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Digital In Arbeit

Computer — eine Chance

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Die technische Entwicklung auf dem Gebiet der Datenverarbeitung macht rasante Fortschritte. Große Auswirkungen auf Beschäftigung und Arbeitsgestaltung sind zu erwarten. Daher ist eine gründliche Auseinandersetzung mit dem Problemkreis von eminenter Bedeutung. Die FURCHE gibt die Stellungnahmen eines Datenverarbeitungsexperten und eines Gewerkschafters wieder. Beide nehmen am Mittwoch an einer Diskussion im Kummer-Institut teil.

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Die technische Entwicklung auf dem Gebiet der Datenverarbeitung macht rasante Fortschritte. Große Auswirkungen auf Beschäftigung und Arbeitsgestaltung sind zu erwarten. Daher ist eine gründliche Auseinandersetzung mit dem Problemkreis von eminenter Bedeutung. Die FURCHE gibt die Stellungnahmen eines Datenverarbeitungsexperten und eines Gewerkschafters wieder. Beide nehmen am Mittwoch an einer Diskussion im Kummer-Institut teil.

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Der erste röhrenbestückte Computer füllte einen Saal, brauchte ein halbes Kraftwerk zur Stromversorgung und ein halbes Wasserwerk zur Kühlung. Ein moderner Kompaktcomputer steht irgendwo im Büro herum, etwa wie ein Schreibtisch, steckt an einer normalen Steckdose und leistet mehr als das Monstrum. Die ersten Bedarfsschätzungen lagen bei mehreren hundert Stück (weltweit!), heute können nicht einmal mehr Fachleute die genauen Zahlen feststellen. Denn überall begegnen wir ihm - dem Computer - im Büro, auf der Bank, am Bahnhofsschalter heute, beim Greißler, im Haushalt morgen. Und Mikrocomputer steuern Waschmaschinen genauso wie künstliche Satelliten; wie überhaupt erst Computer den bemannten Raumflug möglich machten. In Anbetracht dessen ist es nicht verwunderlich, wenn sich so mancher bang fragt, wann diese Wunderdinge den Menschen überflüssig machen werden.

Doch Euphorie und Zukunftsangst beiseite: die expansive Verbreitung und beinahe unüberschaubaren Möglichkeiten des Computers ändern nichts daran, daß er nur ein Werkzeug ist und es in des Menschen Hand hegt, dieses Werkzeug zum Wohle oder zum Schaden des Menschen zu verwenden.

Und aus der Sicht des EDV-Prakti- kers zeigt sich am Beispiel Büroarbeit der Wandel in dieser Verwendung. In der ersten Phase hatten die

Datenverarbeitungsräume einen eigenen Status, vergleichbar etwa mit einem Labor. Weißgekleidete Halbgötter taten und sprachen Unverständliches. Der normale Angestellte gab seine Belege brav in der Locherei ab und erhielt nach einiger Zeit seine Ergebnisse zumeist in Form von dik- ken Listen. Was dazwischen geschah - das ging niemand was an.

Das ist anders geworden. Da sind zum ersten die Kosten der EDV-Sy- steme in den letzten Jahren ständig gesunken und ist anderseits das Angebot an Standardprogrammen ständig gestiegen. Dies hat zum Einzug der EDV in Klein- und Mittelbetrieben geführt, wo die EDV-Abtei- lung zu einer Einmannabteilung oder überhaupt integriert wird. Der Datenverarbeitungsmensch ist wieder zum Kollegen geworden.

Zum zweiten hat in den letzten Jahren ein klarer Trend zum „Computer am Arbeitsplatz” eingesetzt. Der Sachbearbeiter mit dem Bildschirm am Schreibtisch, den er genauso selbstverständlich benützt wie das Telefon, ist heute keine Rarität mehr. Gerade der Bildschirm - das „Fenster zum Computer” hat viel zu dessen Entmystifizierung beigetragen und ihn wieder zu dem gemacht, was er sein soll-ein Werkzeug. Die optimale Gestaltung eines solchen Arbeitsplatzes mag noch nicht erreicht sein, aber die Zusammenarbeit der Wissenschaft mit den Betroffenen und den Herstellern wird auch diese Frage lösen, ein heutiger Tastwahlapparat unterscheidet sich ja auch nicht unbeträchtlich von Vaters Telefonapparat.

Da ist natürlich auch die Sorge um die Einsparung von Arbeitsplätzen durch die Automation. Dafür gibt es aber keinen Beweis; den eventuellen Einsparungen auf der einen Seite steht ein bedeutender Arbeitskräftebedarf durch den Computer selbst gegenüber - bei den Herstellern, Anwendern und Programmier- und Be- ratungshäusem. Der Computer frißt nicht seine Kinder, sondern ernährt sie. Und daß unter dem Strich kein Minus herauskommt, zeigen ja auch die österreichischen Arbeitsmarktzahlen. Es mag ein Problem sein, daß eine Verschiebung von minder- zu höherwertigen Arbeiten entsteht, aber das kann ich nicht als negative Entwicklung oder gar Verdrängung des Menschen sehen.

Eines darf man niemals vergessen: der Computer als „nützlicher Idiot” kann nur ausführen, was man ihm im Programm vorgegeben hat (leider auch dann, wenn es falsch ist). Von der relativen Speicherungsfahigkeit des menschlichen Gehirnes ist er noch weit entfernt und dessen Fähigkeit zum kreativen und assoziativen Denken ist ihm völlig fremd. Aus vielen leidvollen Erfahrungen hat sich in der Praxis ergeben, daß nicht die Vorwegnahme aller Entscheidungen und die völlige Automatisierung der beste Weg ist. Es gilt vielmehr: der Mensch entscheidet und der Computer liefert die Unterlagen dazu.

Und wer sich vor der Herrschaft der Computer im Sinne von Sciencefiction-Romanen fürchtet, dem schlage ich vor, sich vorzustellen was überbleibt, wenn man den Stecker aus der Dose zieht: ein toter Haufen Metall.

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