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CSFR: Enormer Rückgang der Religion

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Die Volkszählung in der CSFR hat für die Tschechische Republik eine Einwohnerzahl von 10,298.731, für die Slowakische Republik von 5,268.935 ergeben, die gesamte Tschecho-Slowakei hat also 15,567.666 Einwohner. Seit der letzten Volkszählung im Jahre 1980 hat sich damit der Anteil der Slowaken an der Gesamtbevölkerung erhöht, er beträgt jetzt 33,8 Prozent, etwas mehr als ein Drittel. In absoluten Zahlen ist die Einwohnerzahl der Tschechei in den letzten zehn Jahren um 6.804 (0,07 Prozent), in der Slowakei hingegen um 277.767 (5,27 Prozent) gestiegen.

In der Slowakei stellen die Magyaren mit 10,76 Prozent die größte Minderheit dar. Die Roma-Zigeuner machen 1,53, die Tschechen 1,11, die Ruthenen und Ukrainer 0,32 beziehungsweise 0,26 Prozent an der slowakischen Bevölkerung aus. Die Ruthenen haben sich von den Großukrainern abgespalten und halten sich für eine eigenständige Nation in den Traditionen der alten k.u.k. Monarchie. Zur Zahl der Roma muß noch hinzugefügt werden, daß sie bestimmt größer ist - nämlich etwa 300.000 bis 350.000 -, aber die Mehrzahl der Zigeuner hat sich zur slowakischen oder ungarischen Nation bekannt. In der Slowakei gibt es jedoch keine polnische Minderheit, wie oft irrtümlich in westlichen Medien berichtet wird. Insgesamt machen die nationalen Minderheiten in der Slowakei 14 Prozent der Bevölkerung aus, 4,5 Millionen sind Slowaken.

Hinsichtlich der Religionszugehörigkeit machen die Katholiken in der Tschechei etwa 40 Prozent, in der Slowakei rund 64 Prozent (hier mit den Griechischkatholischen der Ostslowakei) der Bevölkerung aus. In der Tschechischen Republik sind 40 Prozent konfessionslos, in der Slowakei nur etwa zehn Prozent. Zählt man allerdings die Konfessionslosen mit der Gruppe jener zusammen, die in der Rubrik Religionszugehörigkeit keine Angaben machten, dann sind in Böhmen/Mähren 56 Prozent ohne religiöses Bekenntnis, in der Slowakei 27 Prozent. Damit könnte man auf der anderen Seite in Böhmen/Mähren in etwa 44 Prozent, in der Slowakei ungefähr 72 Prozent als „christlich" betrachten.

In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg sind aus der katholischen Kirche in Böhmen und Mähren 1,65 Millionen Menschen ausgetreten. Aus dem alten antihabsburgischen Haß entwickelte sich ein antirömischer Affekt mit der Parole„Los von Rom". Es entstand eine neue Kirche, die tschechoslowakisch-hussitische, und die Kirche der böhmischen Brüder wurde stärker und bedeutender. Heute allerdings repräsentieren die beiden Kirchen nur etwas mehr als drei Prozent der Bevölkerung Böhmens.

Das Jahr 1950 war das letzte, in dem in der Tschechoslowakei noch die Religion in den Fragebogen aufschien. Damals betrug in der traditionell „katholischen" Slowakei der Anteil der Katholiken noch mehr als 76 Prozent, jetzt liegt er bei knapp über 60 Prozent. Die 40 Jahre Verfolgung bedeuteten einen Rückgang um etwa ein Fünftel. Die griechisch-katholische Kirche verlor nach ihrer Zwangseingliederung in die Orthodoxie etwa zwei Fünftel ihrer Mitglieder; nach der Rückkehr der großen Mehrheit der Gläubigen in die griechisch-katholische Kirche schrumpfte die orthodoxe Kirche auf etwas mehr als ein halbes Prozent. Die Lutheraner und Reformierten -vorwiegend Magyaren - haben sich um mehr als die Hälfte veringert.

Im Jahre 1950 war in der Slowakei die Prozentzahl der Konfessionslosen verschwindend gering, 1991 waren es fast zehn Prozent. Enorm hoch hingegen ist die Zahl Unentschiedener, die nicht wissen, wohin sie gehören - oder Angst.haben, sich als Atheisten zu deklarieren. Über die Zahl der Juden, im Jahre 1921 in der Slowakei noch mehr als 4,5 Prozent, braucht man keine erklärenden Worte zu machen, es gab den Holokaust -und diese Wunde wird nicht verheilen.

Die Statistik gewinnt in der neuen demokratischen Tschecho-Slowakei zunehmend an Bedeutung. Kann auch der Zugang und die Bewertung der Daten unterschiedlich ausfallen, so ist doch ihr objektiver Informationswert unbestreitbar.

Auch die Daten über die Religion kann man von verschiedenen Blickwinkeln aus bewerten. Einige werden über den Prozentsatz der Katholiken entzückt sein, andere können traurig sein, daß es - vor allem in den großen Städten, wo die Katholiken langsam schon in der Diaspora leben müssen -zu einer solchen Entchristlichung während der Kommunistenära gekommen ist.

Ein realistischer Blick bewahrt jedoch sowohl vor falschem Triumphalismus als auch vor müder Resignation. Die Ergebnisse der Volkszählung in der CSFR sollten zum Nachdenken und - in der Kirche — zur Suche nach neuen, überzeugenderen Formen der Pastoral*führen. Worte hat's schon genug gegeben, jetzt müssen endlich Taten folgen. Taten, die die Liebe, Dienst- und Opferbereitschaft der Christen in einer veränderten Gesellschaft bezeugen und damit Schlüssel zu den Herzen der heutigen Menschen sind.

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