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Internationale wie nationale Studien beweisen: die Einführung neuer Informationstechnologien an unseren Hochschulen steckt noch tief in den Kinderschuhen.

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Internationale wie nationale Studien beweisen: die Einführung neuer Informationstechnologien an unseren Hochschulen steckt noch tief in den Kinderschuhen.

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Nach Schätzungen der Wiener Wirtschaftsuniversität wird die Zahl der Arbeitnehmer, die ohne EDV-Kenntnisse in ihrem Beruf das Auslangen finden, rapide zurückgehen: 1990 werden das nur noch 31 Prozent der Beschäftigten sein, während es 1983 noch 65 Prozent waren.

Angesichts dieser Entwicklung hat die österreichische Bundesregierung einen „Technologieschwerpunkt Mikroelektronik“ gesetzt. Dieses Förderungsprogramm soll zwischen 1985 und 1987 der Stärkung des einschlägigen Forschungs- und Entwicklungspotentials und der Förderung der gezielten Anwendung der Mikroelektronik und Informationsverarbeitung dienen.

„Maßgebend für die Initiative war die Überlegung, daß die

Strukturverbesserung und die internationale Konkurrenzfähigkeit unserer Wirtschaft in zunehmendem Maß davon abhängen werden, in welchem Ausmaß und in welcher konzeptiven Qualität österreichische Betriebe neue Technologien, allen voran die Mikroelektronik und die Informationsverarbeitung für Produkt-und Prozeßinnovation, anwenden und inwieweit sie sich dabei des vorhandenen Forschungs- und Entwicklungspotentials im universitären und außeruniversitären Bereich bedienen.“

So steht es im Forschungsbericht 1985 des Wissenschaftsministeriums. In einer Studie (von Herbert Rainer und Erich Schön-leitner) wurde nun die „Planung der österreichischen Universitäten bei der Einführung neuer Informationstechnologien“ untersucht. Das Ergebnis ist alles andere als ermutigend.

Die Situation bei den Informatikstudenten ist ja bekannt schlecht. Im Wintersemester 1985/ 86 standen für 1.000 Studienanfänger 32 Personalcomputer-Arbeitsplätze zur Verfügung. In einer Feuerwehraktion wurden mittlerweile weitere Geräte zugekauft. Dieser Umstand läßt, gemeinsam mit der Tatsache, daß an der Technischen Universität Wien 335 Studenten auf einen Professor kommen (Bundesrepublik Deutschland: 100 zu 1, USA: 5 zu 1), nicht gerade auf mittel- oder langfristige Planung schließen.

Dazu ein Beispiel aus den USA: Das Clarkson College of Technology in Potsdam im Staate New York beschloß, jeden Studienanfänger mit einem Mikrocomputer auszurüsten. Alle Vorlesungen für Anfänger sollten soweit als möglich diese Mikrocomputer benutzen.

Ein ehrgeiziger Plan: die Hochschule hat im Jahr immerhin fast 1.000 Studienanfänger. Die Hochschullehrer mußten mit den Computern vertraut gemacht werden, was insbesondere bei den Geisteswissenschaften auf einige Zurückhaltung stieß. Kurse waren zum Teil zu revidieren, um den neuen Geräten Rechnung zu tragen.

Als Grundüberlegung für die Mikrocomputeraktion wurde angeführt, man müsse die Studenten möglichst früh mit diesem Werkzeug vertraut machen, um sie optimal für ihr Berufsleben vorzubereiten.

Von solchen Überlegungen ist man in Österreich noch meilenweit entfernt, ebenso von Überlegungen, Grundkenntnisse in Informatik in allen Studienrichtungen zu vermitteln.

„In den meisten Industrienationen ist es eine Tatsache, daß der Erziehungsbereich auf allen Stufen der Sektor ist, der der Einführung neuer Informationstechnologien den größten Widerstand entgegenbringt.“ Dies stellte Pierre Duguet bei einer Konferenz europäischer Universitätsrektoren im April 1985 in Wien fest. Duguet ist „Principal Administrator“ der OECD und Autor einer Studie über die Rolle neuer Informationstechnologien an den europäischen Universitäten. Diese Untersuchung förderte ein für Österreich trauriges Ergebnis zutage.

Untersucht wurden, nach Fakultäten gegliedert, mögliche Bereiche, in denen neue Informationstechnologien eingesetzt werden können, und zwar

• als Unterrichtsgegenstand,

• als Hilfsmittel in der Lehre,

• als universitätsinternes Kommunikationssystem,

• als Möglichkeit, Fernstudien zu organisieren.

In allen Bereichen liegt Österreich unter 20 europäischen Staaten nie unter den ersten zehn, in den meisten Fällen gemeinsam mit Staaten wie Griechenland, Irland, Spanien, Portugal oder Jugoslawien unter den letzten fünf. Das kommt nicht von ungefähr.

Mit Ausnahme der Wirtschaftsuniversität Wien und der Technischen Universität Graz ist auch nach unserer Untersuchung keine integrierte Planung bei der Einführung neuer Informationstechnologien und der Abschätzung des notwendigen Aufwandes und der Kapazitäten vorhanden.

Es kann somit gesagt werden, daß für 70 Prozent der österreichischen Studenten die Einführung neuer Informationstechnologien in ihrer Studienrichtung noch nicht einmal in der Planungsphase ist.

Ähnlich stellt sich die Situation im Wissenschaftsministerium selbst dar: „Für die Einführung von Computerarbeitsplätzen in Lehre, Forschung und Verwaltung besteht kein integriertes Konzept für die österreichischen Universitäten“, gibt der zuständige Sektionschef Sigurd Höllinger unumwunden zu.

Eine Verbesserung dieser Situation erhofft man sich im Wissenschaftsministerium durch Maßnahmen in zwei Bereichen:

• durch die Einsetzung einer Hochschulplanungskommission, die nach internationaler Ausschreibung Expertisen durch Beratungsfirmen vergeben und in erster Linie ein Konzept über die Entwicklung der Computerwissenschaften und deren Integration in den Studienbetrceb entwickeln soll, allerdings vorerst beschränkt auf die Ingenieurdisziplinen.

• durch Maßnahmen, die dazu führen sollen, daß die einzelnen Universitäten endlich eine Planungseinheit werden, die selbständig Schwerpunkte setzen und Ressourcen umverteilen kann.

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