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CSSR: „Auf den Biber gekommen”

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So wie andere Ostblock-Staaten kämpft auch die CSSR zunehmend mit Ver-sorgungsengpässen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Unter dem Druck der Notlage scheinen nun die Pragmatiker um Premier Lubomir Strougal Oberhand zu gewinnen und zaghafte Reformversuche zu wagen.

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So wie andere Ostblock-Staaten kämpft auch die CSSR zunehmend mit Ver-sorgungsengpässen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Unter dem Druck der Notlage scheinen nun die Pragmatiker um Premier Lubomir Strougal Oberhand zu gewinnen und zaghafte Reformversuche zu wagen.

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In den Selbstbedienungsrestaurants in Prag 8, die vorwiegend vorgekochte Fertigmenüs anbieten, hat nun auch eine etwas exotische Köstlichkeit Einzug gehalten- Biberfleisch. Wie „Vecer-ni Praha”, die Prager Abendzeitung, unlängst meldete, haben die Kunden dafür „unerwartetes Interesse gezeigt”.

Ein deutschsprachiger Prager kommentiert diese neueste Idee der Behörden, den immer spürbareren Versorgungsmangel bei Fleisch auszugleichen, überaus sarkastisch: „Wir sind zwar nicht — so wie die Polen — auf den Hund gekommen, wohl aber auf den Biber.”

Dabei sind die Tschechoslowaken, denen ein gutes Essen eine der wichtigsten Ingredienzien für eine behagliche „innere Emigration” ist, ohnehin durch die letzten Preiserhöhungen gezwungenermaßen zu halben Vegetariern geworden. Ein Kilogramm Beefsteak kostet seit den Preiserhöhungen vom Frühjahr - so es überhaupt zu finden ist— statt früher 40 nun 96 Kronen. Der Preis für mageres Schweinefleisch wurde — je nach Kategorie — um 60 bis 90 Prozent erhöht.

Ungeachtet dieser Geldabschöpfung durch Preiserhöhung, wodurch die Versorgungslage optisch verbessert werden sollte, gibt es dennoch immer wieder Engpässe.

Kein Wunder: Nach Angaben der offiziellen Statistiker sind in den ersten zwei Monaten 1982 im Vergleich zum Vorjahr um 21.100 Tonnen weniger Schlachtvieh angeliefert worden. In den letzten zehn Jahren ist die agrarische Nutzfläche um 470.000 Hektar verkleinert worden — durch Aufforstung, Verbauung oder Brachliegen. Es gibt zu wenig Futtermittel, die geringere Anwendung und der reduzierte Import von Düngemitteln hat zu unterdurchschnittlichen Erträgen geführt. 1981 war die landwirtschaftliche Produktion um 5,7% kleiner als geplant.

Auch die anderen Wirtschaftsdaten in der Tschechoslowakei bestätigen durchaus die „beispiellosen Schwierigkeiten” im ökonomischen Bereich, die Premier Strougal bereits Ende 1981 an die Wand malte.

Die Industrieproduktion ist in den ersten Monaten 1982 um 1,3 Prozent hinter dem Vergleichszeitraum des Vorjahres zurückgeblieben, 42,2 Prozent der Betriebe konnten das Plansoll nicht erreichen.

Besonders kraß ist die Lage in der Bauwirtschaft, wo man 10,8 Prozent weniger als im Vorjahr fertigstellte und 78,4 Prozent der Firmen unter den Planzielen blieben. Die Arbeitsproduktivität, also das Verhältnis von Arbeitskräften und erzielter Leistung, ist in der Industrie 1982 um weitere 2 Prozent abgesunken, im Bauwesen gar um 10 Prozent.

Die Regierung in Prag hat mit Beginn des heurigen Jahres daher in die Tasten ihres wirtschaftspolitischen Instrumentariums gegriffen — und dabei zum Teil alte, zum Teil aber auch neue Töne angeschlagen:

• Mit Preiserhöhungen bei Lebens- und Genußmitteln, für deren staatliche Stützung rund zehn Prozent des Budgets aufgewendet werden mußten, wurde der Geldüberhang abgeschöpft und der Etat entlastet.

• Strenge Ausfuhrverbote für alle Ausländer wurden erlassen—es betrifft alle Nahrungsmittel, Zigaretten, Getränke, Baumwollgewebe, Kinderkleidung, Bettwäsche, Leder und Lederwaren (einschließlich Kunstleder), Schuhe, eine Reihe von Industrieprodukten und Antiquitäten.

Die Ausfuhrverbotsliste spiegelt zugleich auch die Versorgungsengpässe im Lande wider. Unangenehmer Nebeneffekt der Maßnahmen: Die Zahl von 18,5 Millionen Ausländern, die jährlich die CSSR besuchen, dürfte sich 1982 drastisch verringern — und damit kommen weniger Devisen ins Land.

# In allen Betrieben wurde größte Sparsamkeit gefordert und wird zum Teil streng kontrolliert. Das Parteiorgan „Rüde pravo” rief zur Stärkung der Arbeitsmoral und Disziplin auf — beides ist eine Voraussetzung für eine erfolgreichere Wirtschaftstätigkeit.

# Weitere Sparmaßnahmen setzte die Regierung selbst, um den Werktätigen sozusagen mit gutem Beispiel voranzugehen. Die Ausgaben für Propaganda und Repräsentation wurden um 10 Prozent gekürzt, der Etat für Dienstreisen um 5 Prozent.

Bis 1985 soll die Zahl der Beamten um 70.000 verringert werden. t Die Dienstwagen werden um 30 Prozent reduziert.

Soweit bewegen sich die ergrif-

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