regierung freilich schwelgt, und ihr permanentes Schweigen wird nur noch überboten von der Kraftlosigkeit des ÖVP-Gespanns, das etwa die Frage der Neuregelung des Finanzausgleichs zur Gänze den ÖVP-Landeshauptleuten und Gemeindevertretern überlassen hat. Dabei geht es beim Finanzausgleich zweifellos um mehr als um flnanz-wirtschaftliche Fragen, sondern um einen viel weiter gespannten Fächer mit staatspolitischen, allgemein volkswirtschaftlichen, sozialen und administrativen Aspekten. Dennoch rührt die Kärntnerstraße die Absicht der SPÖ-Regierung, das Partnerschaftsverhältnis zwischen Bund einerseits, den Ländern und Gemeinden anderseits in eine Partnerschaft von „Reiter und Pferd“ umzufunktionieren, kaum. Recht offensichtlich hat man in der ÖVP-Parteizentrale vergessen, daß schon seit dem Jahr 1973 eine Landtags- und Gemeinderatswahl die andere jagen wird; und daß dann die Frage der Neuordnung der finanziellen Beziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden eine tragende Rolle spielen wird.

„Waffenschmuggel“

In unserer Ausgabe vom 20. November 1971 haben wir in der Uberschrift eines Aufsatzes auf Seite 4 einen „Waffenschmuggel der OMNI-POL über Österreich“ erwähnt und im Untertitel die Frage aufgeworfen: „Wer war der Anwalt?“ In dem folgenden Text war mehrfach der Name des Rechtsanwaltes Dr. Ferdinand Graf genannt, so daß für den oberflächlichen Leser der Eindruck entstehen mußte, Rechtsanwalt Doktor Graf habe an dem in der Schlagzeile erwähnten Waffenschmuggel als Anwalt zumindest in beratender Funktion mitgewirkt.

Wir haben uns davon überzeugt, daß Rechtsanwalt Dr. Ferdinand Graf mdt einem Waffenschmuggel nicht das geringste zu tun hat, und ziehen daher den in der oben erwähnten Formulierung enthaltenen Vorwurf gegen ihn mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück.

Wir kommen dem Ersuchen von Dr. Ferdinand Graf, obenstehende Zeilen abzudrucken, um so lieber nach, als ja im Text des erwähnten Artikels Dr. Graf tatsächlich mit keinem Wort mit einem Waffenschmuggel in Verbindung gebracht, anderseits wiederum von Dr. Graf mit keinem Wort auf den Text jenes Artikels eingegangen wurde. Unbeantwortet bleibt also die von der „Furche“ gestellte Frage, „wann jemand, der einen Anwalt konsultiert, diesen als ,seinen' Anwalt bezeichnen darf“ — eine nur scheinbar praxisferne Frage, wenn man sich den seltsamen Vorgang in Erinnerung ruft, daß Dr. Graf gegen einen früheren Klienten den Antrag auf Konkurseröffnung eingebracht haben soll — und zwar im Namen der tschechischen Firma OMNIPOL, obwohl er wenige Monate vorher für jenen Klienten tätig geworden und durch ihn mit der OMNIPOL in Verbindung gebracht worden war. Einige Zeit später schrieb nämlich Graf an seinen vormaligen Klienten (die nunmehrige Gegenpartei seiner neuen Klientel), er sei niemals dessen Anwalt gewesen. Man wird den Ausgang der Disziplinarsache der Rechtsanwaltskammer gegen Doktor Ferdinand Graf also abwarten müssen, um sich ein endgültiges Urteil bilden zu können. Unabhängig davon bleibt das Unbehagen, das daraus resultiert. Ausgerechnet der Sohn eines Mannes, der als einer der Schöpfer, wenn nicht der Schöpfer des österreichischen Bundesheeres angesehen wird, tritt in, wie wir damals schrieben, „ein ,Vollmachtsver-hältnis' (so darf man es doch nennen?) mit einer Firma ein, deren Usancen österreichischen Normen nicht immer zu entsprechen scheinen ...“

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung